Erfüllte Zeit

13. 09. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Auf dem Weg nach Jerusalem“ (Markus 8, 27- 35)

von Gerhard Langer

 

 

Das heutige Evangelium weist einen Rahmen und eine Mitte auf. In den Rahmenteilen scheint mir Jesus sehr authentisch gegenüberzutreten. Jesus fragt die Jünger, wofür die Menschen ihn halten und bekommt die wenig überraschende Antwort, dass man ihn mit anderen vergleicht, an die man Hoffnungen knüpft oder für die man große Wertschätzung hegt, etwa mit dem zur Umkehr rufenden Johannes, oder mit Elija, der als wundertätiger Vorbote des Messias wirkt oder mit einem der Propheten. Auf überaus harsche Weise wird aber Petrus als Satan bezeichnet, als er von sich aus Jesus als Messias bekennt. Welchen Grund hätte es geben sollen, gegen den später als Heiligen und ersten Bischof von Rom verehrten Petrus ein solches Wort als Gemeindebildung einzuführen, wenn nicht im Hintergrund die Rede Jesu selbst gestanden hätte, die man treu und mutig wiedergibt? Schon Eduard Schweizer äußerte die Vermutung, dass die scharfe Zurückweisung des Petrus historisch di­rekt auf den Satz "Du bist der Messias" gefolgt sei.

 

Matthäus schwächt später die schroffe Ablehnung des Petrus massiv ab, indem er Jesus sagen lässt: "Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel" (16,17). Und er übergibt Petrus die Schlüsselgewalt. Dieser Spruch ist getragen von den Bedürfnissen der späteren Kirche und der Bedeutung des Petrus als Felsen dieser Kirche. Jesus selbst spricht hier nicht mehr.

 

Für Markus ist aber das Leiden der Schlüssel zum Verständnis des wahren Jesus. Die Messiasvorstellung des Petrus trifft sie offenbar nicht. Vielleicht ist es so zu verstehen, dass der Messias des Petrus kein Leidender, sondern ein Triumphierender ist, ein König mit Macht und Herrlichkeit, wie ihn die Kirchen viel später auf eindrucksvolle Weise in Fresken und Ikonen darstellten, einen thronenden Jesus, einen machvollen Gebieter über die Welt.

 

Jesus selbst warnt vor dem Glauben an Messiasse, die reichlich vorhanden sind in der Geschichte: „Wenn dann jemand zu euch sagt: Seht, hier ist der Messias!, oder: Seht, dort ist er!, so glaubt es nicht!“, sagt er nach Mk 13,21 und meint wohl die Selbstdarsteller, Wichtigtuer, scheinbare Welterlöser, die mehr Schaden anrichten als Nutzen.

 

Markus spricht eine andere Sprache. Das Kriterium des Messias ist kein medienwirksamer Sieg auf der politischen und gesellschaftlichen Bühne. Wenn er der Messias ist, so soll er doch vom Kreuz steigen, meint eine schaulustige Menge im Angesicht des sterbenden Jesu. Doch erst nach dem qualvollen Tod hat das Bekenntnis zu ihm als Messias seinen Platz. „Als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand, ihn auf diese Weise sterben sah, sagte er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“, heißt es in Mk 15,39.

 

In dem heute gelesenen Abschnitt des Evangeliums wird noch mehr gesagt, als dass es falsch ist, den Messias Jesus vor seinem Leiden und seinem Tod zu bekennen. Die zentrale Aussage ist: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.“

 

Das Kriterium der richtigen oder falschen Verehrung Jesu ist also die Bereitschaft, unerschrocken zu sein in der richtigen Überzeugung, im Leben der Botschaft dieses Jesus, auch unter der Gefahr, anzuecken, ein Außenseiter zu sein, ja sogar Leiden und Verfolgung zu akzeptieren. Die Nachfolge ist eine schmerzhafte und keine triumphale. Sie entspricht nicht den Erwartungen der Menschen, damals nicht und heute schon gar nicht. Umso mehr braucht es in Gesellschaft und in den Glaubensgemeinschaften Menschen der Nachfolge im Sinne des Markus. Der Überlieferung nach hat Petrus diese Botschaft selbst später verstanden und ist der Verfolgung und dem Leiden nicht ausgewichen.