Erfüllte Zeit

14. 02. 2010, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Seligpreisungen und Weherufe“ (Lukas 6, 17. 20 – 26)

 von P. Franz Helm SVD

 

 

„Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes!“ – so heißt es bei Lukas kurz und bündig. Vertrauter klingt wohl die Fassung bei Matthäus: „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich!“ – oder, in einer anderen Übersetzung: „Selig, die geistlich arm sind…“.

 

Unvergesslich ist mir eine Auseinandersetzung in Barra Mansa, in Brasilien. Unsere Pfarre hatte eine Option für die Armen getroffen und feierte am Stadtrand in den kleinen Basisgemeinden – bei den Armen – einmal im Monat die Hl. Messe. Dadurch gab es im Stadtzentrum weniger oft eine Eucharistiefeier. Eine reiche Frau beklagte sich darüber lautstark bei mir, dem Kaplan. Ich argumentierte, dass wir nur drei Priester für 27 Gemeinden waren und jeder von uns am Wochenende schon vier bis fünf Messen feierte. Sie hielt entgegen, es sei nicht zumutbar, dass Wortgottesdienste in der Hauptkirche angeboten würden. Ich warb um Verständnis: „Es gibt nur drei Priester für 80.000 Gläubige. Die Armen am Stadtrand haben genauso das Recht auf Eucharistie wie ihr im Zentrum!“ – „Was heißt hier arm?“ – war ihre Antwort. „Bei so wenig Messen sind WIR die Armen. Und überhaupt: Das mit der Armut ist rein geistlich zu verstehen!“

 

Hauptsache wir sind versorgt. Hauptsache uns geht es gut. Diese Haltung ist nicht die Haltung der Jüngerinnen und Jünger Jesu. Er preist die Armen selig, die Hungernden, die Weinenden und jene, die gehasst und abgelehnt werden um Seinetwillen. Es sind Menschen, die sich nach Veränderung sehnen. Jesus warnt alle, die reich, satt und fröhlich sind oder von allen gelobt werden. Sie brauchen keine Veränderung. Sie haben Angst davor. Wenn Gott für die Armen und Benachteiligten Partei ergreift, dann könnte das ja den Wohlstand der Wenigen bedrohen. Davor „möge uns Gott behüten“, so flehen sie. Alles soll bleiben, wie es ist…

 

Dabei hat unsere Welt Veränderungen bitter nötig. Eine Milliarde Menschen hungern. Immer mehr Menschen werden weltweit Opfer der Wirtschaftskrise und der Klimakatastrophe. Sie müssen auswandern. Nur – wohin? Da, wo es Lebensmöglichkeiten und Wohlstand gibt, werden die Grenzen dicht gemacht. Auch in der EU. Auch bei uns. Wir tragen durch unseren Lebensstil massiv zur Armut und zum Klimawandel in der Welt bei – und zugleich wird in unserem Land eine Politik gemacht, die sogar Asylwerber zunehmend ausschließt, ja kriminalisiert. Dabei ist es international verbrieftes Recht, dass Schutzbedürftige Aufnahme finden. In unserem Land wurde in der Politik sogar das Kreuz Jesu zur rassistischen Waffe beim Abwehrkampf gegen Ausländer …

Wir dürfen uns den christlichen Glauben nicht  umdeuten lassen. Zentral zum Glauben gehören nicht irgendwelche Bräuche, Riten und Symbole, sondern Jesu Liebesgebot, das keine Grenzen kennt. Beim Gleichnis vom Endgericht im Matthäusevangelium entscheidet über unser ewiges Heil, ob wir Hungernde gespeist und Obdachlose aufgenommen haben. „Was ihr einem dieser Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan“, sagt Jesus.

 

„Weh euch, die ihr reich seid, denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten!“ - so heißt es im heutigen Evangelium. Aber vorher ist da von einer Freude die Rede, die eine ganz andere Ursache hat als Faschingsscherze und Narrentreiben: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. Freut euch und jauchzt an jenem Tag, euer Lohn im Himmel wird groß sein!“ Wagen wir es, uns öffentlich und auch politisch für Asylwerber einzusetzen? Sind wir bereit, um Jesu willen gegen den Trend zu schwimmen und für Menschlichkeit und Gastfreundschaft Fremden gegenüber einzutreten, auch wenn uns andere dafür beschimpfen und als naive „Gutmenschen“ lächerlich machen?