Erfüllte Zeit

27. 02. 2011, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Von der falschen und der rechten Sorge“ (Matthäus 6, 24 – 34)

von Michaela Moser

 

 

„Entspannen Sie sich. Das ist wahrscheinlich das Beste, was Sie zur Rettung der Welt beitragen können.“ Diesen Appell habe ich vor einiger Zeit in einem Buch des Nachhaltigkeitsexperten Fred Luks gelesen, in dem es um die großen ökologischen, ökonomischen und sozialen Fragen unserer Zeit und um unseren Umgang damit geht. Die Aufforderung, sich angesichts der Probleme unserer Welt zunächst einmal zu entspannen, hat mich dabei an das „Sorgt Euch nicht ...“ der heutigen Stelle im Matthäus-Evangelium erinnert.

 

„Sorgt Euch nicht, entspannt Euch ...“, das klingt mit Blick auf die Welt, ihre Krisen und Katastrophen, ein bisschen naiv, ein wenig zynisch und jedenfalls befremdlich. Schließlich gibt es doch viel zu tun; sollen wir die Hände nun einfach in den Schoß legen und resigniert zusehen, wie die Welt untergeht oder einfach abwarten, dass irgendjemand alles für uns regelt?

 

Ganz ehrlich. Wenn ich nach einem langen Arbeitstag nach Hause komme, an dem ich mich als Vertreterin der Armutskonferenz in langwierigen Sitzungen oder beim Schreiben möglichst griffiger Artikel für Verbesserungen in der Armutsbekämpfung eingesetzt habe und gleichzeitig in Gesprächen mit Menschen, die in Armut leben, erfahre, wie hart deren Realität ist und wie wenig sich trotz all unseres Engagements daran ändert, - dann wünsche ich mir manchmal nichts mehr als das. Ich wünsche mir, dass JEMAND alles regelt, alles zum Besseren wandelt und ich mir keine weiteren Sorgen machen muss.

 

An solchen Tagen hilft mir die Lektüre der heutigen Stelle des Matthäus-Evangeliums. Sie zeigt mir, dass ein sowohl-als-auch möglich und notwendig ist, sie fordert mich heraus, nicht aufzugeben in meinem Engagement, dabei aber auch sorglos und gelassen zu bleiben. Ganz deutlich ermutigt mich der Text, mich für eine Veränderung der Verhältnisse einzusetzen, so wie er wohl damals, als er geschrieben wurde, die Gläubigen der frühchristlich-jüdischen Gemeinden ermutigte und ihnen Kraft gab in ihrem Widerstand gegen die römische Gewaltherrschaft. Mit aller Klarheit betont er die Notwendigkeit der Gerechtigkeit – und damit Gott und nicht dem Mammon – zu dienen.

 

Im Hinblick auf das WIE meines Einsatzes jedoch warnt er mich, und zwar vor Verbitterung genauso wie vor Größenwahn. Nein, ich soll nicht resignieren und nein, ich darf mir auch nicht einbilden, ganz allein die ganze Welt retten zu können. Ich darf vertrauen auf einen fürsorglichen Gott und auf die Kraft des gemeinsamen verändernden Handelns all derer, die guten Willens sind.

 

Glauben ist Vertrauen, betont die Theologin Ina Praetorius in ihrem neuen Buch zum Apostolischen Glaubensbekenntnis. Unser Leben könne keinen Bestand haben ohne Vertrauen. Im Matthäus-Evangelium geht es dabei vor allem auch um ein Vertrauen in die Fülle des Lebens, in ein „Genug“ an Nahrung, an Kleidung, aber auch an Zuversicht und allem anderen, das für ein gutes Leben notwendig ist.

 

Immer wieder wird in den Texten des  Evangeliums betont, dass wir in einer Welt der Fülle leben. Das bestätigen die beiden Speisungsgeschichten,  in denen alle Hungrigen satt werden, ebenso wie das Versprechen, dass jedem, der bittet, gegeben wird und jede, die sucht, finden wird.

 

„Sorgt Euch nicht …“, ist also keine Aufforderung zum Nichtstun, sondern ein Hinweis darauf, dass es für alle reicht, vorausgesetzt wir nehmen ernst, was gegen Ende dieser Evangelienstelle noch einmal unterstrichen wird: „Euch aber muss es ZUERST um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“.

 

Für mich heißt das heute: Vertraut auf die Fülle des Lebens und engagiert Euch für die gerechte Verteilung, all dessen, was Menschen zum guten Leben brauchen, dann könnt ihr selbst und alle anderen diese Lebensfülle sorglos und entspannt genießen.