Erfüllte Zeit

22. 08. 2010, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Von der engen und von der verschlossenen Tür“

(Lukas 13, 22 – 30)
von Markus Schlagnitweit, katholischer Hochschulseelsorger in Linz und Mitarbeiter der katholischen Sozialakademie

 

 

Diese Evangelienstelle hebt genau in dem Stil religiöser Rede an, wie ich sie am allerwenigsten mag. Die Eingangsfrage der Gesprächspartner Jesu: „Sind es nur wenige, die am Ende gerettet werden?“ Diese Frage lässt an evangelikal bigotte Sekten und fundamentalistische Eiferer denken oder auch an jene Zeugen des Wachturms, die man allenthalben in Bahnhofsnähe oder an Kaufhausecken antrifft und deren Kernbotschaft letztlich lautet: „Du musst zu uns gehören, dann gehörst du auch zu den wenigen Auserwählten, die gerettet werden.“

 

Auf dieses religiöse Niveau will ich mich eigentlich nicht herabziehen lassen. Für einen Glauben, der seinen Nährboden nur in der ängstlichen Sorge findet, unter allen Umständen dazuzugehören zu einer kleineren oder größeren - jedenfalls zu einer begrenzten Schar von Auserwählten – für einen solchen Glauben will und kann ich mich nicht stark machen. Ich will nicht glauben aus Angst und Sorge um mein ewiges Seelenheil, sondern allein aus Liebe. Also halte ich auch die Frage nach der Zahl der Geretteten für müßig. Jesus geht denn auch nicht wirklich darauf ein und verweist vielmehr auf die konkrete Lebenspraxis, auf die es offenbar viel mehr ankommt. Aber auch diese Antwort macht nicht wirklich glücklich. Sich mühen mit allen Kräften, die enge Tür, die für viele, trotz all ihrer Versuche zu schmal sein wird - auch das klingt nicht wirklich motivierend und dazu dann noch dieses nicht gerade freundliche Gottesbild im Gleichnis vom gestrengen Hausherrn mit dem offensichtlich schlechten Personengedächtnis, der seine Haustür ungastlich verschlossen hält.

 

Erst zum Schluss hin, hellt sich die Rede Jesu etwas auf. Man wird von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen. Am Anfang noch diese unangenehme Enge – schon in der Frage nach der geringen Zahl der Geretteten, aber auch in der Antwort Jesu – dann plötzlich diese überraschende Ausweitung auf zu Tisch Geladene aus allen vier Himmelsrichtungen.

 

Genau hierin könnte sich ein Schlüssel finden, der das Vorangegangene erschließen hilft. Vermutlich haben wir den Diskurs Jesu mit seinen Gesprächspartnern im kritischen Kontext einer religiösen Überzeugung anzusiedeln, die sowohl das Judentum zur Zeit Jesu beschäftigt und geprägt hat, als auch danach immer wieder christliche Kreise. Ich meine die Überzeugung, bloße Zugehörigkeit allein schon sichere den Zutritt zum Himmel. Sei es nun die Zugehörigkeit zum Volk Israel, sei es zur Gemeinschaft der auf Christus Getauften, sei es zu einer bestimmten christlichen Denomination, insbesondere zur römisch-katholischen Kirche vielleicht. Es sind ja immerhin noch keine fünf Jahrzehnte vergangen, seit meine Kirche sich im Zweiten Vatikanischen Konzil allmählich von jener theologischen Tradition gelöst hat, wonach es außerhalb ihrer selbst kein Heil gäbe. Man also zumindest katholischer Christ sein müsse, um überhaupt eine Chance zu haben bei der Schlussverhandlung des Jüngsten Gerichts, und dass derartige Vorstellungen in manchen Kirchen,  konservativen Kreisen, immer noch en vogue sind, das beweisen z. B. deren antiökumenische Vorbehalte gegen andere Schwesterkirchen. Oder auch jene immer wieder kehrenden Bemühungen zur neuerlichen Revision der priesterlichen Einsetzungsworte bei der Eucharistie. Es solle demnach nicht mehr länger heißen: Jesus hätte seinen Leib und sein Blut für alle hingegeben, sondern nur noch: für viele. Damit wären eindeutig weniger, also eine gewisse Auswahl gemeint. Es handelt sich dabei gewiss nicht nur um einen sprachwissenschaftlichen Streit um die korrekte Übersetzung des lateinischen Originaltextes, in dem es eben pro multis heißt, nein, es geht in Wahrheit um eine dogmatische Einschränkung der biblischen Heilszusage auf jene, die sich im Besitz des einzig und allein rechten Glaubens und der einzig gültigen Religionsmitgliedschaft wähnen. Nur sie sollen am Ende gerettet werden.

 

Wenn die heute gehörte Evangelienstelle im Kontext dieses Diskurses gelesen wird, dann ist mit der Rede Jesu schon etwas mehr anzufangen und ich lese sie dann in etwa so: Es gibt keinen wie immer einschränkenden Mitgliedsausweis und keine Clubkarte, die den Zutritt in die Reich-Gottes-Lounge garantiert. Wer am himmlischen Festessen teilnehmen wird, das entscheidet sich weder an der Zugehörigkeit zum auserwählten jüdischen Gottesvolk, noch am christlichen Taufschein, bzw. am darüber hinaus vielleicht noch abzulegenden vollständigen Bekenntnis aller römisch-katholischen Glaubenssätze und Sittenlehren nach Punkt und Beistrich. Nein, wer mit solchen Argumenten allein an der Himmelstüre erscheint, wird wenig Erfolg haben und als unbekannt draußen bleiben. Die Gastfreundschaft des jüdischen Hausherrn entscheidet sich viel mehr an anderen Dingen, von denen im heutigen Evangelium zwar nicht direkt die Rede ist, aber es gibt darüber ja genügend andere klare Worte Jesu, etwa: Hungernde sättigen, Trauernde trösten, Kranke und Gefangene besuchen, Fremde und Obdachlose aufnehmen, schuldig Gewordenen verzeihen, Frieden stiften und schließlich ein Jubeljahr des Herrn ausrufen, was letztlich auf die strukturell politische Herstellung sozialer Gerechtigkeit hinaus läuft.

 

Hierin eröffnet sich Gemeinschaft mit Gott, aber um all das tun zu können, muss man weder Jude, noch römisch-katholisch sein. Mag sein, dass es manchen dabei hilft, eine Green-Card für den Himmel ist es jedenfalls noch nicht.