Erfüllte Zeit

13. 12. 2009, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Was sollen wir tun?“

(Lukas 3, 10 - 18)

von Wolfgang Langer

 


Das christliche Programm der Nächstenliebe und die Grundsätze der Bergpredigt haben Menschen immer schon fasziniert. Sie entwerfen das Bild einer wahrhaft menschlichen, lebenswerten Gesellschaft: Verantwortung für den anderen statt rücksichtslosem Egoismus, Versöhnung statt rachsüchtiger Vergeltung, Verzicht auf berechtigte Forderungen statt Durchsetzung eigener Rechte, Hilfsbereitschaft gegenüber Ärmeren und Schwächeren, Geduld im Erleiden ungerechter Anfeindungen.

 

Das alles ist ein Gegenprogramm zu dem, was heute gilt. Aber es gilt eben und bestimmt unser Leben mehr, als wir es wahrhaben wollen. Im öffentlichen, politischen Umgang miteinander, in der Wirtschaft, oft bis ins Private hinein. Da klagt ein Geschäftsmann, dass er gern „christlicher“ handeln würde. Aber er kann es nicht. Er muss den so genannten Gesetzen des Marktes folgen, um seine Arbeit zu tun und in seinem Beruf erfolgreich zu sein. Das heißt unter anderem, im Wettbewerb mit Konkurrenten besser zu sein – auch wenn diese dann in ernste Schwierigkeiten kommen. Es heißt, die Gewinnchancen im Handel zu erhöhen, den Profit zu steigern, wobei andere automatisch zu Verlierern werden. Dabei muss gar nichts Unrechtes geschehen, weder Übervorteilung noch Betrug. Der Markt ist grausam. Nur wer hart kämpft, kann überleben.

 

„Was sollen wir tun?“, fragen die Leute den Täufer Johannes. Die Antwort ist schlicht: Teilen! Wovon man mehr als nötig hat („zwei Gewänder“) denen abgeben, die nichts oder nicht genug zum Leben haben. Das versteht jeder. Aber ist das nicht zu  schlicht gedacht? Passt das noch in unsere komplizierten Lebensverhältnisse mit ihren vielfältigen Verflechtungen und wirtschaftlichen, beruflichen Verpflichtungen?

 

Die gab es, wenngleich sicher nicht  im heutigen Umfang auch schon vor 1900 Jahren. Das Lukasevangelium wählt als Beispiele zwei damals äußerst problematische Berufe: Zöllner und Soldaten. In beiden waren Menschen auf je ihre Weise in Versuchung, Unrecht zu tun. Die Zöllner, eigentlich „Steuerbeamte“ in römischen Diensten, mussten für ihre Region jeweils eine bestimmte Summe an die Besatzungsmacht abliefern. Wie viel sie den Leuten abnahmen, war weitgehend ihnen überlassen. Mindestens ihren Lebensunterhalt durften sie auch kassieren. Dass sie ihre Macht missbrauchten und mehr forderten, war allgemein üblich. Deshalb und als Kollaborateure der „Heiden“ wurden sie von den Juden gehasst und sozial ausgegrenzt. „Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist!“, ist also die genau auf sie zugeschnittene berufsethische Regel.

 

Die Mahnung an die Soldaten gilt wohl zu allen Zeiten. Kaum ein anderer Berufsstand ist so gefährdet, übertragene Gewalt gegen Menschen auszuüben, sie zu „misshandeln“ und zu „erpressen“. Auch sie standen im „Sold“ der Römer und begnügten sich wohl nur selten mit diesem, sondern nutzten ihre Macht schamlos aus.

 

In unserer Erzählung fordert der Täufer erstaunlicherweise die Angesprochenen nicht dazu auf, ihre anrüchigen Berufe aufzugeben. Er zeigt ihnen, wie sie als Steuereinnehmer oder Angehörige des Militärs gerecht handeln können. Das gibt uns zu denken. Der Wirtschaftsmanager, der Bankchef, der Importeur ostasiatischer Waren ist nicht als solcher ein schlechter Mensch. Alles hängt davon ab, wie er seinen Beruf ausübt und ob er sich bemüht, Schaden von anderen abzuwehren und ihnen in ihren Lebensnöten beizustehen. Das gilt letztlich für jeden von uns, auch in seiner noch so bescheidenen Tätigkeit. „Die Spreu vom Weizen zu sondern“, bleibt am Ende Gottes Sache, nicht unsere. Er hat das Gericht Christus, seinem Sohn, übergeben. Der hat uns „mit Heiligem Geist getauft“, das heißt zu Söhnen und Töchtern Gottes gemacht. Darin liegt der Grund unserer Hoffnung – trotz unserer Schwächen und Verfehlungen.