Erfüllte Zeit

23. 05. 2010, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Friede sei mit euch! – Die Beauftragung der Jünger“ (Johannes 20, 19 – 23)

von Bischof Alois Schwarz

 

 

„Es hängt von euch ab“, sagte Jesus den Jüngern, „ob es in der Welt Vergebung gibt oder nicht“. Im Evangelium hat es geheißen: Er sprach zu ihnen: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben, wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert. Es hängt von euch ab, ob es den Geist Gottes gibt in der Welt“, sagt Jesus den Jüngern, als er sie am Morgen des 1. Tages, am Abend des 1. Tages in den christlichen Gemeinden besucht. Im Evangelium hat es geheißen: Am Abend des 1. Tages trat Jesus in die Mitte seiner Jünger. „Das ist doch Ostern“, werden sie sagen, „und wir lesen diesen Text zu Pfingsten“.

 

Es stimmt: Ostern und Pfingsten, Tod und Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung ist ein einziges großes Ereignis, das in der Kirche nach dem Johannesevangelium gefeiert wird. „In der Welt seid ihr in Bedrängnis“, hat Jesus seinen Jüngern vor seinem Tod gesagt und hinzugefügt: „In mir habt ihr Frieden, habt Mut, ich habe die Welt besiegt“, und so ist er jetzt zu ihnen gekommen nach seinem Tod, hinter verschlossenen Türen, er kommt in ihre Angst. Ein Bild dafür, dass die junge Gemeinde im 1. Jahrhundert sich vor Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang versammelt, die Türen verschließt, in einer für sie sehr, sehr bedrängten Zeit. Der Kaiser in Rom hat ausgerufen, dass er der Retter der Welt ist. Die Christen feiern vor Sonnenaufgang - mit ihrer Angst - mit dem Auferstandenen in ihrer Mitte. Er kam, trat in ihre Mitte, heißt es im Evangelium und sprach ihnen den Frieden zu. Er kommt in eine Welt der verängstigten jungen Gemeinde in Jerusalem.

 

Ostern und Pfingsten ist eigentlich jeden Sonntag, immer wenn die Christengemeinden zusammen kommen und miteinander im Brot brechen feiern, erfahren sie, dass der Auferstandene in ihre Mitte kommt. Die Gemeinde der Jünger Jesu ist überzeugt, dass er kommt - bei verschlossenen Türen. Da freuten sich die Jünger, heißt es, dass sie den Herrn sahen. Er schließt ihre Verschlossenheit auf und hilft ihnen, ihre Angst zu überwinden. Er zeigte ihnen damals seine Wunden, die Spuren seiner Liebe, die seine Leidenschaft für die Menschen in seinem Körper hinterlassen haben.

 

Dem Thomas, der dann eine Woche später dabei ist wird er sagen: „Streck deine Hand aus und leg sie an meine Seite und sei nicht ungläubig sondern gläubig“. „Hänge dich ein in meine Leidenschaft“, würde man heute sagen. Er kommt in ihre Versammlung als ein Verletzter, ein durch ihre Schuld Verwundeter. Er kommt mit den Malen der Schuldgeschichte, was er weitergibt, ist aber der Geist des Vaters. Er schenkt ihnen im Anhauchen die innere Dynamik einer Kraft zum Zeugnis, zum Hinausgehen, zum Aufbrechen der Türen, zu einem Pfingsten, zu einer Erfahrung der Öffnung der jungen Kirche. Die Apostel hören fremde Sprachen und sprechen fremde Sprachen. Der auferstandene Herr aber grüßt die Jünger mit dem einfachen Wort: „Der Friede sei mit euch!“

 

Das erinnert mich an die Eucharistiefeier, die ich immer wieder mit den Menschen gestalte. Am Beginn der Messe sage ich als Bischof: „Der Friede sei mit euch!“ Und hoffe dann, dass die Menschen erfahren, dass für sie jetzt Ostern und Pfingsten, Zusage des Heiles, Geistsendung und Vergebung erfahrbar wird. Dass die Menschen kommen können mit ihrer Schuld, mit ihrer Biografie, mit ihrer Lebensgeschichte. Und ich weiß, manche sind dann bei den Gottesdiensten mit ihren Verwundungen da, mit ihren Grenzerfahrungen, mit Unverstandensein, mit der Erfahrung des inneren Sichabschließens und manchmal auch mit der eigenen inneren Orientierungslosigkeit.

 

Da hinein feiern wir Pfingsten, dass der Geist Gottes die Seele der Menschen berührt, dass er einen Neuaufbruch schenkt, dass erfahrbar wird, wenn der Auferstandene in unserer Mitte ist. Wenn er seinen Geist der Welt schenkt dann entsteht eine neue Lebendigkeit – und das ist heute – Pfingsten und Ostern in einem, Freude und Frieden.