Erfüllte Zeit

17. 01. 2010, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Hochzeit in Kana als Zeichen“ (Johannes 2, 1 – 11)

von P. Gustav Schörghofer SJ

 

 

„In den USA verbesserte sich das Konsumklima im Dezember überraschend stark. Der Index für das Verbrauchervertrauen stieg auf den höchsten Stand seit drei Monaten.“ So war Ende des vergangenen Jahres in einer österreichischen Tageszeitung zu lesen. Stellen Sie sich einen Bericht über die Hochzeit in Kana vor, der im Ton dieser Zeitungsmeldung abgefasst ist: Das Konsumklima verbesserte sich überraschend stark, so stark, dass die Nachfrage nach Wein bereits größer war, als das Angebot. Die Mutter des Jesus aus Nazareth machte ihren Sohn auf die drohende Krise aufmerksam. Jesus erkennt seine Chance. Er weiß einen Weg aus der Krise. Den Konsumenten sollte es an nichts mangeln. Im Handumdrehen ließ er eine ganze Wagenladung ausgezeichneter Weine herbeischaffen, etwa 600 Liter. Geschenk für den Bräutigam. Das bereits gute Konsumklima wurde durch dieses Angebot noch verbessert. Das Verbrauchervertrauen erreichte Höchstwerte. Ein Tipp seiner Mutter stand am Beginn eines steilen Aufstiegs. Der Unternehmer Jesus von Nazareth sollte bald mit ganz anderen Dingen von sich reden machen. Sein Programm: Mangel wird in Fülle verwandelt. Zuerst leere Regale, und dann besser als jemals zuvor.

 

Aber irgendwie passt das alles nicht zusammen: Konsumklima, Verbrauchervertrauen, Umsatzentwicklung, Konsumausgaben und dieser Jesus von Nazareth. Die Welt könnte schon längst ein Schlaraffenland sein. Die Tauben könnten uns in den Mund fliegen, gerupft und gebraten, oder Fische, wenn einer keine Tauben mag. Wein gäbe es in Hülle und Fülle, Wasser sowieso. Alle wären satt und zufrieden. Alle Kriege wären dem Mittagsschlaf zum Opfer gefallen. Aber nein, Jesus hat sich verweigert. Er hat da nicht mitgemacht. Und warum? Was will er eigentlich?

 

Wer das Johannesevangelium liest, wird merken, dass es ein Leitmotiv gibt. Ein Thema, das immer wiederkehrt: Die Suche Jesu nach dem Glauben derer, denen er begegnet. Glauben und Vertrauen wird im Griechischen, der Originalsprache des Evangeliums, mit ein und demselben Wort bezeichnet. Jesus sucht also Vertrauen. Kein Verbrauchervertrauen, das sollte klar sein. Sondern etwas anderes. Jesus sucht das Vertrauen der Menschen in die Nähe des Wunders, in die Nähe Gottes. Er sucht etwas, das bereits da ist, das entdeckt, hervorgelockt werden muss. Wie macht er das? Durch Zeichen. Er offenbart seine Herrlichkeit, wie es im Evangelium heißt. Doch das ist ganz still. Da leuchtet nichts auf, kein Spektakel, kein Feuerwerk, keine Erscheinung mit Blitz und Donner. Um Jesus herum ist die Welt unglaublich still. Unfassbar still. Aber wo Mangel war, wird mit einem Mal Fülle erfahrbar. Ein Wunder.

 

Aber kommt mir dieses Wunder nicht irgendwie bekannt vor? Wenn ich einmal aufgehört habe, die Welt mit meinen eigenen Vorstellungen von Fülle zu traktieren, wenn ich nicht immer bloß die Erfüllung meiner eigenen Wünsche einfordere, wenn ich inmitten meines Mangels ganz still werde und offen für das, was auf mich zukommt – dann hat sich immer schon gezeigt, dass ich reich beschenkt werde. Alles kommt auf mich zu. Alles wird mir geschenkt. Ich muss nur bereit sein.

 

Jesus offenbart seine Herrlichkeit. Da geht es nicht mehr um 600 Liter Wein oder Essen für 5000 Leute. In der Nähe Jesu leuchtet die Nähe Gottes auf. Nicht nur im Zustand der Sättigung, der Gesundheit, des Reichtums, sondern auch in Armut, Krankheit und Hunger. Überall sind wir unmittelbar zu Gott. Ein kleiner Schritt, eine winzige Wendung, und schon stoße ich mit meiner Welt, die immer zu klein, zu knapp, zu eng ist, an die Weite, die Fülle, den Zauber Gottes. Nicht im Erheben über die Welt erreiche ich Gott. Nicht, indem ich mich selber vervollkommne, mich vergeistige, alles Irdische übersteige. Ich erreiche Gott, indem ich eingehe auf die Welt, mir mit der Welt zu schaffen mache. Indem ich in der Sorge um andere frei werde von der Sorge um mich selber. Dann werde ich erfahren, dass sie nie gereicht haben und nie reichen werden, meine eigenen Kräfte. Ich kann das Leben nicht schaffen. Ich kann es mir aber schenken lassen, mir und anderen. Aus dem Unverfügbaren strömt es mir zu. Ich kann mich dem öffnen, es einströmen lassen in mich, mich verwandeln lassen und den Strom weitergeben an andere. Das geschieht in der Kunst, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft, in der Technik. Jesus offenbart seine Herrlichkeit. Und ich vertraue mich ihm an. Ich lebe am Ufer eines Meeres und schlage völlig überrascht die Augen auf.

Da ist ganz etwas anderes als das Schlaraffenland. Etwas viel Schöneres.