Erfüllte Zeit

03. 06. 2012, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Kommentar zu Epheserbrief 1, 3 – 14
von Pfarrer Marco Uschmann (Wien)

 

 

Ein Blick in den Kirchenkalender zeigt: Heute ist Trinitatis. Christinnen und Christen feiern die Trinität Gottes. Ein großes und ein bedeutendes Fest, sollte man meinen. Aber irgendwie scheint es auch das vergessene Fest im Kirchenjahr zu sein, denn wohl kaum jemand weiß mit diesem Sonntag Trinitatis etwas anzufangen. Dabei ist Trinitatis ein Fest, das die evangelische Kirche gemeinsam hat mit der katholischen - dort freilich als Dreifaltigkeitssonntag bekannt.

 

Die Idee, das Bekenntnis der Trinität ist keine einfache Angelegenheit: Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist. So mancher Theologe, manche Theologin sprechen von dem Mysterium der Trinität, und Generationen haben versucht, dieses Mysterium aufzulösen. Mit mehr oder weniger Erfolg. Vielleicht liegt es auch daran, dass das Trinitatisfest zu einem fast vergessenen Fest geworden ist, weil sein Inhalt nämlich so schwer zu fassen ist.

 

Ich meine, Trinitatis will dabei zunächst ganz praktisch verstanden sein: Geht es doch darum, die verschiedenen Weisen Gottes zu erklären. Entfaltet werden diese trinitarischen Überlegungen übrigens in den Glaubensbekenntnissen, die sich an der Trinität Gottes orientieren. Das bekannteste, das so genannte Apostolische Glaubensbekenntnis, wird sonntags in den Gottesdiensten gesprochen. Es beginnt so: "Ich glaube an Gott; den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde." Hin und wieder kommt auch das umfangreichere nicänische Glaubensbekenntnis zum Zuge, dies aber nur an ganz besonderen Feiertagen. Wie etwa an Trinitatis.

 

Gott der Vater wird gemeinhin mit dem Schöpfer gleichgesetzt, der vor aller Zeit die Welt und seine Geschöpfe geschaffen hat. Jesus Christus, Sohn Gottes, ist nach christlichem Verständnis derjenige, der den Menschen mit Gott versöhnt und der die Sünden der Menschen auf sich genommen hat und sie trägt. Der Heilige Geist begleitet den Menschen und ist eine Wesensäußerung Gottes, wie etwa die Pfingstgeschichte zeigt, in der der Geist Gottes über die Apostel kommt.

 

Trinitatis will ganz praktisch sein: Denn in den drei Weisen Gottes zeigt er sich mir, wie ich ihn brauche: Sei es als tröstender, sich zuwendender Gott in Jesus Christus, sei es als Gott, dem ich mein Leben verdanke und von dem aus ich Leben schützen und bewahren soll, oder sei es als Heiliger Geist, der mich der Anwesenheit Gottes stets gewiss macht und mich so durchs Leben tragen kann.

 

Am heutigen Trinitatis-Sonntag nun wird in den evangelisch lutherischen Gottesdiensten dieser großartige und auch mystische Text aus dem Epheserbrief gelesen, der einzigartig in der Bibel ist: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Jesus Christus.“

 

Der Verfasser des Briefes schreibt seinen Text und seinen Hymnus im ausgehenden 1. Jahrhundert. Ihm geht es ganz überwiegend um die innere Einheit der neuen christlichen Gemeinden, die geformt werden musste. Zum Anderen sollte aber auch die gute christliche Lebensführung beschrieben werden. Und so begegnen im Epheserbrief immer wieder Texte und Abschnitte, die aus Gottesdiensten stammen könnten. So, wie es in diesem Abschnitt geschieht. Überschrieben ist diese Briefeinleitung in der Übersetzung nach Martin Luther mit den Worten "Lobpreis Gottes für die Erlösung durch Jesus Christus".

 

Es ist nichts anderes als ein umfassendes und umfangreiches Bekenntnis zum Glauben an einen Gott, der die Menschen von Anfang an erwählt hat, der sie erlöst und sie zu Erben einsetzt und der die Menschen sein Eigentum sein lässt. Dies ist die Geschichte Gottes mit den Menschen, und diese Geschichte bietet für Gläubige genug Anlass zu überschwänglichem und hymnischem Lob. Den Rahmen bieten der erste und der letzte Vers: "Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Jesus Christus." Der Schluss nennt dann den Heiligen Geist: Die Menschen sind wörtlich "versiegelt" worden mit dem Heiligen Geist und sind so Gottes Eigentum geworden.

 

Es handelt sich bei diesem Hymnus also um nichts anderes als die Antwort des Menschen auf das Handeln Gottes an ihm selbst – hier eben in einem Hymnus, den der Verfasser über 14 Verse lang in einem einzigen griechischen Satz formuliert hat. Das ist große Poesie.

 

Verknüpft ist der Dank über die vergangenen Taten Gottes mit der Zukunft, die die Menschen gestalten sollen, verknüpft ist Gottes Handeln als Schöpfer im Vater, als Retter im Sohn und als Bewahrer im Heiligen Geist. In dieser großen Poesie findet sich auch große Theologie:

 

Daraus ergeben sich Konsequenzen, und nun werden die große Poesie und die große Theologie wieder ganz praktisch. Denn wer sich geschaffen, gehalten und umfangen weiß von Gott, der gewinnt Würde. Der handelt nicht un-menschlich, sondern menschlich. Auch das nennt die Einleitung in den Epheserbrief: "Wir sollen untadelig sein und zu seinem Wohlgefallen leben." Nicht zuletzt betrachtet der Autor die Menschen also als Gottes Erben mit dem Unterpfand des Heiligen Geistes. Auf diese Weise wird das Mysterium der Trinität zum Fest der Liebe und der Nächstenliebe, denn nichts anderes hat Gott für den Menschen vorgesehen. Das zeigt die Bibel in ihren Geschichten, das zeigen mir die Schöpfung, die Erlösung und die Begleitung, die im dreieinigen Gott den Menschen immer wieder begegnen.

 

Trinitatis will ganz praktisch sein: Denn in den drei Weisen Gottes zeigt er sich mir, wie ich ihn brauche. Das aber bedeutet zugleich, dass Gott für die Menschen da ist, und zwar für alle Menschen. So kann es nicht sein, dass Menschen ausgeschlossen werden. So darf es nicht sein, dass Menschen ausgeschlossen werden. Sei es vom Zugang zu Gott, sei es vom Zugang und der Teilnahme am Leben, wie es Menschen würdig ist. So wird auch hier Trinitatis ganz aktuell: Zugang zum Leben bekommen Menschen beispielsweise über Arbeit, die sie haben oder nicht haben. Zugang zum Leben bekommen Menschen über Bildung, die sie genießen dürfen oder die ihnen verwehrt wird – weil sie aus dem vermeintlich falschen Land stammen. Und Zugang zum Leben bekommen Menschen, wenn sie eine Wohnung und medizinische Versorgung bekommen. Das alles ist nicht selbstverständlich. Obwohl es doch so selbstverständlich ist. Das steckt im Sonntag Trinitatis, an dem Christinnen und Christen die Trinität Gottes feiern.

 

Trinitatis will ganz praktisch sein – weil Gott ganz praktisch ist.