Erfüllte Zeit

07. 02. 2010, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Berufung der ersten Jünger“ (Lukas 5, 1 – 11)
von Wolfgang Schwarz

 

Jesus hatte in Kafarnaum großen Erfolg gehabt. Er konnte dort in der Synagoge aus einem Besessenen einen Dämon vertreiben und danach die Schwiegermutter des Simon (Petrus) vom Fieber befreien. Voller Hoffnung brachten daher die Menschen viele ihrer Kranken und Leidenden zu Jesus und er heilte sie. Genauso trieb er viele Dämonen aus. Als sich Jesus zurückziehen wollte, liefen ihm die Menschen nach und wollten ihn bei sich behalten. Er aber gab ihnen zu verstehen, dass er auch in andere Städte gehen muss, denn auch dort hat er die Frohe Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden, denn dazu sei er gesandt worden. Die Evangelienstelle, die wir heute gehört haben, schließt an diese Erfolgsgeschichte Jesu an. Jesus steht irgendwo am Ufer des Sees Gennesaret und wiederum drängen die Menschen zu ihm, denn sie wollen das Wort Gottes hören. Wer orientalische Begeisterung kennt, weiß, dass man sich vor solchem Gedränge am besten in Sicherheit bringt. Jesus besteigt daher eines der Boote von Fischern, die vom Fischfang zurückgekehrt waren und lehrt das Volk vom Boot aus. Das Boot gehörte dem Simon, der später im Text auch Simon Petrus genannt wird. Dass Jesus in das Boot des Simon gestiegen war, ist für dessen Leben nicht ohne Folgen geblieben. "Fahr hinaus auf den See!", sagt Jesus zu ihm. Er und seine Fischerkollegen sollen ihre Netze auswerfen. Simon, der in der Gegend des Nordufers des Sees aufgewachsen war und sein Fischerhandwerk verstand, wirft seine Netze aus. Seine Erfahrung als Fischer sagt ihm zwar, dass das nichts bringen wird, denn er und die anderen Fischer hatten die ganze Nacht hindurch vergeblich gefischt, aber weil ihn Jesus dazu ermuntert, tut er es. Das Unerwartete tritt ein: Ihre Netze füllen sich mit Fischen, zum Bersten voll. Andere Fischerboote müssen zu Hilfe gerufen werden. Was nun im Evangelientext weiter erzählt wird, ist eine Berufungsgeschichte: Im Unterschied zur Berufung der ersten Jesusjünger in den Evangelien des Markus und des Matthäus konzentriert sich der Verfasser des Lukasevangeliums besonders auf die Berufung des Simon Petrus. Simon Petrus erkennt sofort, dass er als erfahrener Fischer den Rat Jesu unterschätzt hatte (nochmals die Netze auszuwerfen). Er ist tief betroffen. "Ich bin ein Sünder", sagt er. Und da er meint, dass man sich von einem Sünder am besten fernhält, bittet er Jesus eindringlich, von ihm wegzugehen. Aber Jesus lässt sich von einem Sünder nicht wegschicken. Er bleibt und beruhigt den Simon Petrus mit den gleichen Worten, mit denen in der Bibel Gott oder von Gott gesandte Boten Menschen beruhigt haben, die voller Angst sind, weil sie Gott oder einer seiner Boten angesprochen hatte. Jesus sagt: "Fürchte dich nicht!". Dadurch bekommt die nun folgende Verheißung Jesu an Simon Petrus göttliche Autorität: " Von jetzt an wirst du Menschen fangen" und sie verliert so die Gefahr, als gewaltsamer Menschenfang missverstanden zu werden. So wie Gott für die Menschen ist, so wie es Jesus zu den Menschen hingezogen hat, so gehört Simon Petrus jetzt nicht mehr zu seinen Fischen, sondern zu den Menschen. Simon Petrus hat verstanden; noch einmal zieht er mit seinen Fischerkollegen die Boote an Land. Nicht nur er, sondern auch die anderen lassen alles liegen und stehen und folgen Jesus nach. Diese Geschichte von der Berufung des Simon Petrus zum Jünger Jesu ist - wie sie der Evangelist Lukas erzählt - bewegend, aber gleichzeitig auch lehrreich. Sie zeichnet ein sehr realistisches Bild des Jesusjüngers. Er ist kein Heiliger. Er ist Jesus gegenüber zunächst skeptisch, er lässt sich von Jesus nicht einfangen, sondern überzeugen. Der Jünger Jesu ist ein Sünder und er erkennt seine Sünde. Er ist nicht perfekt. Er schwebt nicht über der Welt, sondern er ist - wie ein Fischer - mit der harten Realität der Welt vertraut. Der Jünger steht auch nicht über seinen Mitmenschen; er ist einer von ihnen. Auch steht er nicht erhaben über den Menschen, genauso wie er sich nicht danach sehnt, erhaben zu sein. Jesus sucht gerade einen solchen Menschen in Simon Petrus. Als dieser zu ihm sagt, "Geh weg von mir, denn ich bin ein Sünder", bleibt Jesus. Und darüber hinaus signalisiert ihm Jesus: "Ich will dich! Einer wie du, ist bei mir gefragt". Der Jesusjünger kennt den Schmerz der Sünde. Der Jünger muss Erfahrung haben mit eigener Sünde und persönlicher Umkehr, sonst kann er den Menschen nicht helfen, die doch auch alle Sünder sind. Der Jünger tritt in den Dienst Jesu, der von sich gesagt hat: "Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten."Jesus zeigt in der Berufung des Simon Petrus auch pädagogisches Geschick: Er lehnt den einsichtigen Sünder nicht ab, sondern mutet ihm etwas zu und gibt ihm einen Auftrag, in dem er seine Erfahrungen mit Schuld einbringen kann. Er schließt den Sünder, der Reue zeigt, aus seinem Umfeld nicht aus, sondern er zieht ihn an sich. Er verurteilt ihn nicht und lässt ihn nicht fallen, sondern er lässt ihn spüren, dass er zu ihm steht. Er kanzelt ihn nicht ab, sondern er schafft eine angstfreie Atmosphäre. Die Sünde des Simon Petrus ist für Jesus nicht Anlass zur Aufkündigung der Freundschaft, sondern sie wird Anstoß für eine tiefe Freundschaft, auch wenn diese noch öfter enttäuscht werden wird. Jesus hatte in Kafarnaum großen Erfolg, als er dort Besessene von Dämonen befreit und Kranke geheilt hat. Er hatte Erfolg, weil ihn die Menschen wegen seiner Frohen Botschaft vom Reich Gottes nicht mehr weggehen lassen wollten. Er hatte Erfolg, weil sich die Menschen um ihn drängten, um das Wort Gottes zu hören. Die Berufungsgeschichte des Simon Petrus reiht sich ein in Jesu Frohe Botschaft vom Reich Gottes und sie ist Gottes Wort. Wo sie so verstanden wird, hat Jesus weiterhin Erfolg; bis heute.