Erfüllte Zeit

07. 03. 2010, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

"Mahnung zur Umkehr"

(Lukas 13, 1 - 9)
von Regens Nikolaus Krasa

 

 

Ich sollte, ich müsste, ich hätte zu tun ... kennen sie diese imaginären Listen, die wir alle in unsren Köpfen haben? Was wir alles sollten: Mehr Bewegung machen, weniger Auto fahren, mehr Zeit für die Familie haben, uns einmal eine Auszeit gönnen, gesünder und weniger essen, uns einmal Zeit zum Gebet nehmen, unangenehme Tätigkeiten angehen und vor allem - mit all dem gleich beginnen und es nicht aufschieben (frei nach dem Motto: Die lange Bank ist des Teufels liebstes Möbelstück). Gleich beginnen: Das ist das Stichwort des heutigen Evangeliums, zumindest seiner ersten Hälfte. Sie sagt sehr klar: Gleich beginnen, nicht aufschieben. Jetzt, nicht morgen. Oder deutlicher: Soll, nicht sollte. Die Sollte Liste darf keine Sollte Liste bleiben. Oder mit dem biblischen Stichwort für diesen Vorgang: Jetzt ist Umkehr angesagt und notwendig. Lebensnotwendig.

 

Die zwei Beispiele, die Jesus verwendet, sind seinen Zeitgenossen klar. Es gibt zwar außerhalb der Bibel keine Erwähnungen dieser Vorgänge. Man kann sie sich aber gut vorstellen.

 

Der römische Stadthalter in Judäa und Jerusalem, Pontius Pilatus, war nicht gerade für seine Feinfühligkeit bekannt. Er konnte brutal dreinhaun, wenn es darum ging, die öffentliche Ruhe aufrecht zu erhalten. Auch wenn es sich dabei - wie beim ersten Beispiel - um Menschen handelt, die gerade im Tempel ihr Opfer darbringen. Und dass manchmal Gebäude unerwartet einstürzen, dass dadurch Menschen zu Schaden kommen, das passiert heute immer noch. Vielleicht ist es ein Turm der Jerusalemer Stadtmauer, jedenfalls in der Nähe des Schiloachteiches, der im zweiten Beispiel Jesu einstürzend Menschen unter sich begräbt.

 

Jesus erzählt aber nicht bloß von zwei Unglücksfällen. Er geht einen Schritt weiter. Er erinnert an eine innere Dynamik, die angesichts solcher Katastrophen in Menschen oft vor sich geht. Eine Art Sündenbockmechanismus: „Gottseidank, mich hat‘s nicht erwischt“ ist da der erste Gedanke. Und dann der zweite: „Irgendeine Schuld wird der andere schon gehabt haben. Er hätt halt was an seiner ‚Sollte Liste‘ verändern sollen, etwas tun sollen“. Und dann - tiefes inneres Aufatmen und die eigene Sollte Liste bleibt unangetastet. (Im Extremfall geht diese Dynamik soweit, dass Menschen in solchen Unglücksfällen die strafende Hand Gottes erkennen wollen und dann vielleicht auch mit einer gewissen inneren Erleichterung konstatieren: Es war eben Strafe Gottes - dass der Gott der Bibel ein „Freund des Lebens“ ist, wie die Bibel selbst sagt, wird dabei schnell übergangen).

 

Die Antwort Jesu geht in eine andere Richtung: Der Punkt ist nicht, was jemand anderer sollte, sondern dass du sollst. Kehr jetzt um, dein Leben ist zu wertvoll, um es zu vergeuden.

 

Bleibt allerdings der schale Nachgeschmack: Geht es hier nicht doch vielleicht um einen ziemlich bösen, strafenden Gott? Geht es nicht doch um das Motto: Entweder du kehrst um, oder dich straft Gott? Dazu hat der zweite Teil des Evangeliums etwas zu sagen, die Geschichte vom Feigenbaum (und dieser Baum ist wohl mit Absicht gewählt, ist er doch in der Bibel ein Bild für das Gottesvolk). Keine Frucht, keine Umkehr, keine Veränderung, daher umhauen. So die logische Konsequenz des Eigentümers. Der Weingärtner aber, vielleicht Jesus, sagt: „Lass ihn noch stehen, vielleicht bringt er doch noch Früchte“. Und: „Ich will mich besonders liebevoll um ihn kümmern, ihn düngen, den Boden aufgraben“. Offenbar ist Gottes Handlungsmaxim eben nicht das Dreinschlagen sondern die Geduld. Vielleicht, wenn ich mich liebevoll um ihn kümmere, wird ja noch was aus ihm. Offenbar gibt es zur Umkehr des Menschen, die lebensnotwendig ist, ein Gegengewicht: Die Umkehr Gottes, seine immer noch größere und liebevollere Geduld mit uns Menschen. Ohne sie wäre Jesus wohl nicht Mensch geworden. Ohne sie hätte der Karfreitag mit einem Strafgericht, nicht aber mit der Auferstehung geendet.

 

In diesem Jahr, das der Herr seinem Feigenbaum gibt, leben wir. Nützen wir diese Chance.