Erfüllte Zeit

17. 04. 2011, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Wandlung der Gewalt in Liebe“ - Meditation zum Einzug Jesu in Jerusalem (Mt 21,1-11).

von Paul M. Zulehner

 

 

Auch das war ein Einzug in eine Hauptstadt. Es war Anfang (des Jahres) 1938. Hitler aus der Provinzstadt Braunau, zog in Wien ein. Dicht an dicht standen die Menschen entlang der Straßen, durch die der Konvoi des Führers fuhr. Sie riefen „Heil“. Eine Art Hosianna-Ruf. Wörtlich übersetzt bedeutet er: „So hilf doch!“. Genau das haben die Menschen in Österreich erwartet. Viele Menschen waren arbeitslos und hatten keine Hoffnung, dass sich das bald ändern könnte.

 

Hitler zog in die Hauptstadt seiner Heimat. Seine Rede am Heldenplatz hat überaus viele in Bann gezogen. Immer wieder wurde er unterbrochen durch tosende „Heil Hitler“ – Rufe. Hitler fühlte sich als eine Art Messias, den Gottes Vorsehung führt. So war er davon überzeugt, - Hitler wörtlich - „die große Wende in so kurzer Zeit mit Gottes Hilfe herbeizuführen“. Und immer noch O-Ton: „Ich proklamiere nunmehr für dieses Land seine neue Mission.“ Ein Ende der Hoffnungslosigkeit stellte er in Aussicht. Die Menschen der Stadt waren „in Aufregung“ – zumindest jene auf den Straßen und auf dem Heldenplatz.

 

Fast 2000 Jahre zuvor war auch einer in seine Hauptstadt eingezogen. Vielleicht war es zunächst nur eine bescheidene Pilgergruppe, die vom Ölberg in die Stadt zog. Der Evangelist Matthäus berichtet: „Als er in Jerusalem einzog, geriet die ganze Stadt in Aufregung.“ Und unterwegs riefen die Leute um ihn herum: „Hosanna dem Sohne Davids. Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn.“ Der Empfang galt einem Mann aus der Provinz, aus Galiläa. Die Menschen hielten ihn für einen Propheten: also einen, der Gottes Absichten mitteilt.

 

Zweimal Männer aus der Provinz. Zweimal Männer, die den Anspruch erhoben, Gottes Sendung zu erfüllen. Zweimal eine Stadt in Aufregung. Zweimal ein Mann, der eine rettende „Mission“ bringt. Und zweimal die Heil- und Hosianna-Rufe. Aber damit sind die Gemeinsamkeiten erschöpft.

 

Da ist zunächst der Esel, mit dem Jesus in die Stadt reitet. Ein alttestamentlicher Prophet namens Sacharja, den Matthäus zitiert, lässt seinen angekündigten Friedenskönig gleichfalls auf einem Esel bei seinem Volk einreiten.

 

Der Esel ist das traditionelle Reittier des Friedensfürsten. Anders das Pferd: Auf diesem reitet der Kriegskönig. Und mit ihm ziehen seine Soldaten in den Krieg. Indem Jesus demonstrativ auf einem Esel reitet, wissen die Schriftkundigen, dass er als der verheißene Messias Frieden bringen will. Anders Hitler, der mit einem Auto mit vielen Pferdestärken und Soldaten in die Stadt zog. Er hat Krieg gebracht. Mehr noch. Er rottete in seinen Tötungsfabriken das Volk der Juden aus und vernichtete Homosexuelle, heimatlose Romas und gläubige Christen.

 

Welch ein Unterschied: Der eine steht für Krieg, der andere für Frieden. Der eine für Gewalt, der andere für Liebe.

 

Der Einzug in Jerusalem eröffnet das Finale des Lebens Jesu. Er ahnte schon lange, dass ihm sein Eintreten für seinen Gott das Leben kosten werde. In dessen Namen heilte er demonstrativ am Sabbat, um zu zeigen, dass Gott nicht Opfer, sondern Erbarmen will. In dem, was er tat, sollten die Menschen eine Ahnung von Gott bekommen: Er hatte ein Herz für die aus der Gesellschaft Ausgegrenzten. Die Aussätzigen. Die Dirnen. Die Zöllner. Die Kranken. Er heilte viele und eröffnete einen Horizont der Hoffnung für viele an den Rand des Lebens Gedrängte.

 

In der Geschichte der Menschheit, hat es seit der Ermordung Abels durch Kain immer Gewalt gegeben. Gewalt erzeugt Gewalt. Für Frieden bleibt kein Raum. Jesus wird Opfer dieser menschheitsalten Gewalt. Doch er erwidert sie nicht. In seinem Tod versandet sie. Raum wird für Liebe. Damit beginnt  für viele die große Wandlung der Welt, um die es Jesus im Namen Gottes geht.

 

Zurück zu den Eseln. Theologen der kirchlichen Frühzeit, die sogenannten Kirchenväter, fanden es anregend, dass die Evangelisten aus dem einen Esel des Propheten Sacharja zwei Esel machten. Das gab ihnen die Möglichkeit, im jungen Esel die Kirche zu erblicken. Also jene, die couragiert den Weg Jesu mitgehen sollten. Christinnen und Christen begehen dann den Einzug Jesu in Jerusalem nicht nur in der Liturgie, sondern in ihrem Leben. Das könnte sie auszeichnen, dass wo immer sie sind, Gewalt versandet und Liebe Raum gewinnt. Und so könnten sie Licht der Welt und Salz der Erde sein: damit mit ihnen immer mehr Menschen, Gläubige, spirituelle Pilger, Skeptiker und Atheisierende Gewalt in Liebe wandeln.