Erfüllte Zeit

12. 06. 2011, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Trostworte an die Jünger“ (Johannes 14, 15 – 16, 23b – 26)

von Pater Gustav Schörghofer

 

 

Jesus schaut wieder einmal bei seinen Leuten vorbei. Sie sind ein bisschen verschreckt. Jesus beruhigt sie gleich, Friede sei mit euch, keine Aufregung, ich bin´s bloß. Das Begrüßungszeremoniell ist etwas merkwürdig. Jesus zeigt die Hände und eine Seite der Brust. Aber es funktioniert, die Besuchten freuen sich. Doch dann fängt der überraschende Besucher an, von einem Vater zu reden, der ihn gesendet hat. Und sie sollen nun auch losgehen. Er bläst den Leuten ins Gesicht und sagt etwas vom heiligen Geist und von Sünden, die vergeben oder nicht vergeben werden können.

 

Das alles ist ein bisschen viel auf einmal. Gut, wer Altgriechisch gelernt hat weiß, dass pneuma nicht bloß Geist gedeutet, sondern auch Luftstrom, Hauch, Fahrtwind, Duft, Atem und Leben. Anblasen ist also logisch bei einer Mitteilung des Geistes. Aber das hilft auch nicht recht weiter. Was geschieht hier eigentlich? Warum kommt da ein Vater vor? Warum Vergebung von Sünden?

 

Normalerweise hilft zum besseren Verständnis eines Textes, ihn in seinem Zusammenhang zu lesen. Aber das macht die Sache noch schwieriger. Denn es stellt sich dabei folgendes heraus:

 

Dieser Jesus ist kurz davor gekreuzigt worden und gestorben. Seine Freunde haben ihn im Stich gelassen. Eine Frau, Maria von Magdala, war sogar beim Tod Jesu dabei. Und sie sieht Jesus lebend drei Tage nach seinem Tod und sagt das den verschreckten Männern. Darauf sperren die sich ein. Und dann besucht sie der eben erst Gestorbene.

 

Die Geschichte klingt völlig verrückt. Ein Toter wird wieder lebendig, besucht seine alten Freunde und sagt ihnen, sie sollen nun Sünden vergeben. Allerdings lohnt es sich, genau zu lesen. Mir ist dabei etwas aufgefallen.

 

Es ist nicht von der Wiederkehr eines Verstorbenen die Rede, im Sinn der Wiederbelebung eines toten Körpers. Denn dieser Jesus kann durch Türen gehen. Die tödliche Seitenwunde ist nicht verheilt, er zeigt sie sogar. Es ist von etwas Anderem die Rede, von einem neuen Anfang, einer neuen Schöpfung. Sie steht in Verbindung mit der verstorbenen Person, ist aber doch ganz neu und anders. Ein Körper, der in einer völlig neuen Beziehung zur Welt steht. Sie ist für ihn offenbar kein Hindernis mehr. Es ist von einem Ursprung die Rede, Gott Vater, und von einer Sendung. Jesus kommt von Gott. Er hat einen Auftrag, nämlich zu heilen und Sünden zu vergeben. Diesen Auftrag erfüllt er in enger Beziehung zum Vater. Diese Beziehung ist der Heilige Geist. Es ist die Luft, der Atem, der Fahrtwind und der Duft, der im Raum zwischen den beiden zu spüren ist. Das kenne ich auch aus Beziehungen zu anderen Menschen.

 

Das Sonderbare ist nun, dass Jesus seinen Leuten Anteil an der Beziehung zum Vater gibt. Es ist wie am Beginn der Bibel, wo die Erschaffung der Menschen geschildert wird. Damals hat Gott den Menschen aus Erde geformt und ihm den Lebensatem in die Nase gehaucht. Jesus wiederholt das mit seinen vor Schreck erstarrten Freunden. Er haucht sie an. Sie sollen teilhaben an seinem Leben. Daher sollen auch sie heilen und Sünden vergeben.

 

Ich finde diese Geschichte unsagbar schön. Aus ihr weht etwas ganz Neues in mein Leben hinein. Ich habe erfahren, was es heißt, wenn alles aus ist. Die Chance dieser Erfahrung ist, eine Entdeckung zu machen: Alles beginnt neu. Ich bin in das Atmen Gottes hineingenommen, in seinem Duft neu geboren. Es ist das reine Geschenk. Dem vertraue ich mich an. So habe ich auch das Schwimmen gelernt. Irgendwann habe ich mich dem Wasser anvertraut.