Erfüllte Zeit

19. 09. 2010, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Gleichnisse vom klugen Verwalter und vom rechten Gebrauch des Reichtums“ (Lukas 16, 1 – 13)
von Propst Maximilian Fürnsinn (Stift Herzogenburg)

 

 

1. Vor ein paar Wochen hat ein Zeitungsredakteur eine Glosse so übertitelt: Von BAWAG zu BUWOG (Otto Friedrich: „Furche“ Nr. 32, Seite 8). Einige Skandale wurden beim Namen genannt, bei denen einige ganz schön zugegriffen haben. Ganz zu schweigen von Korruption und Ausbeutungssystemen bis hin zu Bonuszahlungen und Abfindungen in Millionenhöhe. Dann kam eine heikle Frage: „Hat sich nicht überhaupt in vielen Lebens- und Gesellschaftsbereichen eine Art „Selbstbedienungsmentalität“ eingeschlichen?“ „Gibt es nicht auch im Kleinen genug an sogenannter „Selbstbedienung“?

 

Da ist plötzlich der betrügerische Verwalter des heutigen Evangeliums gar nicht mehr so weit weg, finde ich, und gar nicht mehr so weltfremd und gar nicht so harmlos und bloß ein bisserl clever. Je näher er rückt, umso weniger kann man die saloppe Aussage des Evangeliums akzeptieren, nämlich: „Der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters!“

 

2. Es kann nicht Absicht Jesu sein, den Betrug als System zu sanktionieren. Wenn man aber an diese Gaunergeschichte mit einer bloß moralischen Sicht herangeht, dann verfehlt man die Intention Jesu.

 

Mit diesem betrügerischen Verwalter sagt Jesus Tieferes: Es werden nicht Ungerechtigkeit und Betrügereien gelobt, sondern die rasche und kluge Nutzung der Zeit und die besonnene Vorsorge dieses Verwalters. Ich bin überzeugt: Jesus fordert mit dieser Geschichte die Energie und Entschiedenheit und den Erfindungsreichtum des Menschen heraus, die es für die Sache Gottes einzusetzen gilt.

 

Jesus denkt und argumentiert dabei vom Hauptgebot der Liebe her: Gott will mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft geliebt sein – und auch mit dem ganzen Vermögen und dem ganzen materiellen Besitz. Jesus wirbt mit dieser Geschichte um den menschlichen Einsatz für das Ankommen der Herrschaft Gottes.

 

Das ist gerade für unsere Zeit und für die Situation unserer Kirche eine dringende Botschaft, meine ich. Denn Christsein und Kirchenzugehörigkeit können heute nicht bedeuten, dass man „einfach nur so dabei ist“. Heute ist leidenschaftlicher Einsatz von allen Christinnen und Christen gefordert – vielleicht ist es auch möglich zu sagen, von allen Menschen guten Willens. Ich zitiere dazu gerne die französische Christin Madeleine Debrel, die vor Jahrzehnten sinngemäß gemeint hat: „Wir verkünden keine gute Nachricht, weil das Evangelium für uns selber keine Neuigkeit ist. Wir sind daran gewöhnt… Der lebendige Gott ist kein umwerfendes, ungeheures Glück mehr … Wenn wir von Gott reden, bereden wir eine Idee, statt seine Liebe zu bezeugen. Wir verkünden Gott wie unser Eigentum, wir verkünden IHN nicht wie das Leben allen Lebens!“

 

Die Geschichte vom betrügerischen Verwalter darf nicht als eine moralische Geschichte gelesen werden, sondern es geht um die Beziehung des Menschen zu Gott und um seinen Einsatz für Gottes Reich.

 

3. Das Evangelium dieses Sonntags hat noch einen zweiten Teil. Da wird das Spannungsverhältnis von Gott und Mammon, von Geld und Lebensgestaltung thematisiert.

 

Besitz und Reichtum sind ein Kernthema des Lukasevangeliums. Manche Aussagen dazu wirken wie eine Art „Warnblinkanlage“: Reichtum gefährdet! Deshalb bedarf es einer Unterscheidung.

 

Ich differenziere so. Jesus beruft Menschen in eine radikale Nachfolge, die allen Besitz lassen müssen. – Aber es gibt auch andere in seiner Nachfolge, die den Umgang mit Gut und Geld in hoher Verantwortung vor Gott und den Menschen wahrnehmen. Besitz wird nicht verteufelt.

 

Gefährlich werden Geld und Besitz, wenn sie zum Mammon werden – zum Götzen, der alle Lebensenergie des Menschen blockiert und den Menschen vom Besitzer zum Besessenen macht. So gesehen ist Gott der Garant der Freiheit des Menschen, weil ER dessen „Herz“ erbittet.

 

Zudem fordert das heutige Evangelium von den Besitzenden ein, Not und Armut nicht zu übersehen. „Macht euch Freude mit dem ungerechten Mammon, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet!“ Die Liebe zu Gott stimmt, wenn die Liebe zum Menschen, zu den Armen und Verlassenen stimmt. Den Himmel gibt es nicht ohne die Erde. In der Liebe zum Nächsten steckt eine vorausschauende Klugheit, die bis in den Himmel reicht.

 

Mich fasziniert, wie Jesus das Leben realistisch abklopft und in allen Dingen Gott findet.