Erfüllte Zeit

08. 05. 2011, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Erscheinung des Auferstandenen am See“ ( Johannes 21,  1 – 14)

von Ingeborg Gabriel, katholische Sozialethikerin

 

 

In der dritten und abschließenden Auferstehungsgeschichte des Johannes-Evangeliums sind die Jünger wieder in Galiläa. Sie sind zu ihrer früheren Lebensweise und ihrem Beruf als Fischer zurückgekehrt. Sie haben sich damit abgefunden, dass die Geschichte mit Jesus zu Ende ist. Er ist tot. Sie sind tief enttäuscht. Irgendwie fühlt man sich an die Situation vieler Menschen heute erinnert, für die Gott tot ist, verschwunden aus der Welt und aus ihrem Leben. Was bleibt, ist ein inneres Gefühl der Leere und Enttäuschung – eine lebenspragmatische Einstellung: Man macht halt irgendwie weiter, im Beruf, in den Beziehungen. Aber die Hoffnung, die Freude und der Schwung fehlen.

 

Die Jünger versuchen also wieder zu fischen. Aber auch hier haben sie keinen Erfolg. Das Netz bleibt leer. Da steht plötzlich einer am Ufer. Er bittet sie, ob sie nicht etwas für ihn zu essen haben. Ihre brüske Antwort ist: Nein. Sie haben nichts mehr.

 

Da gebietet ihnen Jesus, die Netze nochmals auszuwerfen. Und sie tun es, obwohl sie ja noch gar nicht wissen, wer denn der Unbekannte am Ufer eigentlich ist. Sie vertrauen gleichsam intuitiv seinen Worten. Und sie fangen 153 große Fische.

 

Da gehen dem Jünger, den Jesus liebte – es war wahrscheinlich Johannes selbst gemeint - als erstem die Augen auf. Es ist der Herr, der Auferstandene! Petrus vertraut nun seinerseits dem Wort des Johannes. Er springt in den See, um so schnell wie möglich zu ihm zu gelangen. Das Vertrauen, auch wenn man es nicht sieht, ist eine starke Kraft. Es ermöglicht Dinge, die sonst nicht geschehen würden.

 

Aber noch bleibt vieles im Dunkeln. Eigenartigerweise wird in allen Auferstehungserzählungen davon berichtet, dass Menschen, die Jesus im Leben gut gekannt hatten, ihn nun nicht erkennen. Maria Magdalena hält ihn für den Gärtner, die Emmausjünger für einen Fremden. Und im heutigen Evangelium geht es Petrus und den anderen auch so. Warum – so frage ich mich unwillkürlich - erkennen sie ihn nicht, wo er doch leiblich auferstanden und kein Geist ist, wie es an einer Stelle heißt? Paulus versucht im fünfzehnten Kapitel des ersten Korintherbriefs (1 Kor 15, 42) eine Antwort, die sich auf alle Toten bezieht: „Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt wird ein geistiger Leib“ - doch sie befriedigt nicht wirklich.

 

Ich meine, es ist die Liebe, die den Jüngern die Augen öffnet. Das Erwachen aus der Enttäuschung, in der sie sich verfangen haben und die sie blind machte für seine Gegenwart.

 

Als sie ans Ufer kommen, lädt Jesus sie zum Mahl von Brot und Fisch ein. „Kommt und esst!“ ist AUCH die Einladung bei der Eucharistie, die hier in anderer Weise dargestellt wird. Obwohl Johannes ihn als erster erkannt hatte und Petrus auf sein Wort hin in den See gesprungen ist, trauen sich die anderen fünf nun nicht zu fragen, wer denn ihr Gastgeber ist. „Denn sie wussten, dass es der Herr war.“

 

Nach den Gesetzen der Logik ist das schwer zu begreifen. Sie wissen und sie wissen doch nicht. Jesus offenbart sich, aber sie erkennen ihn nur zögernd. Sie sehen und sie sehen doch nicht. All das klingt recht widersprüchlich – und ist es auch. Doch darin spiegeln sich die Geschichten vieler Gläubigen wider, die zwischen Gewissheit und Zweifel schwanken, zwischen Nähe und Ferne Gottes.

 

Die Auferstehung Jesu, seine Auferweckung durch Gott, bildet das Zentrum des christlichen Glaubens. Doch von der grundsätzlichen Anerkennung dieser Wahrheit bis zu ihrer existentiellen Annahme und inneren Aufnahme, die das Leben gläubiger Menschen durchwirkt, ist ein weiter Weg. Dieser Weg – und das zeigen alle Geschichten von der Erscheinung des Auferstandenen – geht durch viele Unsicherheiten hindurch. Die Jünger glauben an seinen Sieg über den Tod. Sie ahnen, dass er lebt, und bleiben doch immer wieder im Dunkeln. Und doch ragt für mich die Auferstehung Jesu damals wie heute in die Zeit und erfüllt sie mit Licht und einem Leben, das – davon bin ich fest überzeugt - unserer Gegenwart und der ganzen Welt Hoffnung gibt.   

 

Ein Kind hat einmal auf die Frage, was ihm an der Passions- und Auferstehungsgeschichte am besten gefällt, kurz und bündig geantwortet: Dass alles gut ausgeht. Das eben ist auchdie Hoffnung aller, die an die Botschaft des Jesus aus Nazareth glauben.