Erfüllte Zeit

01. 07. 2012, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Kommentar zu 1. Petrus 3, 8 - 15a (15b - 17)

von Lydia Burchhardt, Pfarrerin in Klagenfurt

 

 

Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt. Denn „wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber steht wider die, die Böses tun“ (Psalm 34, 13 - 17).

 

Und wer ist's, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert? Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht; heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Gottesfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen. Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

 

Dieser sogenannte 1. Petrusbrief wendet sich an die Menschen in den ersten jungen christlichen Gemeinden in Kleinasien. Er wurde bereits im ersten nachchristlichen Jahrhundert verfasst. Das Grundproblem, das er anspricht, ist die Bedrängnis und Anfeindung der Gläubigen in einer Umwelt, die dem nonkonformistischen Charakter der christlichen Gemeinden feindselig gegenüberstand. Denn diese legten offenbar ein Verhalten an den Tag, das auffiel und sich von dem der anderen unterschied. Und das erregte Ärgernis. Durch Anschuldigungen und Verleumdungen wurden sie eingeschüchtert, bedrängt, bedroht. Wer weiß, was noch folgen würde? Vielleicht gar offene Gewalt?

 

Der Brief bezieht sich auf die Ängste der Christen und Christinnen angesichts dieser ungerechten Situation, sowie auf ihren Sorgen im Umgang mit dem Leiden. Der Schreiber – er stellt sich in die Tradition und unter die Autorität des Petrus, indem er ihn als vermeintlichen Verfasser nennt – versucht die Menschen in drei Bereichen zu stärken:  in ihrem – und zwar: guten – Verhalten; im Verstehen des Konfliktes; und in ihrer emotionalen Reaktion darauf. „Lasst euch nicht provozieren. Vergeltet nicht Böses mit Bösem, nicht Scheltwort mit Scheltwort. Nein, im Gegenteil. Segnet doch die, die euch Schlechtes nachsagen und euch schaden wollen. Niemand kann euch wirklich schaden wollen, wenn ihr eifrig Gutes tut.“ Eigentlich habe ich solche charmanten Anweisungen zum Gut-Sein immer gehasst. Na, werde ich denn absichtlich Böses tun wollen? Doch wird der Briefschreiber nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die besten Vorhaben, die ein Mensch haben kann, nicht immer gut ankommen, angenommen und gelobt werden. Ob sie nun verwirren, missverstanden werden oder „lediglich“ Neid hervorrufen, das sei dahin gestellt. Auf jeden Fall sei es besser, sich für gute Taten schimpfen zu lassen und zu leiden als Böses zu tun. Das ist sicher richtig und auch edel, aber das erfordert oftmals Standhaftigkeit und Courage. Wie leicht werden doch die belächelt, die sich weigern Schokolade zu essen, die nicht aus fairer Produktion stammt – und das ist noch harmlos. Diejenigen, die sich heute in unserem Land vor Menschen stellen, die abgeschoben werden sollen, obwohl der „Hausverstand“ sagen würde, dass ihnen ein „humanitärer Aufenthalt“ zustünde, bekommen da schon größere Probleme. „Seid stets bereit Rechenschaft abzulegen über die Verantwortung, die ihr guten Gewissens übernommen habt und zu tragen bereit seid.“

 

Wer aufrecht und aufrichtig überlegt und entscheidet und handelt, braucht sich nicht zu schämen, wird nicht in Verteidigungsnotstand geraten, darf zufrieden sein – „selig“ nennt das der 1. Petrusbrief. Und wer aus seiner / aus ihrer christlichen Überzeugung gehandelt hat, darf sich zum Priestertum aller Gläubigen zählen lassen – zur Gemeinschaft der Heiligen, die die Christenheit in ihrem Glaubensbekenntnis benennt.

 

Ich halte es noch heute für eine ungeheuerliche Kraft von Menschen, die „guten Willens“ sind, dass sie sich nicht unterkriegen lassen widerstehen, Spott nicht scheuen, zur Wahrheit stehen Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen, die Hoffnung nicht aufgeben, dass das Gute siegen wird - auch wenn sie oftmals Kopfschütteln hervorrufen, sei es in Umweltfragen oder wenn es um Menschenrechte geht, sei es in der eigenen Lebensgestaltung oder in der öffentlichen Meinung, sei es, dass sie selber Hand anlegen, wo alle lieber wegschauen oder ... mir fiele noch vieles ein.

 

Das ist eine Kraft, die in der Tat dazu beiträgt, die Welt zum Guten zu verändern. Eine Kraft, die tiefe Wurzeln und eine lange Tradition hat. Deshalb wird in unserem Brief ein altes Lied – ein Stück aus dem 34. Psalm des ersten, des sogenannten alten Testamentes – zitiert: „Wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, ... wende sich ab vom Bösen und tue Gutes, ... suche Frieden und jage ihm nach.“ Nachjagen – in „Sanftmut“ und mit „Gottesfurcht“.

 

Ja, es ist wohl ein ungebrochener Eifer, der – Gott sei Dank – manche Menschen beseelt, wenn sie sich nicht davon abbringen lassen von dem, was ihnen heilig ist. Sie bezeugen durch ihr Leben, welche Hoffnung in ihnen steckt: die Hoffnung auf Leben in Würde für alle Menschen, auf Zukunft für die so verletzte und gefährdete Welt. Es geht nicht um „Gutmenschentum“, aber klar ist, dass ich dem Bösen immer nur mich selbst entgegenhalten kann. Deshalb wird zu einer Haltung ermutigt, die geschwisterlich, zuversichtlich, doch auch demütig und geduldig ist, die zielstrebig und beharrlich, doch auch begeistert und begeisternd ist. Immer wird es solche geben, denen das zuwider ist, deren Interessen durchkreuzt werden, die unverbesserlich sind...

 

Doch wenn die mir dann in die Quere kommen und mir das Leben schwer machen, leide auch ich lieber für die „gute Sache“, der ich nachgejagt bin, als dafür, dass ich das Falsche mitgemacht oder aus Feigheit gar nichts getan hätte.