Logos - Theologie und Leben
Samstag, 17. 03. 2012, 19.04 Uhr - 19.30 Uhr im Programm Ö1
„Joachim Gauck: Pfarrer, Bürgerrechtler, Bundespräsident“
Am 18. März wird aller Voraussicht
nach der 72-jährige evangelische Theologe Joachim Gauck von der
Bundesversammlung der Republik Deutschland als Nachfolger von
Christian Wulff zum Deutschen Bundespräsidenten gewählt. Joachim
Gauck wurde 1940 in Rostock geboren. Sein Elternhaus war vom
Nationalsozialismus geprägt, seine Kindheit und Jugend vom Krieg und
dem Entstehen der DDR. Als er elf Jahre alt war, wurde sein Vater,
Kapitän zur See, unter Spionageverdacht verhaftet. Der Vater
verschwand spurlos nach Sibirien. Der 27. Juni 1951 wurde für Gauck
zum politischen Geburtsdatum. Für Gauck wurde „das Schicksal unseres
Vaters zur Erziehungskeule“, wie er später schreibt. „Die Pflicht
zur unbedingten Loyalität gegenüber der Familie schloss auch die
kleinste Form der Fraternisierung mit dem System aus.“ Erst später
habe er den kommunistischen Anti-Hitler-Widerstand zu würdigen
gelernt.
Joachim Gauck wollte eigentlich
Germanistik und Geschichte studieren. Das blieb ihm mangels
FDJ-Mitgliedschaft verwehrt. Als er das Theologiestudium begann,
dachte er nicht daran, später einmal Pfarrer zu werden. Dazu kam er
sich „viel zu weltlich vor“. Zur DDR-Zeit war er Pastor in Lüssow
und im Neubaugebiet Rostock-Evershagen. Gaucks Erzählung zeichnet
ein plastisches Bild der „Kirche im Sozialismus“, in der sehr
verschiedene Kräfte wirkten. Welten lagen zwischen dem staatsfrommen
Greifswalder Bischof Horst Gienke (IM „Orion“) und den Schweriner
Oberhirten Heinrich Rathke und Christoph Stier, die beide
Systemferne praktizierten, ohne gesellschaftliche Abstinenz zu
predigen. In ihrem Sinne agierte Pfarrer Joachim Gauck als Opponent,
aber nicht als Totalverweigerer des Staates DDR. Drei seiner vier
Kinder reisten in den Westen aus. Nachdem 1989 das SED-Regime
gestürzt und die Mauer gefallen war, wurde Joachim Gauck bei den
ersten freien Wahlen als Vertreter des „Bündnis 90“ in die
Volkskammer gewählt. Nach der Vereinigung amtierte er zehn Jahre
lang als „Bundesbeauftragter für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR“. Je nach Partei und
Milieu galt die „Gauck-Behörde“ als bürgerrechtliche Kläranlage, als
Hygieneinstitut der Demokratie oder als westliches Siegerwerkzeug
zur Demontage der DDR.
Der künftige deutsche Bundespräsident
gilt als spontaner, bisweilen verstörender, aber immer rhetorisch
brillanter Redner. Er spricht aus, was ihn umtreibt. Gelegentlich
widerspricht er sich dabei selber – und denen, die ihn unterstützen.
Gauck wird für alle fünf Parteien, die ihn jetzt gemeinsam nominiert
haben, aller Voraussicht nach kein einfacher Präsident werden,
ebenso wenig wie für die Bürger. Allerdings gilt er auch als einer,
der sich in einem immer treu bleibt: In seinem unbedingten Willen
zur Freiheit. Sie ist ihm, der die kommunistische Diktatur erlebt
hat, - neben der Demokratie als deren Ausdrucksform - zum
Lebensprinzip geworden.
Gestaltung: Johannes Kaup
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