Erfüllte Zeit

20. 06. 2010, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

"Das Messiasbekenntnis des Petrus und die erste Ankündigung von Leiden und Auferstehung" (Lk 9,18 – 24)

 

 

Martin Buber soll einmal gesagt haben:

 

Wenn der Messias am Ende der Tage kommen wird, dann möchte ich hinter ihm stehen und ihn fragen: "Warst du schon einmal hier?" Und ich werde ihn gleich bitten, es mir nicht zu sagen.

 

Martin Buber bezog sich auf die Wiederkehr des Messias am Ende der Tage. Für das Urchristentum, das den Messias in Jesus sah, lag das Ende der Tage in bedrängender Nähe; der gekommene und der kommende Messias waren da ein und derselbe. Heute aber scheint der kommende Messias fast endlos entfernt zu liegen.

 

Warst du schon einmal da?

 

Und wenn du schon einmal da warst - als wer warst du da?

 

Im Christentum musste man ja immerhin im Lauf der Zeit annehmen, dass der Messias Jesus nicht so rasch wiederkehrt und auch noch nicht alles erledigt hat, was aussteht an Hoffnungen. Gelitten und gestorben wird nach wie vor Jesus. Ununterbrochen wird Gewalt ausgeübt. Und selbst das glücklichste Leben wandelt am Rand der Sinnlosigkeit vor wie nach Jesus: Wozu denn all die Schönheit für ein paar Jahrzehnte?

 

Als wer warst du da?

 

Sein eigenes Volk fand durch Jesus nicht zur Befreiung. Rom herrschte weiter mit seinen gepanzerten Schilden und zahlreichen Legionen. Jerusalem wurde zerstört und für Juden unter Todesandrohung über Jahrhunderte zu einer Zone, die sie nicht betreten durften. Die Herrlichkeit Davids blieb entzogen, der Messias Jesus hat sie für Israel nicht gebracht.

 

Das weiß Lukas auch, als er sein Evangelium schreibt. Sein Messias taucht auch nicht im überirdischen Licht des Siegers auf, sondern umgibt sich mit dunklen Worten vom Leiden und vom Tod und von einer unausdeutbaren Auferweckung.

 

Was ist das für ein Messias?

 

Die jüdische Tradition, in der Jesus lebt, hält eine Deutung bereit: Der Leidensmessias ist nicht der Sohn Davids, sondern der Sohn Josefs, des Jakobssohnes, der nach Ägypten verkauft worden war. Der Messias Jesus als Sohn Josefs - als Sohn des Menschen, als Mensch, der dem Menschsein erliegt in seiner Größe und Tragik.

 

Und damit wäre für das Ende der Zeiten gewiss noch etwas Neues zu erwarten; dann wird kommen, worauf Glaubende vor und nach Jesus hoffen: Der Sohn Davids, der herrliche Messias, der wirklich Frieden machen wird, so dass Gott unter den Menschen wohnen wird.

 

Und man wird ihn vielleicht fragen: Warst du schon einmal hier? Aber es wird nicht mehr notwendig sein, die Antwort zu erfahren, denn die Frage hat ihre Zeit gehabt. Denn der Messias stand ja zu keiner Zeit für sich selbst, sondern war Bote des einen Gottes und menschgewordener Hinweis für den einen Gott, der allein die Menschen rettet.