„Für die, die ohne Stimme sind“
Schön sind Blatt und Beer
und zu sagen wär
von der Kindheit viel und viel vom
Wind;
doch ich bin nicht hier,
und was spricht aus mir,
steht für die, die ohne Stimme
sind.
In diesem Gedicht sagt Theodor
Kramer, was den inneren Kern seines Werkes und seine Faszination bis
heute ausmacht: Er taucht ein in die Landschaft und in die Dorfwelt,
aus der er kommt, aber er sieht sie vom Rand aus. Vom Rand, an dem
er selbst als Kind des jüdischen Gemeindearztes in Niederhollabrunn
gelebt hat. Seine Gedichte spielen nicht in den großen Dorfgasthöfen
in Ortsmitte, sondern in der „Unteren Schenke“, wie ein Gedicht
betitelt ist – dort, wo billiger Tabak stinkt, wo Kleinhäusler und
Tagelöhner verkehren. Kramer schreibt Verse „Auf eine erfrorene
Säuferin“, er rückt Bettgeher, eine Weinmagd und Vagabunden ins
Zentrum eines Gedichtes.
Kramer gibt diesen Außenseitern
eine Stimme, er macht sie nicht zum Objekt von Mitleid oder sozialer
Analyse. Sie behalten ihre Würde und Autonomie. Und ihre
Sinnlichkeit. In Kramers Gedichten wird gegessen, getrunken und
geliebt, hat der Körper sein Recht.
Heute gibt es keine Mägde und
Bettgeher mehr, aber nicht weniger Außenseiter ohne Geld und Arbeit;
den Blick auf sie lehren Kramers Gedichte noch immer. Das gelingt
ihnen vor allem, weil sie jeden falschen Ton, jede verlogene
Harmonie vermeiden. Einmal heißt es bei Kramer:
Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe
und fürs Bittre bin ich da;
schlag, ihr Leute, nicht die Harfe,
spielt die Ziehharmonika
Buchtipps:
"Gesammelte Gedichte", hrsg. von Erwin Chvojka, 3 Bände,
Paul Zsolnay Verlag
"Lass mich still bei dir liegen. Liebesgedichte", hrsg. von Erwin
Chvojka, Paul Zsolnay Verlag
Erwin Chvojka und Konstantin Kaiser "Vielleicht hab ich es
leicht, weil schwer gehabt. Theodor Kramer 1897 - 1958. Eine
Lebenschronik", Theodor Kramer Gesellschaft
Theodor Kramer "Solange der Atem uns trägt. Sechs mal zwölf
Gedicht", Theodor Kramer Gesellschaft
>>Paul
Zsolnay Verlag