Erfüllte Zeit

09. 01. 2011, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Hinunter in den Tod, hinauf ins Leben – Johannes der Täufer“

(Matthäus 3, 13 – 17)
von Philipp Harnoncourt

 

 

Heute begeht die römische Kirche das Fest der Taufe Jesu, und sie beschließt damit die Weihnachtszeit. Alle vier Evangelien berichten davon, dass Jesus am Beginn seines Auftretens in der Öffentlichkeit an den Jordan kam, um sich von Johannes dem Täufer taufen zu lassen. Vielsagend sind die Bilder, die dieses Ereignis darstellen. Die entsprechende Ikone der Ostkirche ist in jeder Reihe der Fest-Ikonen zu finden, und außerdem gibt es eine Ikone des Täufers im unteren Register der Ikonostase.

 

Was ist die besondere theologische Botschaft dieses Festes? Die Taufe Jesu fasst das Geschehen seiner Menschwerdung mit dem Heils-Ereignis seines Todes und seiner Auferstehung zusammen. Die Taufe Jesu hat einen weihnachtlichen und einen österlichen Aspekt, sie ist sozusagen der Link zwischen Weihnachten und Ostern.

 

Im deutschen Wort „Taufe“ ist das Wort „tauchen“ enthalten, und das gilt auch für den griechischen Begriff „baptizein“, der taufen und tauchen heißt. Untertauchen und Auftauchen – hinunter und hinauf – markieren gegenläufige Bewegungen:  Der ewige Gott steigt hinunter und wird ein sterblicher Mensch; und er steigt noch tiefer hinunter: Er stirbt den Henkerstod eines Verbrechers am Kreuz und steigt hinab in die Unterwelt, in die Stätte der Toten, um sie aus ihrem Gefängnis zu befreien.

 

Der wahrhaft Gestorbene wird von seinem Vater zu neuem Leben auferweckt und mit ihm alle Gestorbenen, die sich von ihm an der Hand nehmen lassen. Er führt die Gefangenen aus dem Todesgefängnis in die Freiheit des ewigen Lebens empor. Und er steigt weiter empor in den Himmel, wo er zur Rechten des Vaters seinen Sitz bekommt.

 

Gott Vater spricht über den aus dem Wasser steigenden Jesus: Das ist mein geliebter Sohn. Und der Geist Gottes erscheint über ihm in Gestalt einer Taube. Ein ausdruckstarkes Zeichen. Im jüdischen Talmud etwa heißt es, dass der Geist Gottes wie eine Taube, die ihre Flügel über ihre Jungen ausbreitet, über den Wassern schwebte. Und nach der großen Sintflut zeigt die Taube an, dass endgültiger Friede gekommen ist.

 

Die Taufe Jesu gilt als Urbild jeder Taufe. Paulus drückt das in seinem Brief an die Gemeinde in Rom sehr drastisch aus:


Ihr seid hineingetauft in den Tod Christi.
Seid ihr also mit ihm in der Taufe gestorben und begraben,
so werdet ihr auch mit ihm auferstehen!

 

Und ich bin gewiss, dass Gott über jedem und jeder, die aus dem Taufbad steigen, spricht:

Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter.