Erfüllte Zeit

06. 12. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Johannes der Täufer“

(Lukas 3, 1 – 6)

von Stiftspfarrer Gerhard Christoph Kalidz

 

 

Kamelhaargewand, lange zottige Haare, einen Bart, der längst schon das ganze Gesicht mehr oder weniger verdeckt, einen Stab in der Hand und himmelblaue Augen, so stell ich mir ihn vor, 'Johannes den Täufer', der uns heute als Zentralfigur des Evangeliums gegenüber tritt.

 

„Wenig einladend“, werden Sie sagen und doch, mich berührt er sehr, denn er vermittelt mir den Himmel ganz und gar. Den Himmel berührt nicht ein schönes Gewand, prächtige Maße oder ein toller Look – nein, der Himmel sieht die Augen und was dahinter im Menschen da ist!

 

Deshalb himmelblau, denn ich stelle mir vor, in Johannes Augen sehe ich, wage ich einen Blick in den Himmel und ich will Sie verführen, diesen Blick in die Augen des Johannes, ja, in den Himmel heute mit mir zu wagen. „Das geht doch nicht“, werden die Skeptiker unter uns sagen, „Was kommt denn jetzt?“, sagen die Neugierigen, „So ein Blödsinn“, sagen die Realisten und doch, ich rate es Ihnen und mir, schließen Sie Ihre Augen und schauen Sie auf Johannes, blicken Sie ihm in seine schönen hellblauen Augen. Und was sehen Sie? Ich sehe zunächst nicht viel, aber  bei längerem Hinsehen sehe ich meine Welt, meine Arbeit, die Menschen, mit denen ich lebe, zu tun habe, für die ich da sein darf, meine ganze persönliche Welt, die Freude, die Sorgen, die Nöte, die Trauer, die Wünsche, das Sehnen, die Angst, die Hoffnungslosigkeit und den Schmerz. Und dann sehe ich die Straßen der Welt, die Autobahnen, die Waldwege, die Fußwege und denke mir: „Ist das der Himmel?“ Ja vielleicht, denn der Himmel, den Johannes uns gibt, ist unser Leben – hier und jetzt. Die Straßen, von denen er spricht, sind die Straßen von mir zu dir, von mir zu Gott, von Gott zu uns und die Botschaft, die er kündet, ist nun einmal schon da, tief hinter deinen Augen, im Leuchten und Sehnen deines Herzens schenkt Gott sich selbst. Himmel passiert.

 

Damals im Leben Johannes des Täufers, das, wenn wir ehrlich sind, ja auch kein glanzvolles war, jung hineingeworfen in ein sehr äußeres karges Leben, sich selbst reduzierend auf das Wesentliche und dann den verkündend, der sein Herz zutiefst erfasst hat - 'Christus'. Wie ein Rufer gegen die Mächtigen, gegen die Umtriebe der Gesellschaft und der Welt von damals. Dann durch die Laune eines jungen Mädchens und deren raffgieriger Mutter geköpft und hingeschlachtet. Und doch berührt Johannes der Täufer bis zum heutigen Tag ob seiner Glaubenskraft, ob seiner Tiefe, ob seines Mutes. Ja, und vor allem, er hat für sich selbst den Himmel in Anspruch genommen, denn nicht seine menschliche, irdische Existenz, sondern sein Platz im Himmel hat sein Leben im hier und jetzt bestimmt. Und wir, keiner von uns wird ob seines Glaubens heute getötet, schlecht behandelt – ja, da und dort mag es vielleicht sein, dass man ausgelacht, verlacht wird. Aber was ist das im Vergleich zu dem, was wir in Anspruch nehmen dürfen? Die Gewissheit, dass Himmel ein Geschenk aus der Hand Gottes ist, die Gewissheit, dass Gott in unserem Leben heute schon Himmel baut und uns einlädt, diesen Himmel zu bauen, indem wir selbst auch aus der Kraft Gottes unser Leben gestalten.

 

Also noch einmal: 'Himmel passiert im hier und jetzt'!