Erfüllte Zeit

29. 11. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Mahnungen im Hinblick auf das Ende“ (Lukas 21, 25 – 28. 34 – 36)

von Stiftspfarrer Gerhard Christoph Kalidz

 

 

Ich habe mich oft schon gefragt, warum gerade am Anfang eines neuen Kirchenjahres immer von Endzeit, Schrecken, Wirren, Vergänglichkeit und Zerstörung die Rede ist – so wie heute im soeben gehörten Evangelium – und ganz nebenbei wird verkündet: „Die Erlösung ist nahe, erhebt eure Häupter“. Nicht der Schrecken soll uns berühren, sondern das Hintreten vor Gott in Freude und Jubel!

 

Ganz schön gewagt, ja vermessen, was hier großspurig und fast nebenbei verkündet wird! Und wir, die Hörer dieser Botschaft, wie wirkt das Ganze auf uns? Mich regt es, ehrlich gesagt, auf, denn ich denke an die vielen selbsternannten Schreckensboten, die vielen Menschen, die Hölle heiß machen – Schimpfprediger, die Hass und Wut in die Herzen der Menschen treiben, die Gurus, die hunderte Menschen mit in den Tod nehmen, weil sie das Ende der Welt voraussehen und dahinter ihnen Himmel vorgaukeln. Endlos fortsetzen könnte ich dies und ich werde zornig, denn das ist alles nicht Gott gewollt. Das, so ist es meine feste Überzeugung, ist auch nicht das Evangelium nach Lukas. Nein, ganz und gar nicht – Lukas ist kein Poet, er ist ganz und gar Realist, Mensch seiner Tage und Zeit. Er sieht seine ihn umgebende Welt und will den Menschen Hoffnung geben, Hoffnung, die im Leben hilft und nicht Leben zerstört. Und wir, die wir im Heute leben – ist das Leben nicht oft hart, kämpfen nicht oft Menschen mit ihrem Leben, leiden, sind müde und kraftlos? Der Sohn einer Bekannten, der an Krebs erkrankt und dem Tod preisgegeben ist – die Frau, die von ihrem Mann immer wieder geschlagen wird und nicht die Kraft hat, ihn zu verlassen - die vielen Jugendlichen ohne Arbeit -  und, und, und. Und dann gibt es Lukas, der wie ein Windhauch pocht und ruft: „Erhebt eure Häupter, eure Erlösung ist nahe!“ Vermessen und doch nicht, nein, im Glauben wird solch ein Wort zum Trost, wird Salböl – nicht Wunder wirkend, auch der Schmerz bleibt – und doch spüre ich, mitten in dem Dunkel bricht er 'Christus' als Halt und Trost hervor. Das ist, was die Kirche uns sagen will.

 

Dort wo Menschen wie du und ich aus dem Glauben leben – durch Christus Kraft erhalten, kann die Mutter, die um ihren Sohn trauert zumindest spüren, Menschen stützen und begleiten sie, die Geschundenen erfahren Befreiung, Jugendlichen können Perspektiven eröffnet werden, oder sie spüren zumindest, sie werden nicht im Stich gelassen.