Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Dechant Mag. Erich Aichholzer, Pfarrprovisor in St. Gertraud und Prebl im Lavanttal

 

 

Sonntag, 20. 11. 2005

Im Sand können Perlen liegen. 1920 hat man eine solche Perle im Wüstensand Ägyptens gefunden. Es war freilich keine echte Perle, ein unscheinbares, kleines Stück Papyrus vielmehr, doch an Wert einer Perle gleich. Der Papyrus erwies sich als der älteste uns erhaltene Text aus dem Neuen Testament. Was steht darauf? Neben anderem auch der Vers aus dem Johannesevangelium: „Da sagte Pilatus zu Jesus: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König.“ Der heutige Sonntag ist der letzte Sonntag im Kirchenjahr und die römisch-katholische Kirche feiert heute das Christkönigsfest.

Christus - ein gekreuzigter, dornengekrönter König, Objekt es Spotts: Hilf dir selbst! Auch wir kennen das: Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand! Boxe dich durchs Leben, nimm dir, was du brauchst! Christus, der König, ist nicht der Siegertyp, er ist der vollkommen Gott Vertrauende. Aber darin liegt seine Stärke und in einem gesunden Gottvertrauen finden auch wir Halt in unserem Leben.

 

 

Montag, 21. 11. 2005

Zum Leben gehört Selbstvertrauen, ja, auch ein gutes Stück Risiko. Wichtige Entscheidungen zu treffen, dazu bedarf es Mut und Selbstvertrauen, denn: gehe ich ihnen aus dem Weg, habe ich vielleicht eine Chance verspielt, die nie wieder kommt. Wir stehen immer wieder einmal vor Entscheidungen. Und dann passiert es nicht selten, dass wir uns genau in dieser Situation von Gott verlassen fühlen, dass wir vergeblich auf einen Wink Gottes warten, der uns helfen würde, uns in seinem Sinn zu entscheiden. Vielleicht schweigt Gott gerade deshalb, damit wir selber lernen, Entscheidungen zu treffen, mit allen Risiken.

In einer Schule hatte man den Lebensmut von Kindern getestet. Sie sollten einen Baum malen. Da waren prächtige und kraftvolle Bäume zu sehen, die das Blatt bis auf den Rand füllten. Auf manchen Blättern war nur ein kümmerliches Bäumchen zu sehen, an den Rand gedrängt. Zwei Drittel des Blattes waren leer. Diese Zeichnungen stammten durchwegs von verängstigten Kindern mit wenig Selbstvertrauen.  Versuchen wir doch, die Chancen auszunützen, die Gott uns mit diesem Leben gegeben hat. Die neue Woche liegt vor uns als ein neues Blatt. Malen wir es voll bis an den Rand. Diese Woche ist uns nur ein einziges Mal geschenkt!

 

 

Dienstag, 22. 11. 2005

In einer der größten Katakomben in Rom, in der Callistuskatakombe, zeigt man den Besuchern die Stelle, wo der Leib der frühchristlichen Martyrerin Cäcilia bestattet wurde. Heute befindet sich das Grab der Heiligen in der Kirche Santa Cäcilia in Trastevere. Cäcilia soll, der Legende nach, verschiedene Musikinstrumente gespielt haben, auf denen sie ihre liebliche Singstimme selbst meisterhaft und zur Ehre Gottes zu begleiten pflegte. Am heutigen Tag feiert die Kirche das Fest der heiligen Cäcilia, die zur Patronin der Kirchenmusik ernannt worden ist. Der Gesang ist ein wesentlicher Bestandteil der Liturgie. Der heilige Apostel Paulus ermutigt die ersten Christen im Brief an die Epheser: „Lasst in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder erklingen, wie der Geist sie eingibt. Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn!“ Möge am heutigen Gedenktag der heiligen Cäcilia allen Sängerinnen und Sängern, sowie den Musikern gedankt sein, die mit Stimme und Instrument die Gottesdienste in unseren Kirchen zu einem Vorgeschmack jenes ewigen Gesanges werden lassen,

den wir im Himmel mit allen Engeln zum Lobe Gottes singen werden.

 

 

Mittwoch, 23. 11. 2005

Vor einigen Wochen besuchte ich den Wallfahrtsort Santiago de Compostela in Nordspanien. Am beeindruckenden romanischen Westportal der Kathedrale, dem „Portico de la Gloria“, wurde ich auf eine Darstellung des Propheten Daniel aufmerksam. Das Besondere an dieser Steinfigur ist das Lächeln im Gesichtsausdruck, ein verschmitztes und zugleich beseligendes Lächeln. Am Platz vor der Kathedrale fragte mich eine Pilgerin, wo sie den „lächelnden Heiligen“ finden könne, worauf ich ihr den Weg zum Westportal wies. Ein Lächeln wirkt anziehend, ein Lächeln steckt an. Ein Lächeln über unsere eigenen Eigenheiten und Fehler hilft uns, nicht an der Oberfläche unseres Versagens stehen zu bleiben, uns nicht so tierisch ernst zu nehmen. Dieser lächelnde Heilige hat auch bei mir ein Lächeln auf meinen Lippen bewirkt. Ein Lächeln, das ich Ihnen gerne weiterschenken möchte. Es wäre schön, wenn auch Sie heute den einen oder anderen Menschen zu einem befreienden Lächeln bewegen könnten.

 

 

Donnerstag, 24. 11. 2005

Viele Menschen haben es in dieser Morgenstunde eilig. Ich will auch keinen mit komplizierten Überlegungen aufhalten. Dennoch will ich Ihnen ans Herz legen, sich nicht ohne einen Aufblick zu Gott in das Getriebe des Tages zu stürzen. Gönnen Sie sich einen Augenblick der Ruhe und denken Sie an Gott. Vielleicht tun Sie es ohnehin, nichts ist einfacher und beglückender, als an Gott zu denken. Nichts kann uns aber auf die Dauer mehr schaden, als Gott zu vergessen. Es kann nicht gut ausgehen, wenn der Mensch seinen Ursprung und sein Ziel aus den Augen verliert. Da kommt jemand täglich auf dem Weg zur Arbeit an einer Kirche vorbei. Ein kurzes Verweilen im Gotteshaus und ein stilles Gebet sind zu einem täglichen Ritual geworden.  Dieses kurze Aufblicken zu Gott, ist für ihn eine Quelle der Kraft, aus der er für den neuen Tag schöpfen kann. Egal, wo Sie jetzt auch sind, zu Hause, oder im Auto auf dem Weg zur Arbeit,  Gott ist auch bei Ihnen, wenn Sie ihre Herzenstüre für Ihn öffnen. Mit Gott den Tag beginnen, zu glauben, dass Er es auch heute mit Ihnen gut meint, dass ist eine Kraftquelle für diesen neuen und für jeden noch kommenden Tag. Ich wünsche Ihnen Gottes Segen.

 

 

Freitag, 25. 11. 2005

Vielleicht haben Sie schon darüber nachgedacht, was an diesem heutigen Tag alles zu tun und zu erledigen wäre. Was aber sollen jene Menschen denken, etwa die Kranken, die scheinbar nichts tun können? Sind sie wirklich zu einem untätigen Warten verurteilt, bis sie wieder gesund sind? Sie werden es oft so empfinden. In der Frühe denken sie: „Es wird hell. Jetzt gehen die glücklichen Gesunden an die Arbeit und ich liege hier. Wenn sie wüssten, was es bedeutet, überhaupt arbeiten zu können! Was kann ich tun, wenn dieser neue Tag beginnt? Auch sie können etwas tun! Gott hat auch für sie ein Tagewerk bereitgelegt, das nicht schlechter ist als das der Gesunden. Nur anders und doch sinnvoll. Sie können es in die Waagschale des Lebens legen, und es hat darin Gewicht. Das Tagewerk der Kranken heißt Verschenken. Wer sein Leid annimmt und es als Bitte vor Gott an seine Mitmenschen verschenkt, der hat etwas Großes getan.  Auch Jesus Christus hat zur Erlösung der Welt das Entscheidende in den hilflosen Stunden getan, am Kreuz. Diesen Gedanken darf ich als Morgenhoffnung  Ihnen und besonders allen Kranken mit in diesen Tag geben.

 

 

Samstag, 26. 11. 2005

Glaube schenkt Geborgenheit. Ungezählte Menschen haben ihn als Lebenshilfe erfahren, die durch nichts ersetzt werden kann. Glaube schenkt Geborgenheit, aber gleichzeitig wird der Glaube auch als Wagnis empfunden. Mit dem Glauben ist es wie mit einem Fallschirm: die meisten Menschen möchten, dass er sich beim ersten Absprung schon im Flugzeug öffnet. Aber so geht es nicht. Erst  im freien Raum der Ungewissheit und des Wagnisses, kann sich der Fallschirm entfalten. Dann trägt er aber auch sicher, bis man Boden unter den Füßen hat, neuen Boden. Auch der Glaube kommt erst da zur Entfaltung, wo wir uns nicht mehr festhalten können am sicheren Wissen, wo man sich nicht auf sich selbst verlassen kann. Der Absprung ins Ungewisse muss erst gewagt werden, damit der Glaube Raum hat. Dann trägt er sicher, bis die Füße neuen Halt finden auf dem Boden der Liebe Gottes. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Tag, an dem Sie sich wieder von neuem in Gott geborgen und getragen wissen.