Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Prälat Balthasar Sieberer, Dompfarrer in der Stadt Salzburg

 

 

Sonntag, 4. Dezember 2005

Bereitet dem Herrn den Weg!

An diesem 2. Adventsonntag wird uns in der Tat ein Evangelium, eine gute Botschaft verkündet: Gott ist im Kommen. Wenn wir uns seiner Ankunft nicht verschließen, wenn wir ihm den Weg bereiten, wird Gott in unser Leben kommen. Und das hat verwandelnde Kraft. Er will in uns Mensch werden, damit wir ganz menschlich sein und handeln können. Unsere Wegbereitung muss nicht so spektakulär sein, wie bei Johannes dem Täufer. Es geht darum, alles aus dem Weg zu räumen, was zwischen uns und den Mitmenschen steht. Das kann sein: ein längst fälliges Wort der Versöhnung, eine spontane Hilfe, ein aufmunterndes Wort. Advent ist die Chance, uns und anderen die Begegnung mit IHM, dem Herrn, zu ermöglichen. Wo das geschieht, blüht Hoffnung auf, so verlässlich, wie ein Barbara-Zweig, den wir vielleicht heute in eine Vase geben.

 

 

Monatag, 5. Dezember 2005

Die Sehnsucht ist der Anfang von allem

Jenni hatte meist alles, was das Herz begehrte. Was sie noch nicht besaß, konnte sie sich kaufen. Doch eines Tages packte sie ein paar Kleinigkeiten in eine Tasche, blickte sich noch einmal um und sagte: „Ich habe alles, aber ich muss weg. Ich wünsche mir etwas, was ich nicht habe. Es muss im Leben noch mehr als alles geben.“ Jenni deckt ihre Sehnsucht nicht zu. Und das ist wichtig. Die Sehnsucht ist der Anfang von allem, meint Nelly Sachs. Die Sehnsucht lässt uns immer wieder aufbrechen zu den Mitmenschen und auch zu Gott. Wir Menschen müssen nur aufpassen, dass wir unsere maßlose Sehnsucht nicht an mäßigen Gütern festmachen. Denn unser Herz ist – so der Hl. Augustinus – unruhig, bis es ruht in Gott, der sich in unserer gottvergessenen Zeit manchmal in der Form der Sehnsucht in Erinnerung bringt.

 

 

Dienstag, 6. Dezember 2005

Nikolaus, benimm dich!

Benimm dich, Nikolaus! Diese Mahnung gilt nicht dem Heiligen des heutigen Tages. Ich möchte sie allen ins Stammbuch schreiben, die sich auf das Spiel vom Hl. Nikolaus einlassen. Dieser Heilige darf nicht zum Erziehungswauwau verkommen. Ein Auftritt des Hl. Nikolaus kann auch nicht ausbügeln, was das Jahr hindurch als Erziehungsarbeit versäumt wurde. Das Spiel vom Hl. Nikolaus soll etwas vom göttlichen Erbarmen verspüren lassen, das diesem Mann ein so großmütiges Herz geschenkt hat. Die Erzählungen, die sich um den Hl. Nikolaus und sein Leben ranken, spiegeln in der Gestalt dieses Bischofs das Erbarmen Gottes wider, von dem jede gute Gabe kommt. Nikolaus erscheint da, wo er gebraucht wird; er greift ein, wenn Unrecht geschieht; er hilft und rettet. Deshalb erinnern wir uns bis heute dankbar an ihn und preisen wir mit ihm Gottes Güte und Erbarmen.

 

 

Mittwoch, 7. Dezember 2005

Gottes Wort, eine süße adventliche Speise

Heute ist der Gedenktag des Hl. Ambrosius. Er war zunächst Statthalter für Oberitalien mit Sitz in Mailand. Das Volk liebte und achtete ihn, weil er Milde und Gerechtigkeit walten ließ. Noch als Taufbewerber wählten sie ihn zum Bischof. Als solcher wirkte er vor allem als großer Verkündiger und Verteidiger des Glaubens. Auch Augustinus kam unter seinem Einfluss zum Glauben.

Dargestellt wird der Hl. Ambrosius oft mit einem Bienenkorb, der für Fleiß und Gelehrsamkeit steht. Aber er erinnert auch an eine Legende: ein Bienenschwarm flog über die Wiege des Kindes und träufelte Honig in seinen Mund. Damit hätten ihm die Bienen die „honigsüße Sprache“ seiner späteren Schriften und Hymnen, besonders des „Ambrosianischen Lobgesangs“ vermittelt. Der 19. Psalm weiß zudem, dass Gottes Urteile wahr und gerecht sind und süßer als Honig aus Waben.

 

 

Donnerstag, 8. Dezember 2005

Maria, Vorbild des Christseins

Heute feiern wir das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter Maria. Maria gehört zu den beliebtesten Gestalten des Advents. In vielen Liedern besingen wir sie, aber das heutige Festgeheimnis scheint Maria weit von uns weg zu rücken. Was uns plagt, der Zusammenhang mit dem sündigen Adam, das fehlt ihr. Aber der Glaubenssatz von der Bewahrung Mariens vor der Erbsünde, will uns nur sagen, dass Maria ganz aus der Gnade Gottes lebt. Ihre Lauterkeit kommt nicht aus ihrer eigenen Güte, sondern aus Gott. Und so verkündet dieser Glaubenssatz die allzeit größere Güte Gottes, die auch uns gilt und uns mit Maria verbindet. Wir alle leben aus der Gnade Gottes. Und genau das feiern wir heute froh und dankbar. Maria ist hiermit Urbild und Vorbild jeder Christin und jedes Christen.

 

 

Freitag, 9. Dezember 2005

Gott ist im Kommen

Advent meint eine dreifache Ankunft Gottes: Das Kommen Gottes in diese Welt in Jesus Christus, das Kommen Gottes in unser Leben und das Kommen Gottes am Ende der Zeiten. Gott – so habe ich einmal gelesen - ist jener große Verrückte, der noch immer an den Menschen glaubt. Deshalb hat er in Jesus wie in einem Blitzlicht, einen Bruchteil der Geschichte gezeigt, was ein Mensch sein könnte. Und wenn Menschen sich glaubend, hoffend und liebend auf Gott einlassen, dann geschieht auch heute Wunderbares. Denn Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter. Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer. Und Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht.

 

 

Samstag, 10. Dezember 2005

Die Entdeckung der Langsamkeit

Am heutigen Adventsamstag möchte ich Sie die Entdeckung der Langsamkeit machen lassen. Ich verdanke diesen Gedanken einem Romantitel von Sten Nadolny. Es ist ein menschen-freundlicher Gedanke: langsamer leben zu wollen, sich eine Pause zu gönnen, aufmerksam zuzuhören oder weniger zu konsumieren. Der Hl. Ignatius meint: „Nicht das Vielwissen sättigt und befriedigt die Seele, sondern das Verspüren und Verkosten der Dinge von innen her.“

Die Geschichte eines alten Weisen drückt die Entdeckung der Langsamkeit so aus: Befragt nach dem Geheimnis seines Lebens meinte er. Ich sitze, wenn ich sitze, und stehe, wenn ich stehe, und gehe, wenn ich gehe. Darauf sagten die Frager: Das tun wir doch auch! Nein, sagte der Weise, das tut ihr nicht! Wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon, und wenn ihr steht, dann geht ihr schon, und wenn ihr geht, dann sitzt ihr schon wieder.