Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
"Advent, Advent ein Lichtlein brennt"
von
Pfr. Wolfgang Olschbaur, Bregenz
Sonntag, 27. November 2005
In manchen Gegenden dauerte der Advent nur zwei
Wochen. Anderswo bis zu sieben Wochen. Vier Sonntage
Adventszeit verdanken wir Papst Gregor. Besser, er hätte sich für
sieben Wochen entschieden. Dann hätte vielleicht die hektischste
Zeit im Jahr doch noch eine Chance auf ein bisschen mehr Ruhe für
die Vorbereitungen gehabt.
Obwohl: Die Wirtschaft tut ja ohnehin schon alles,
um diese Zeit auf das größtmögliche Maß auszudehnen.
Gleich auf Erntedank folgt das Weihnachtsgeschäft mit Punsch
und "süßer die Glocken nie klingen ...".
Aber stiller ist's deshalb auch nicht gerade
geworden.
Advent – eine Zeit der Einkehr und Buße? Büßen
müssen die meisten nur mit einem schweren Kopf nach einem überzogenen
Glühweinbummel durch den Weihnachtsmarkt. Und unter Einkehr
verstehen viele das, was sie tun, wenn sie an einem Gasthaus vorbei
kommen. Am besten ist die Einkehr in ein Sternerestaurant.
Vielleicht kommen sie da dem Stern von Bethlehem auch schon einwenig
näher?
"Advent, Advent, ein Lichtlein brennt, erst
eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht das Christkind vor
der Tür.
Und wenn du siehst, das fünfte brennt, dann hast du
Weihnachten verpennt!"
Einen guten Morgen wünsche ich Ihnen! Und eine
wachsame Adventszeit!
Montag, 28. November 2005
In Italien soll es sogar ein eigenes
"Ministerium für Angelegenheiten des Weihnachtsmannes"
geben. Es ist vielleicht das einzige Ministerium in Italien, das gut
funktioniert. Es besteht nur aus zwei schmalen kleinen Räumen. Zu
Beginn der Adventzeit kommen dort Tausende von Briefen an, die von
Kindern eigenhändig aufgegeben worden sind. Darunter solche, die
Erwachsene den Kindern diktiert haben, heuchlerisch brave Pflichtübungen
mit denen man Kinder zwingt, den Frieden auf Erden zu beschwören
oder die Hungersnot zu beweinen. Auch zerknitterte Zettelchen sind
dabei in unleserlicher Handschrift, ohne Umschlag heimlich
abgeschickt. Manchen Kindern ist es gelungen, auf diese Weise ihr
Eigenleben zu bewahren. Ein Bub bittet um ein paar Schuhe, die ihn
nicht drücken. Andere schildern nüchtern, dass ihnen die Mutter
fehlt, dass der Vater arbeitslos oder ständig weg ist. Es geht
durch alle sozialen Schichten. Kinder aus reichen Familien schreiben
oft Werbekataloge der Spielzeugindustrie ab. Andere bitten um ganz
persönliche und geheimste Geschenke, weit weg von dem, was im so
genannten Trend liegt.
Kleine Kinder können große Theologen sein. Sie
fragen glatt heraus: Gibt es dich wirklich, Gott, oder nicht? Wer
sorgt für Gerechtigkeit? Wem kann man noch trauen? Lucia schreibt:
"Gib mir ein kleines Zeichen, wenn es dich gibt, schick mir ein
Autogramm, es tut auch eine SMS, einfach so, dass ich ein bisschen
an dich glauben kann ..."
Dienstag, 29. November 2005
Warum
nicht Gedichte lesen in der Adventszeit? Gedichte sind wieder
"in". Vorbei die Zeit, wo Kinder sie in der Schule
auswendig lernen mussten, um sie dann aufzusagen bei mehr oder
weniger dubiosen Feierstunden. Wie wäre es mit einem Text von
Werner Schaube, sozusagen als Protest gegen den Adventsrummel?
"Mitten im Stress finde ein Gedicht, behalte
nur den Titel: Das Bündel Gottes. Könnte in den kommenden Wochen
ein Leitmotiv für mich werden: Das Bündel Gottes.
Ein
Bild. Spuren der Botschaft, dass der Himmel irdisch und die Erde
himmlisch ist." (Auszug)
Advent ist Zeit der Unruhe, ihrem Wesen nach. Advent
heißt Ankunft. Die alten Propheten haben sich von der Ankunft des
Messias eine Revolution erwartet.
Mein Lieblingsgedicht zur Adventzeit ist von Ernst
Jandl.
"machet auf den türel
machet auf den türel
dann kann herein das herrel
dann kann herein das herrel
froe weihnacht
froe weihnacht
und ich bin nur ein hund
froe weihnacht
froe weihnacht
und ich bin nur ein hund"
Was ich daraus lerne: Selbst ein Hund hat ein Recht
darauf, dass sein Herr kommt!
Mittwoch, 30. November 2005
Als Erfinder des Adventskranzes gilt ein gewisser
Pastor Wichern aus Hamburg. Er hatte ein Herz für milieugeschädigte
Jugendliche. Er hat für sie ein Heim gegründet, das "Raue
Haus". Auf die emotionale Seite wurde besonders geachtet. Tagtäglich
hat es Andachten in der Kirche gegeben. Ob sie nun fromm waren oder
nicht, die jungen Leute mussten daran teilnehmen. Aber es hat ihnen
gut getan, jedenfalls einigen von ihnen. In der Zeit vor
Weihnachten, wo die Nerven blank liegen und sich Sentimentalitäten
einstellen, hatte der Pastor einen ganz besonderen Einfall. Er legte
ein großes Kreuz flach und stellte Kerzen darauf. Täglich wurde
eine weitere angezündet. So wurde es – fast unmerklich – unter
den "rauen" Jugendlichen immer heller. Sie spürten, wie
das Licht unter ihnen zunahm. Die Botschaft von Gott, der die
Menschen aufsucht und allen – nicht nur den Guten - seine Liebe
schenkt, wurde nachvollziehbar.
Später wurde aus dem Kreuz ein Kranz, mit
Tannenreisig geschmückt. Die Zahl der Kerzen wurde auf vier
reduziert – und der Adventskranz war erfunden. Das war um 1900.
Anfangs gab es ihn ausschließlich in protestantischen Kreisen. Je
mehr dieser Brauch aber in die profane Öffentlichkeit gedrungen
ist, desto ökumenischer ist er geworden.
Donnerstag, 1. Dezember 2005
Der erste Adventskalender, den es zu kaufen gab -
vor hundert Jahren - bestand aus einem Karton, auf dem erbauliche
Sprüche standen. Darauf wurden an jedem Tag bunte Bilder geklebt -
und die Sprüche vorgelesen. Nicht allein um die Wartezeit zu verkürzen,
sondern besonders aus pädagogischen Gründen wurde der Dezember
eingeteilt in sich steigernde Phasen der Bravheit. Der Spruch durfte
nämlich erst überklebt werden, wenn das artige Kind ihn auswendig
konnte.
Einfacher sind die heutigen Adventkalender mit Türchen
zum Aufklappen und einem kleinen Bildchen als Überraschung
dahinter. Moderne Formen dieser vorweihnachtlichen Time-Planer
enthalten zielgruppengerechte Highlights für das bevorstehende Fest
der Liebe, wie Gummibärchen u. a. Lustbarkeiten. Ich versuche es in
diesem Jahr mit einem "Entwicklungspolitischen
Adventskalender". Evangelische Diakonie und Brot für Hungernde
haben einen solchen herausgegeben. Hinter den Türchen sind keine
bunten Bilder oder Glücksorakel. Dafür Informationen über
Projekte in aller Welt, die Menschen in Not helfen. Denn Geiz ist überhaupt
nicht geil. Aber spenden macht meistens froh!
Freitag, 2. Dezember 2005
Stellen Sie sich vor, Sie müssten eine Kugel mit
lauter Quadraten und Dreiecken so bedecken, dass die ganze Fläche
ausgefüllt ist. Tüftelei? Ein Mathematikprofessor hat's geschafft.
Auf die Kugel hat er insgesamt 25 Zacken gesetzt, größere und
kleinere. So ist ein Stern entstanden. Die Zacken sind mit buntem,
durchsichtigem Papier hinterlegt worden. In die Kugel wurde eine
brennende Kerze gestellt. Der ganze Stern hat von innen geleuchtet.
Das war Stimmung genug.
Ab 1900 wurde der Stern gewerbsmäßig hergestellt.
Die "Sternelein-Fabrik", wie sie hieß, lag in Herrnhut,
im Osten Deutschlands, an der polnischen Grenze. Zuerst wurde für
den Gebrauch in Wohnungen produziert. Später – im Großformat –
auch für Kirchen. Herrnhut ist Sitz der Herrnhuter Brüdergemeinde,
diese betreibt Schulen und Sozialwerke in aller Welt. Sie geben auch
das berühmte "Losungsbüchlein" heraus. Darin steht ein
Bibelwort für jeden Tag sozusagen als biblisches Häppchen für
gestresste Christen. Auch der "Herrnhuter Stern" wird dort
hergestellt. Er erinnert an den Stern von Bethlehem.
Und still verkündigt er seine Botschaft: Ihr
Christen sollt ein Licht sein für diese Welt!
Samstag, 3. Dezember 2005
Nikolaus war Bischof im nahen Orient und
Schutzheiliger der Seeleute. Auch ist er Schutzherr der Liebenden
und Heiratswilligen. Weil er auch als großer Kinderfreund gilt,
kommt er in den Geschichten um Weihnachten als Gabenbringer vor.
Stiefel wurden früher vor die Tür gestellt und sind am nächsten
Tag dann mit allerlei Süßem gefüllt gewesen. Am Abend kam
Nikolaus dann womöglich selbst noch auf Besuch. Schlimme Kinder
mussten mit Gabenentzug rechnen oder gar mit der Rute.
Weihnachtsmänner sind die Mutationen der Nikoläuse.
Sie tragen keine Mitra sondern eine Zipfelmütze. Und sie haben außer
pädagogischen auch noch andere Interessen. Das erste Mal ist ein
Weihnachtsmann in den 30er Jahren öffentlich bei einer
Werbeveranstaltung von Coca Cola in einer amerikanischen Kleinstadt
aufgetreten. Mittlerweilen sind die Weihnachtsmänner weltweit
organisiert. Sie haben auf ihrem Kongress unlängst beschlossen, ein
zweites Weihnachtsfest einzuführen, und zwar im Juli, damit sich
das Geschäft nicht nur auf die paar Tage im Dezember konzentriert.
Bei allen Vorzügen des einen und des anderen, ich
tausche gerne Nikolaus samt Weihnachtsmann gegen das Christkind. Es
ist mir einfach lieber. Auch wenn es dann erwachsen ist!
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