Erfüllte Zeit

06. 01. 2011, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Huldigung der Sterndeuter“ (Matthäus 2, 1 – 12)
von Wolfgang Treitler

 

 

In seine Geschichte baut Matthäus eine Reihe von Motiven ein. Vieles davon ist legendenhaft wie z. B. die Sterndeuter oder dies, dass Jesus von Nazareth in Bethlehem geboren wurde. Das kann sein, aber historische Beweise gibt es dafür nicht. Anderes ist ziemlich tendenziös. Dass Herodes, ein geschickter Taktiker, auf alles flog, was seiner Politik zwischen Rom und Jerusalem zuwiderlief, weiß man. Aber dass er gesagt haben soll, er wolle dem Kind huldigen, offenbar wie Gott, ist kaum glaubhaft.

 

Die Deuter bringen drei Gaben, aber nirgendwo steht, dass es drei Sterndeuter waren. Ihre Namen sind unbekannt, ebenso ihre Hautfarbe. Matthäus weiß entschieden weniger als Karl Heinrich Waggerl, der erzählte, wie vor dem heiligen Kind die Handinnenfläche des Mohren, wie er ihn nannte, weiß geworden waren. Wozu soll das gut gewesen sein?

 

Wie auch immer: Diese Herrn, die da irgendwoher aus dem Osten kommen, vielleicht aus dem Zweistromland, treten zwar nur kurz bei Matthäus auf, haben aber eine gute Nachrede. Das kann verwundern. Denn sie betreiben Astrologie. Diese Astrologie ist gewiss gescheiter als das, was man heutigentags hört: Da beichten Menschen öffentlich, dass ihnen Geld und Freund ausgegangen sind und nicht mehr wiederkehrten. Ein kundiger Astrologe schaut schnell ins Finanzhaus und zum Mars und tröstet die Arme: Es wird schon werden, man sieht eine Drei, also in drei Monaten oder drei Jahren oder drei Jahrzehnten, es wird schon werden.

 

Diese Astrologen hier bei Matthäus tauchen aus einem alten Zusammenhang auf, der aus dem 8. oder 7. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung stammt, aus dem biblischen Buch Deuteronomium. Dort liest man im Stil einer Abschiedsrede des Moses, der Israel noch einmal an die Rettung durch Gott und an den Bund durch die Torah erinnert: „Und wenn ihr zum Himmel aufblickt und die Sonne, den Mond und die Sterne seht, das ganze Himmelsheer, dann lasst euch nicht dazu verleiten, sie als Götter anzubeten und ihnen zu dienen. Die Verehrung der Gestirne hat der Herr, euer Gott, allen anderen Völkern der Erde zugewiesen.“

 

Das ist eine einmalige Stelle, von der her die Sterndeuter des Matthäus plötzlich verstanden werden können. Ein paar Elemente wären da zu nennen – und zwar als religiöse Deutung, nicht als historische Gegebenheit:

 

Sterndeutung war der Kern der Frömmigkeit der Völker, also all derer, die nicht Israel waren.

 

Ihr Sinn löst sich auf, wenn sie zu einem kommt, der zu Israel gehört, wie das bei Jesus von Nazareth der Fall ist.

 

Was Matthäus hier erzählt hat hat darum eine ganz entscheidende Spitze: Jesus ist die Stelle, an der die Götzendiener der Völker mit dem Bund verbunden werden, den Gott auf ewig mit Israel geschlossen hat. Jesus bringt keinen neuen Bund, überbietet nicht den Bund, sondern wird zur Angel des Bundes für diejenigen, die ihm noch nicht zugehört haben. Wer darum durch Gestirne nach Israel geleitet wird, geht ohne sie wieder nach Hause. Er nimmt Gottes Bund mit Israel mit und hört auf, zu den götzendienenden Völkern zu gehören.

 

Das ist die große Botschaft. Angesichts dieser Botschaft ist es völlig egal, was heute vom Finanzhaus noch gedeutet wird oder von den weißen Innenflächen des sogenannten Mohren. Den Heiden ist Jesus wichtig, weil sie durch ihn auf den Bund Gottes mit Israel getroffen sind und in diesen ewigen Bund aufgenommen werden können. Er ist für Nichtjuden das Tor des ewigen Bundes Gottes mit Israel. Und wer von den Nichtjuden auf Jesus trifft, trifft sie daher alle: Die Propheten und die Seher, Mose und Aharon, Abraham, Isaak und Jakob – die ganze Schar derer, die an den einzigen ewigen Gott geglaubt haben. Deshalb ist der 6. Jänner, die Erscheinung des Herrn, so wie ich ihn verstehe, wirklich ein Freudentag für die Völker der Welt.