Erfüllte Zeit

02. 06. 2011, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

"Der Auftrag des Auferstandenen" (Matthäus 28, 16 - 20)

von P. Karl Schauer OSB, Superior

 

 

Noch einmal spricht Jesus zu seinem Anhängerkreis, bevor er sich über das Irdische erhebt. Die Assoziationen zu dieser Transzendenz sind vielfältig: Der Himmel wird in den weinseligen Trinkliedern besungen, die Werbung redet oft vom Himmel, himmlisch essen, himmlisch wohnen, himmlisch reisen. Die kommunistische Ideologie, die noch nicht vergessen ist, wie nahezu alle totalitären Regime, verspricht den Himmel, das Paradies auf Erden. Jahrhunderte hindurch haben die Kanzelprediger gerne vom Himmel und von der Hölle gepredigt, und nicht selten ist eine solche Predigt in der kleinkrämerischen Alltagsmoral stecken geblieben. Nur nebenbei angemerkt, heute wird darüber kaum noch gesprochen. Fehlt der Mut, ist uns der Himmel abhanden gekommen oder ist die Rede verstummt? Ich weiß es nicht.

 

In Wien 19 gibt es ein Caritasheim mit Tagesbetreuung für behinderte Frauen und Männer, dieses Heim steht „Am Himmel“. Das scheint mir dem, was mit „Himmel“ gemeint sein könnte, schon näher zu kommen.

 

Üblicherweise verbinden viele Menschen, wenn ich vom Himmel rede, ein kindliches und antiquiertes Bild, Sigmund Freud würde es vielleicht „tröstende Illusion“ nennen oder vielleicht ist das Reden darüber doch nur ein „Opium des Volkes“, um die Verantwortung für diese Welt und das Leben abzustreifen.

 

In der Lesung zum heutigen Tag heißt es: „Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ Das ist eigentlich der Beginn der Apostelgeschichte, jenes aufregenden Buches im Neuen Testament, von dem Kardinal König einmal gesagt hat, es ist so etwas wie die „Einstiegsdroge“ in das Lesen der Heiligen Schrift. Und dann berichtet diese Apostelgeschichte von den ersten Zeugen der Auferstehung, von der österlichen Gemeinde in Jerusalem und weit darüber hinaus in die hellenistische und damals heidnische Welt, sie berichtet vom Auftreten der Apostel im Areopag der damaligen Welt und von den ersten Zeugen, die bereit sind, für die österliche Wahrheit auch mit ihrem Leben einzutreten.

 

Wird in all diesen Lebens- und Glaubenserfahrungen ein Stück „Himmel“ greifbar? Das ließe sich vielleicht mit dem heutigen Fest verbinden. Ich als gläubiger Christ verstehe es so: Die ewige Liebe Gottes bricht in unsere armselige menschliche Existenz hinein. In Jesus Christus neigt sich der Himmel zur Erde.

 

Und ich bin überzeugt: Am heutigen Festtag geht es nicht um Jenseitsspekulationen und nicht um Vertröstungen, sondern um eine Neuorientierung. Dem Menschen wird der Auftrag durch den Auferstandenen zugemutet. Das Reden von Gott, das Leben in Gott, die österliche Wirklichkeit - also die Auferstehung - als Grundlage des Glaubens, ist nicht eine fromme Spekulation, nicht eine religiöse Einbildung, kein Aufbäumen von Gefühlen, sondern letztlich die einfache Glaubenswahrheit, dass sich Gott nicht aus dem Leben der Menschen schleicht. Der Mensch wird befugt, im Auftrag des Auferstandenen zu handeln, Leben zu wecken und zu ermöglichen, Hoffnung zu gebären, der Liebe Gestalt zu geben, die Menschwerdung des Menschen voranzutreiben, die todbringenden Spuren aber auszulöschen.

 

Vielleicht meint Christi Himmelfahrt auch das. Der Himmel ist in uns. Gott mutet diesen Himmel mitten im Leben zu. In meinem fragwürdigen, von vielen Dunkelheiten belasteten Herzen wohnt die Herrlichkeit Tür an Tür. Zum Himmel braucht es keine Reise durch Lichtjahrmilliarden, auch nicht mit den Raketenstufen von Spekulation und Fantasie. Gott ist mit uns, bei uns, in uns. Der Himmel ist schon da. Der Mensch hat teil am Leben Gottes.

 

Wohin geht letztlich der Mensch? Wohin geht diese Welt?

 

Ob es ein Weg zur Hölle ist, oder ob es immer mehr möglich ist, die sperrigen Türen zum Himmel aufzustoßen, das hängt auch von mir ab. So bleibt dieser Tag für mich eigentlich ein großer Auftrag und eine Einladung, zu vermitteln, dass das Leben jedes und jeder Einzelnen letztlich in Gott aufgehoben ist.