Erfüllte Zeit

03. 07. 2011, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Matthäus 22, 1 – 14
von Superintendentin Luise Müller

 

 

Jesus hat gerne gefeiert. Davon erzählen die Evangelien immer wieder. Diese Geschichte erzählt davon, dass jeder und jede einen Platz hat bei einem Fest, das den Himmel auf die Erde holt. Auch wenns zunächst nicht danach ausschaut.

 

Mit Hochzeiten habe ich meine Erfahrungen. Zwei meiner Kinder sind bereits verheiratet und bei beiden war ich sehr intensiv in die Festvorbereitungen eingebunden. Wir haben überlegt, geplant, umgeplant, einmal, zweimal – und zum Schluss war alles dann noch mal ganz anders.

 

So ähnlich scheint es auch bei der Hochzeit zu sein, von der Matthäus erzählt. Doch eine frohe, gespannte Erwartung wie meistens bei Hochzeiten stellt sich hier nicht ein. Matthäus erzählt eine Geschichte, die mich auf den ersten Blick nicht begeistert. Die Hochzeit, die hier geplant wird, wirkt seltsam undeutlich. Der Vater des Bräutigams lädt ein, doch die Gäste zieren sich, lehnen die Einladung ab. Die Vorbereitungen laufen trotzdem weiter. Und dann ist der große Tag da. Das Fleisch dreht sich auf dem Spieß und brutzelt in der Pfanne, die Tische sind gedeckt. Höchste Zeit, dass nun auch Gäste auftauchen. Der Gastgeber schickt andere Hochzeitslader auf den Weg, möglicherweise lag die Zurückweisung der Einladung ja nicht an den Gästen, sondern an der Art der Vermittlung. Kommt zur Hochzeit – lässt er sagen. Doch auch jetzt, unmittelbar vor dem Fest, haben die Eingeladenen keine Zeit oder keine Lust zu kommen. Die Arbeit, der normale Alltag scheint wichtiger zu sein als das Fest. Ja offensichtlich sind die, die die Einladung überbringen, so störend, dass man sie beseitigt, ermordet. Und dieser Mord zieht Tod und Zerstörung nach sich. Der verschmähte Gastgeber, der König, schickt das Militär los und zerstört die Stadt und die Menschen in ihr.

 

Fast unbegreiflich, dass danach das Hochzeitsfest doch noch stattfinden kann. Doch aus ursprünglich nicht Eingeladenen, Guten und Bösen, werden ohne Unterschied die neuen Gäste.

 

Der Hochzeitssaal wird doch noch voll. Aber auch jetzt geht es nicht einfach ans Feiern, nein, schon wieder gibt’s einen Eklat: Da ist einer, der nicht die entsprechende Garderobe anhat. Er wird auf Geheiß des Gastgebers entfernt. Aus dem lichtdurchfluteten Festsaal hinausgeworfen ins Dunkle, wo Angst und Schrecken an der Tagesordnung sind.

 

Wenn man dann noch bedenkt, dass diese Geschichte, dieses Gleichnis, zeigen will, wie es im Reich Gottes zugeht, dann gibt’s da für mich ein paar Fragezeichen. Kann Gott so sein, wie der einladende Vater in dieser Geschichte? Manchmal scheint das Evangelium eine Zumutung zu sein.

 

An dieser Stelle wird für mich deutlich, dass das Evangelium, ja die ganze Bibel, nicht einfach vom Himmel gefallen ist, sondern in einer bestimmten Zeit unter bestimmten Bedingungen aufgeschrieben wurde. Es lohnt sich, einen zweiten Blick drauf zu werfen, der tiefer geht als der erste. Der Evangelist Matthäus erzählt hier ein Gleichnis, das er wahrscheinlich in einer einfacheren Form gehört hatte. Er nimmt sich die Freiheit und interpretiert diese Geschichte für seine Zeit. Das ist die Zeit nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70. Matthäus ist der Meinung, dass die Botschaft des Jesus von Nazareth jetzt nicht mehr nur Israel gilt, sondern für alle Menschen. Er umschreibt diese Tatsache, indem er erzählt, dass die Knechte mit der Einladung hinaus gehen, auf die Strassen und an die Grenzen und dort alle die einladen, die sie finden, ohne Ansehen der Person. Und so wird die neue Hochzeitsgesellschaft bunt gemischt: Böse und Gute, Fromme und scheinbar unfromme Menschen verschiedenster Herkunft kommen an die gedeckten Tische, haben also jetzt Zugang zum Reich Gottes. Bedingungslos. Nichts müssen sie vorher erfüllen, um eingeladen zu werden. Doch wer immer sich entscheidet, am Fest teilzunehmen, der ändert damit auch sein Auftreten. Das meint das Bild vom hochzeitlichen Kleid. Die Bibel spricht in diesem Zusammenhang von Umkehr. Ein Thema, das auch für Christen heute wesentlich ist.

 

Umkehr – das würde heißen, nicht mehr ausschließliche Konzentration auf Arbeit und Geschäft. Umkehr – das würde heißen, Platz zu machen für Gottes Liebe in dieser Welt. Umkehr – das würde heißen, überrascht zu entdecken, wer außer mir sonst noch von den Hecken und Zäunen zum Fest gekommen ist. Umkehr, das hieße dahinterzukommen, dass das Himmelreich manchmal schon mitten unter uns ist.

 

Jesus hat gerne gefeiert. Davon erzählen die Evangelien immer wieder. Diese Geschichte erzählt davon, dass jeder und jede einen Platz haben kann bei einem Fest, das den Himmel auf die Erde holt.