Erfüllte Zeit

12. 02. 2012, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Heilung eines Aussätzigen“ (Markus 1, 40 – 45)

von Prof. Dr. Josef Schultes

 

 

Er ist nicht mehr derselbe, der Aussätzige: Die Heilung hat sein Leben von Grund auf verändert. Unmöglich, über das zu schweigen, was an ihm geschehen ist. Denn – wie das Sprichwort sagt – „wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über“. So ist es wohl auch dem Geheilten ergangen. „Bei jeder Gelegenheit“, hieß es im letzten Bibelvers, „erzählte er, was geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte“.

 

Schade, dass die häufig gebrauchte Einheitsübersetzung hier etwas Wesentliches verfehlt! Denn Markus fährt im ersten Kapitel seines Evangeliums, um es etwas salopp zu sagen, ein tolles theologisches Programm. Und zwar mit keryssein, ein Verbum aus dem Griechischen, das „verkündigen“, „predigen“ bedeutet, oder noch genauer: „Wie ein Herold ausrufen“.

 

Der nun Geheilte beginnt, „keryssein polla“, „zu verkünden vieles“ (Mk 1, 45a). Damit nimmt er eine höchst bedeutsame Position ein, nämlich die Rolle eines ersten Jüngers!

 

Aussätzige waren – den Vorschriften im Buch Levitikus entsprechend – unrein. Auch zur Zeit Jesu durften sie am sozialen Leben nicht teilnehmen, die Gefahr der Ansteckung war zu groß. Sie waren damit aber auch vom Kult, von der Gemeinschaft mit Gott ausgeschlossen. „Die Aussätzigen waren“, betont Meinrad Limbeck in seinem Kommentar zum Markusevangelium, „die Aussätzigen waren den Toten gleich. Deshalb galt, einen Aussätzigen von seinem Aussatz zu befreien, als ebenso schwer, wie einen Toten zum Leben zu erwecken.“

 

Ich kann mir gut vorstellen, welchen Schock das Verhalten Jesu bei den Umstehenden ausgelöst hat, auch bei seinen Jüngern. Er kennt aber keine Berührungsängste. Er will Leben ermöglichen, Eins-Sein für Leib und Seele, heilsame Harmonie, hebräisch Schalom. Eine dynamis geht von ihm aus, eine durch ihn strömende Kraft, die Menschen gesund werden lässt, auch und gerade an einem Schabbat, einem heil-vollen, einem heiligen Tag …

 

Andrerseits achtet Jesus als Jude die Tora  mit einer klaren Anweisung: „Geh, zeig dich dem Priester und bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat“ (Vers 44). Das soll zur Bestätigung dienen, dass der früher an Aussatz Erkrankte rein geworden ist und sich wieder voll und ganz in die Gesellschaft eingliedern darf.

 

Es ist aber nicht damit getan, auf den Aussätzigen von damals, bzw. auf den Geheilten an Jesu Seite zu blicken. Markus gibt keinen Ort an, wo das geschehen ist, und keinen Namen, an wem sich Heilung ereignet hat.

 

Auch heute wohnen Ausgegrenzte unter uns, Aus- und Abgesonderte. Und ebenso geschehen heute Wunder, leben völlig Geheilte unter uns, die Gott auf Knien um Hilfe gebeten und sie erhalten haben. Und was sich in der äußeren Welt ereignet, das gilt genauso für den inneren Raum. In jeder und in jedem gibt es ausgegrenzte Bereiche, abgeschottete Gefühle und alte Wunden, die des Wahr-Nehmens, des Auf-Arbeitens und der Heilung bedürfen.

 

In zehn Tagen bietet sich die Chance, manches im eigenen Leben „heil werden“ zu lassen. Der Aschermittwoch kann etwas einleiten, was die Psychologie als eine „Katharsis“ bezeichnet, als den Prozess einer „Reinigung“: Etwas Verbrauchtes zu Staub werden zu lassen, einfach zu Erde, aus der Neues kommen kann, mit der Urkraft des Wachsens und Grünens, auf Hoffnung hin, auf Ostern zu…