Erfüllte Zeit

17. 07. 2011, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Matthäus 13, 24 – 43
von Gerhard Langer

 

 

Der eben gehörte Text spricht mich auf verschiedene Weise an. Zum einen gehöre ich zu den Menschen, die gerne Vergleiche verwenden, um sich klar auszudrücken. Ich habe mir Zeit meines Lebens schwer getan mit abstrakten und vor Fremdwörtern strotzenden wissenschaftlichen Arbeiten. Gerade die jüdische und die frühe christliche Tradition haben schwierige Schriftpassagen oder komplexe Fragen mit Vergleichen zu erklären versucht und damit ein eigenes literarisches Genre geschaffen, das man hebräisch Maschal nennt. Jesus ist ein hervorragender Gleichniserzähler. Es heißt sogar, er habe nur in Gleichnissen geredet. Die Gleichnisse zum Himmelreich zählen zu den bekanntesten und einprägsamsten. Es sind Beispiele aus der Landwirtschaft, Motive von Säen und Ernten, die sich in einer auf Landwirtschaft basierenden Gesellschaft wie dem antiken Galiläa besonders eignen, auch in einer übertragenen Bedeutung verstanden zu werden. Jedes Gleichnis hat aber unabhängig von seinem Bezug auf ein theologisches oder exegetisches Thema eine Eigenbedeutung, schildert Situationen und Vorgänge, die es lohnen, für sich betrachtet und gewürdigt zu werden.

 

Mir gefällt die Vorstellung, dass ein vorzeitiges Ausreißen von Unkraut auch dem Weizen selbst schadet. Mich beeindruckt der Gedanke, dass aus etwas sehr Kleinem und Unscheinbaren ein großer tragender Baum wird. Vor allem aber überzeugt mich, dass es die Frauen sind, die dafür sorgen, dass das Leben in dieser Welt keine trockene und kaum genießbare Angelegenheit ist.

 

Mit Blick auf die übertragene Bedeutung der Gleichnisse ist die Auflösung am Schluss des Textes eine mögliche Konkretisierung. Am Ende der Welt werden Spreu und Weizen getrennt, erfahren die Verführer und Gesetzesbrecher ihre gerechte Strafe. Die Gerechten aber strahlen und leuchten. Das bringt Hoffnung für die Gerechten mit sich, die sich beständig von Ungerechtigkeit umringt und bedroht sehen. Aber alle Aspekte der Bilder sind damit beileibe nicht abgedeckt.

 

Das Gleichnis vom Senfkorn etwa wurde in der Bibelwissenschaft nicht selten als Wachsen und Gedeihen der kleinen christlichen Gemeinden gedeutet. Ich beziehe es aber auch gerne auf den einzelnen Menschen, der ein Leben in Bescheidenheit als Gerechter oder als Gerechte lebt. Einer oder eine können durch ihr Beispiel ausstrahlen, können für andere zum leuchtenden Vorbild werden. Was, wir meiner Ansicht nach, brauchen sind mehr beispielhaft lebende Menschen, sind Vorbilder, an denen wir uns alle auf- und ausrichten können, Frauen und Männer, die den Sauerteig einer besseren Gesellschaft bilden. Aber es ist ja nie zu spät, bei sich selbst anzufangen.