Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
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ORF Regionalradios

 

 

 

„Frauen auf dem Weg nach Bethlehem“

von Pfarrer Wilfried M. Blum

 

 

Sonntag, 18. Dezember 2005

Mit dem 4. Adventsonntag beginnen nun die letzten Tage vor dem Christfest. Vielleicht ist diese Zeit noch sehr von Unruhe geprägt, vielleicht macht sich doch schon Vorfreude bemerkbar. Wie auch immer die Situation ist, ich darf sie in diesen Tagen mit Frauen aus der Bibel begleiten.

 

Im Buch Exodus (Ex 1,15–20) sind die beiden Hebammen Schifra und Pua zu finden. Der König von Ägypten befiehlt ihnen, alle Buben der Hebräerinnen nach deren Geburt umzubringen. Sie aber achteten Gott und verweigerten diesen Befehl. Als der König sie zur Rede stellte, rechtfertigten sie sich mit einer listvollen Ausrede: „Wenn die Hebamme zu ihnen(zu den Hebräerinnen)  kommt, haben sie schon geboren.“ Und es heißt dann: „Gott verhalf den Hebammen zu Glück“.

 

Schifra und Pua sind zwei ausländische Frauen, die mit ihrem Glauben ernst machen. Gewaltlos, aber mit Schläue wehren sie sich gegen den todbringenden Befehl des Pharaos. Sie nützen dazu ihre Stellung als Hebammen aus.

 

Hier begegnen uns zwei couragierte Frauen, die sich gemeinsam für das Leben entscheiden und entsprechend handeln.  Gott sei Dank - Es gibt auch heute noch solche adventliche Frauen!

 

Montag, 19. Dezember 2005

Heute begleiten uns wieder biblische Frauen in den Tag: Sara und Hagar (Gen 21,9-13).  Die Geschichte Saras, der Frau Abrahams, und Hagars, seiner Magd, zeigt, wie Frauen die Freiräume ihres Handelns zielstrebig zu nutzen wissen. Beide ergreifen die Chance, die sich ihnen bietet. Allerdings geht es ihnen um Macht und Ansehen, auch um Eifersucht und Erbansprüche. Sara verlangt nämlich von Abraham, dass er seine Magd Hagar samt ihrem Sohn verstoßen soll.

 

Das Buch Genesis erzählt dann von der Vertreibung Hagars und dem beinahe Tod ihres Kindes. Doch Gott selbst ergreift die Initiative und rettet beide.

 

Wie so oft in der Heilsgeschichte wird deutlich: Gott schreibt auf krummen Zeilen gerade. Die Söhne der beiden Frauen wurden jeweils Väter eines großen Volkes:

Isaak zum Stammvater der Juden und Ismael zum Stammvater der Araber.

 

Advent heißt für mich auch: Wie die Geschichte der beiden Frauen Sara und Hagar das Leben mit allen Schattenseiten wahr und ernst zu nehmen. Gleichzeitig dürfen wir aus der Heilsgeschichte dankbar lernen, dass Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreibt.  Die Unheilsgeschichte erwies sich rückblickend oft als Geschichte des Heils. Eine adventliche Erfahrung!

 

 

Dienstag, 20. Dezember 2005

Auf dem Wegabschnitt nach Bethlehem begleiten uns heute zwei faszinierende Frauengestalten der Bibel, nämlich Rut und Noomi (Rut 1-4).

 

Die Witwe Noomi will in ihre Heimat Bethlehem zurückkehren. Sie fordert ihre Schwiegertöchter auf, zurück zu ihren Familien zu gehen. Die eine geht, die andere namens Rut aber erklärt, sie wolle bei ihr bleiben. So kommen Noomi und Rut nach Bethlehem. Dort lernt Rut den Gutsbesitzer Boas kennen. Dem Gesetz für einen rechtmäßigen Nachkommen verpflichtet heiratet Boas Rut und bekommt einen Sohn. Dieser wird der Vater Isais und Großvater Davids.

 

Obwohl Noomi ein gutes Verhältnis zu ihren Schwiegertöchtern hat und ihre Hilfe auch benötigt, ermutigt sie beide, ihren Weg selber (!) zu wählen.

"Wohin du gehst, dahin geh auch ich, und wo du bleibst, da bleib auch ich." So antwortet Rut aus Liebe zu ihrer Schwiegermutter. Die gute Beziehung zwischen der älteren und jungen Frau lässt Ruth solches sagen und so handeln. Diese Treue und gelebte Zuneigung tragen Segen.

 

Adventliche Menschen bemühen sich immer auch um ein gutes Verhältnis zwischen den Generationen. Diese Vorfahren Jesu ermutigen dazu.

 

 

Mittwoch, 21. Dezember 2005

Heute begleitet uns eine mutige Frau in den neuen, noch dunklen Tag. Ihr Name ist Ester (Buch). Sie ist eine jüdische Waise und lebte im 5. Jahrhundert vor Christus in Persien. Ester wird durch ihre Schönheit die Ehefrau des persischen Königs  Xerxes, des Ersten, der seine Ehefrau verstoßen hatte. Esters Schönheit, Klugheit und Fürsprache gelingt es, das Unheil von ihrem jüdischen Volk abzuwenden. Die Feinde hingegen werden vernichtet. Auf diese Errettung geht wahrscheinlich das Purimfest zurück, das große Versöhnungsfest der Juden.

 

Die Quelle, aus der Ester Kraft für ihr tapferes und kluges Verhalten schöpft, ist Fasten und Beten. Sie vertraut in ihrer Situation ganz auf Gott. Sie legt ihr Leben ungeschminkt offen, erinnert sich seiner Treue und überlässt Gott letztlich auch alle Rachegedanken. Ihr Glaube macht Ester stark und mutig.

 

In der ganzen Ester-Geschichte gibt es keine direkte Anrede durch Gott.  Dieser spricht allein durch die alltäglichen Ereignisse und Zufälligkeiten.

 

Adventliche Menschen können von dieser beeindruckenden Ester lernen, dass Gott sich auch in unserem Leben offenbart – nicht schrill und laut, meist ganz unauffällig, helfend und rettend.

 

 

Donnerstag, 22. Dezember 2005

Noch viele Frauen tragen ihren Namen, nämlich: Elisabeth. Nicht jene Heilige der Nächstenliebe aus Thüringen, sondern die Mutter des Johannes des Täufers. Sie ist heute unsere Wegbegleiterin nach Bethlehem.

 

Elisabeth stammte aus dem Priestergeschlecht Aarons. Sie war verheiratet mit dem Priester Zacharias und verwandt mit Maria, der Mutter Jesu. Doch diese Ehe war kinderlos geblieben. Das galt damals als Zeichen, dass Gott sich von einem Menschen abgewandt hatte. Doch dann geschah es: Der Engel Gabriel erschien ihrem Mann Zacharias beim Tempeldienst und prophezeite ihm einen Sohn (Lk1,5-20). Die Geburt dieses Sohnes erlebte Elisabeth als Gnade und wie ein Wunder ähnlich jenem, das Sara, die Frau Abrahams, mehr als tausend Jahre zuvor erleben durfte, nämlich, als sie in hohem Alter den Sohn Isaak geboren hatte.

 

So wurde Elisabeth die Mutter von Johannes dem Täufer, den wir als Bußprediger am Jordan und als Wegbereiter für den Messias kennen.

 

Adventliche Menschen – egal welcher gesellschaftlicher oder kirchlicher Stellung - zeichnen sich durch eine innere Haltung der Offenheit und Hoffnung aus, dass für Gott kein Ding unmöglich ist. Eine solche Grundgesinnung bringt  immer neues Leben hervor.

 

 

Freitag, 23. Dezember 2005

Sehr vertraut ist uns unterwegs nach Bethlehem eine Frau, die vor allem in der Heilsgeschichte und in der katholischen Tradition einen besonderen Platz „genießt“: Maria, die Mutter Jesu.

 

War es gestern Elisabeth, die trotz ihres Alters wunderbar noch neues Leben schenken durfte, so ist es heute das sehr junge Mädchen aus den Bergen Galiläas. Sie ließ sich von Gott überraschen ließ und hat sich ihm trotz ihrer Bedenken zur Verfügung gestellt. In der Guten Nachricht  wird es so übersetzt: »Ich gehöre dem Herrn, ich stehe ihm ganz zur Verfügung. Es soll an mir geschehen, was du gesagt hast.« (Lk1,38 GN).

 

Gott ist immer für Überraschungen gut – die Heilsgeschichte ist dafür voller Beispiele.

Maria ist die adventliche Frau:

- Sie lässt sich mitten in ihrem Alltag vom Ruf Gottes ansprechen.

- Ihr Vertrauen in die Führung Gottes überwiegt letztlich ihre Skepsis und Angst.

- Sie ist offen für das, was an ihr geschieht, weil sie ganz tief überzeugt ist: Gott mutet nur Zumutbares zu!

 

Adventliche Menschen tun, was menschenmöglich ist, bleiben aber offen und verfügbar für alles, was Gott ihnen zumutet.

 

 

Samstag, 24. Dezember 2005

Heute am 24. Dezember finden wir im Kalender den Gedenktag von Adam und Eva, den „Ureltern der Menschheit“ (Gen 1-2). Im Laufe der Geschichte wurde vor allem Eva oft eine undankbare Rolle aufgezwungen: als die erotische Verführerin und später als Gegenüber zu Maria, „der neuen Eva“.

 

Der Name Eva leitet sich aus dem Hebräischen ab und kann übersetzt werden mit:

„Die das Leben Schenkende“. Als solche wird sie die Urmutter genannt – nicht im biologischen, sondern im theologischen Sinne.

 

An dem Tag, an dem dieser biblischen Frau gedacht wird, feiern heute die Christen das Geheimnis der Menschwerdung Gottes – in Erinnerung daran, dass Maria Jesus geboren hat. Gottes Sehnsucht und Liebe wollen Leben und Heil schenken. Wir Menschen liegen Gott am Herzen. Er will nichts anderes, als uns aus der Dunkelheit und den unheilvollen Verstrickungen im Leben und in der Welt herausholen.

 

Heute endet der Advent. Nur noch ein paar Schritte trennen uns von der Krippe.

Ich wünsche allen heute Nacht, dass Gott in ihr Leben hineingeboren wird, damit viel Hoffnung und tiefes Vertrauen daraus erwächst, damit sie Leben schenkende Menschen werden – wie Eva.