Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Superintendentin Luise Müller
Sonntag, 22.1.2006
Kinder gehören zur Kirche wie das Amen zum Gebet. Und das eigentlich von
Anfang ihres Lebens an. Für viele kleine Menschen ist auch heute
noch die erste Begegnung mit der Kirche die Taufe. Auch wenn längst
nicht mehr alle Säuglinge getauft werden: viele Eltern tun sich und
ihren Kindern dieses Gute und bringen sie bald einmal zur Taufe.
Warum? Die Gründe mögen vielfältig sein, aber immer wieder höre
ich bei Taufgesprächen das, wovon auch ich zutiefst überzeugt bin:
dass es gut tut, in diesem Sakrament bestätigt zu bekommen, dass
Gott mit diesem ganz speziellen
Menschen mitgehen will. Dass er dieses kleine Wesen liebt, längst
bevor es bewusst selbst lieben kann.
Für mich als Mutter war dieses Wissen entlastend: mein Kind ist nicht
nur auf seine Eltern angewiesen, nein, Gott ist auf alle Fälle auch
da. Ich kann ihn um etwas bitten in Bezug auf mein Kind, ich kann
meine Sorgen bei ihm abladen, ich kann meinen Dank mit ihm teilen.
Und die Kirche? Die christliche Gemeinde als Zeuge der Taufe gibt ein
Versprechen ab: auch sie ist für das Kind da: mit Rat für die
Eltern, mit Orten zum Gespräch, mit ganz besonderen Gottesdiensten,
auch schon für die ganz Kleinen. Kinder gehören zur Kirche wie das
Amen zum Gebet.
Montag, 23.1.2006
Kinder gehören zur Kirche wie das Amen zum Gebet. Manch einer glaubt das
nicht. Und er oder sie schaut dann strafend, wenn so ein Menschlein
im Gottesdienst kommentiert, was die Pfarrerin vorne sagt, mitsingt,
wenn die Orgel spielt oder in die Stille des Gebets hinein den Papa
fragt, wann es denn nun endlich aus sei. Kinder können im
Gottesdienst auch stören, das will ich gar nicht bestreiten. Aber
stellen wir uns doch nur mal vor, was wäre, wenn es keine Kinder
mehr in der Kirche gäbe. Wir wären wahrhaft arm dran und die
Kinder auch.
Es tut Kindern gut, wenn sie einen Zugang zum christlichen Glauben
bekommen. Wenn Sorge nicht nur für ihre äußere Entwicklung
getragen wird, sondern auch für ihre religiöse Entfaltung. Kinder
gewinnen viel Sicherheit durch das Geborgensein in einer liebevollen
Gottesbeziehung.
Auf der anderen Seite brauchen Gemeinden aber auch dringend Kinder: weil
sie eine heilsame Unruhe hineinbringen, weil sie in Frage stellen,
wo wir nie drauf kämen, weil sie Leben in ganz unbekümmerter Art
leben. Weil sie uns zeigen können: du brauchst keine Scheu zu haben
im Umgang mit Gott. Du kannst dich ihm nähern, so wie du bist, mit
deinem Unverstand, mit deiner Unbekümmertheit, mit deiner
Begeisterung. Nicht umsonst hat Jesus gesagt: wenn ihr nicht werdet
wie die Kinder werdet ihr nicht ins Reich Gottes kommen.
Dienstag, 24.1.2006
Kinder gehören zur Kirche wie das Amen zum Gebet. Deswegen gibt es in
den evangelischen Pfarrgemeinden auch besondere Gottesdienste schon
für die ganz Kleinen. Putzerlgottesdienste oder
Krabbelgottesdienste werden sie genannt. Zu
ihren Besonderheiten gehört es, dass die Hauptzielgruppe der
Gottesdienstbesucher sich gern auf allen Vieren fortbewegt, dass Stürze
durch gut gepolsterte Windelpopos abgefangen werden, dass die
Erwachsenen Zaungäste sind und nicht Ehrengäste.
Solche Gottesdienste sind eine Herausforderung für die, die sie
vorbereiten. Etwas über Gott zu sagen, was schon ganz Kleine
verstehen oder empfinden können, ist nicht so einfach. Glauben
kindgerecht zu erläutern ist eine Kunst.
Wann immer ich zu Gast in so einem Gottesdienst war, war ich begeistert.
Wenn das Einfache nicht primitiv wird, wenn das Schwere des Glaubens
leicht und trotzdem richtig gesagt wird, wenn Lieder und Gebete
speziell und sorgfältig für ganz Kleine ausgewählt werden, dann
geht meistens auch den Erwachsenen das Herz auf. Da wächst meist
die Sehnsucht, sich noch mal ganz unbekümmert Gott nähern zu können,
wie Kindern das so oft gelingt. Da gehen Eltern, Großeltern und
Kinder anschließend mit einem Lächeln auf der Seele heim.
Mittwoch, 25.1.2006
Kinder gehören zur Kirche wie das Amen zum Gebet. Und deswegen gibt es
auch in jeder Gemeinde Kinderarbeit. Nein, da müssen Kinder nicht
im Akkord Teppich knüpfen oder Steine behauen. Kinderarbeit in der
Kirche, das meint Kindergruppen, Kindergottesdienste, Freizeiten,
Krippenspiele, Kinderbibelwochen und vieles mehr.
Donnerstag, 26.1.2006
Kinder gehören zur Kirche wie das Amen zum Gebet. Bei den vielerlei
Verbindungen zwischen Kindern und Kirche gibt es eine, bei der noch
ein dritter im Bunde ist: die Schule. Der Religionsunterricht ist
dieser Ort. Denn die Kirche hat nicht nur die Aufgabe, das Wort
Gottes zu verkündigen, sie hat auch einen Bildungsauftrag. Glaube
und Bildung, so meinen wir, gehören untrennbar zusammen. Der
Glauben, den wir einem Erwachsenen wünschen, ist kein blindes „Für
wahr“ halten, sondern ein emanzipiertes Umgehen mit den
Glaubenswahrheiten, in dem auch Fragen und Zweifel ihren
berechtigten Platz haben. Ein solches Umgehen mit dem Wort Gottes
muss natürlich bereits in der Kindheit und Jugend geschult werden.
Die Welt, in der sich unsere Kinder zurechtfinden müssen, wird immer
schwieriger. Da entstehen leicht Angstgefühle,
Machtlosigkeitsempfinden, Unsicherheit. Was die evangelische Kirche
in dieser Unsicherheit anbietet ist Orientierung, aber auch Schulung
zur Dialogfähigkeit und Toleranz. Was im Religionsunterricht keinen
Platz hat, sind fundamentalistische Wahrheiten, sind Drohungen und
Einschüchterung. Die Botschaft von der Liebe Gottes hat auch bei
dem, was wir in der Schule sagen, oberste Priorität.
Freitag, 27.1.2006
Kinder gehören zur Kirche wie das Amen zum Gebet. Und wenn sie anfangen,
den Kinderschuhen zu entwachsen, dann möchten wir auch für sie da
sein. Zugegebenermaßen ist das nicht so einfach. Ein Ort, an dem
wir das immer wieder bestätigt bekommen ist der
Konfirmandenunterricht.
In der Regel besuchen 13jährige diesen außerschulischen Unterricht. Und
die Frage, die sich Jahr für Jahr neu stellt, lautet: wie kann
Kirche für Konfirmanden so vorgestellt, so inszeniert werden, dass
sie nicht von vornherein als langweilig, als etwas Unzeitgemäßes
abgetan wird. Darüber schwitzen die Verantwortlichen je mehr, je älter
sie werden. Manchmal gelingt es uns nicht, die Träume, Sehnsüchte
und Wünsche der Jugendlichen so zu thematisieren, dass wir Stoff
zum Nachdenken und Grundlagen für einen besseren Alltag schaffen.
Viele Jugendliche erleben, dass sich das, was sie sich zutiefst wünschen,
nicht kaufen lässt, auch wenn die Werbung das glauben lassen möchte.
Die Jeans in einer bestimmten Marke schaffen noch nicht automatisch
das Ansehen, das man so gerne hätte. Und die großen Verheißungen
erfüllen sich nicht, indem die Taschengelderhöhung sofort in
Computerspiele umgesetzt wird.
Vielleicht reicht es manchmal schon, einen Diskussionsraum zu schaffen,
in dem auch die Enttäuschungen, die falschen Entscheidungen und die
ganzen Unsicherheiten zur Sprache kommen können.
Samstag, 28.1.2006
Kinder gehören zur Kirche wie das Amen zum Gebet. Ein wichtiger Teil
kirchlicher Arbeit mit Kindern sind die Angebote, die wir für die
Ferien machen. Ich habe es immer sehr bedauert, dass meine Kinder
sich diesen Freizeiten entzogen haben. Dabei wäre es
Abenteuerurlaub pur gewesen. Auf der Burg Finstergrün, als Ritter
oder Burgfräulein ein paar abenteuerliche Tage mit anderen Kindern
zu verbringen, das fanden viele gleichaltrige Freunde unserer Kinder
super. Auf alle Fälle viel interessanter, als mit den Eltern im
Urlaub durch Kirchen und Museen zu pilgern. Unsere Kinder machten
lieber das Erwachsenenprogramm mit, allerdings nicht ohne sich
hinterher jedes Mal zu beschweren, dass es langweilig gewesen sei.
Manchmal wollen Kinder einfach nicht so, wie wir Eltern wollen. Das ist
bei Pfarrerskindern nicht anders. Unsere Kinder haben in der Kirche
geschlafen, haben beim Kindergottesdienst gestreikt, haben nach der
Konfirmation eine Erholungspause von der Kirche eingelegt. Kinder
gehören zur Kirche wie das Amen zum Gebet. Das ist meine Überzeugung,
die sich aber nicht immer mit der Meinung meiner Kinder deckte.
Manchmal bin ich mit meinen Vorstellungen einfach gescheitert. Dann
blieb mir nichts anderes übrig, als es das nächste Mal wieder zu
versuchen und mein streikendes Kind in der Zwischenzeit trotzdem in
Gottes Liebe geborgen zu wissen.
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