Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Generalvikar Jakob Bürgler
Sonntag,
29. Jänner 2006
Manchmal denke ich mir, wir leben in einer Zeit der
Wort-Flut. Worte über Worte. Tagaus, tagein. Unzählbar die Worte,
die jeden Tag an unser Ohr dringen. Oder sich in uns hineindrängen.
Ganz anders dagegen ein Wort, das wie ein roter Faden den Tag
begleitet. Ein Leit-Wort. Ein guter Gedanke.
Ich möchte Ihnen in dieser Woche an jedem Tag ein
solches Wort mitgeben. Ein Wort, das sie durch den Tag begleiten
soll.
Von Franz von Assisi stammt der Ausspruch: „Gott
ist die Freude. Darum hat er die Sonne vor sein Haus gestellt.“
Wir spüren es am eigenen Leib: Die Sonne tut uns
wohl. Sie schenkt Wärme. Leben. Aufleben. Besonders jetzt, wenn der
Tag wieder länger wird und die Kraft der Sonne zunimmt. Viele
Menschen spüren das. Sie leben auf. Sie spüren, wie die Freude wächst.
Die Freude an dieser Welt und die Freude am Leben. Gott hat die
Sonne vor sein Haus gestellt. Gott ist ein Gott, der Freude schenkt.
Ich wünsche Ihnen einen Sonntag, der seinem Namen
gerecht wird: Einen Sonnentag, der von Gott her Freude schenkt.
Montag,
30. Jänner 2006
In dieser Woche möchte
ich Ihnen jeden Tag ein Wort mitgeben. Ein Wort, das wohl tut. Einen
guten Gedanken. Dieses Wort soll sie begleiten. Dieses Wort soll
Ihnen helfen, damit der Tag gut wird.
„Nichts kann gleichzeitig hastig UND klug erledigt
werden.“ So hat es Publius Syrus einmal ausgedrückt. Nichts kann
gleichzeitig hastig UND klug erledigt werden.
Wir starten in eine neue Arbeitswoche. Der Montag
ist für viele Menschen kein einfacher Tag. Nach Stunden der
Erholung und der Erneuerung heißt es wieder, sich in die Arbeit zu
„werfen“. Und der Druck steigt. Die Hast. Für manche die Plage.
Was wartet alles auf mich? Was wird mich bedrängen? Was muss ich
unbedingt erledigen? Was wäre besser gestern schon als heute getan?
Auf der Arbeit oder auch daheim.
Wer sich drängen lässt, wird deshalb nicht
erfolgreicher sein. Oder besser. Letztlich wird er auch nicht mehr
leisten können. Gute Arbeit setzt innere Ruhe voraus. Ein gutes Maß
an Gelassenheit. Überlegung. Planung.
Hast und Klugheit vertragen sich nicht. Ich wünsche
Ihnen, dass sie die Dinge dieses Tages mit Klugheit und innerer Ruhe
bewältigen können.
Dienstag,
31. Jänner 2006
Ich möchte Ihnen wie schon in den vergangenen Tagen
auch heute ein Wort mit in den Tag geben. Ein Wort, das sie
begleiten soll. Ein Leit-Wort für den Tag.
Von einem unbekannten Autor stammt der Gedanke:
„Wie du im Herzen bist, so zeigst du dich in deinen Worten.“
Hinter diesem Gedanken liegt die Erfahrung, dass jeder Mensch eine
Außenseite hat und eine Innenseite. Eine sichtbare Seite und eine
unsichtbare. Eine greifbare und eine, die von Innen her das Leben prägt.
Und dass die beiden Seiten zusammenhängen.
Vielleicht einander spiegeln. Zumindest einander beeinflussen. Das,
was innen ist, wird nach außen sichtbar. Das, was in meinem Herzen
wohnt, erfahren die anderen in dem, wie ich handle, wie ich bin.
Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, dass die
beiden Seiten auseinanderklaffen. „Außen hui und innen pfui.“
Aber auch da ist es so: Die Außenseite und die Innenseite hängen
zusammen. „Wie du im Herzen bist, so zeigst du dich in deinen
Worten.“
Eine kleine Übung für den heutigen Tag: Ich
beobachte meine Worte, mein Reden. Was ich sage und wie ich etwas
sage. Und ich schaue auf mein Herz.
Mittwoch,
1. Februar 2006
„Wir können den Wind nicht dirigieren, aber wir können
die Segel anpassen.“ Dieses Wort stammt von Sigmund Graff.
Manches im Leben passt uns nicht. Es plagt uns oder
ärgert uns. Manches im Leben ist uns lästig. Oder es stört uns.
Beispiele dafür gibt es genug: Ein Nachbar, der nervt. Eine
Freundin, die mich beleidigt hat. Ein Kind, das sich einfach nicht
ändert. Ein Familienmitglied, das immer den gleichen Fehler macht.
Wir möchten den anderen ändern, aber es geht nicht.
Und auch bei den Lebensbedingungen ist es so. Wir
sind eingebunden in Tatsachen, die wir nicht beeinflussen können.
Der eintönige Alltag. Krankheit und Alter. Ein Schicksalsschlag,
der uns ereilt hat. Schwermut und Zukunftsangst.
Das, was unser Leben in vielem ausmacht, ist wie der
Wind, der einfach da ist. Der bläst, wie er will. Der nicht zu
beeinflussen ist. Wir sind ihm ausgeliefert. Aber wir sind es nicht
ganz: Wir müssen nicht nur tun, was der Wind will. Wir haben Segel
auf dem Boot unseres Lebens. Und wie wir die Segel setzen, das ist
unsere Sache. Am heutigen Tag will ich versuchen, mit einem anderen
Blick auf mein Leben zu schauen.
Donnerstag,
2. Februar 2006
Es ist gut, mit einem sinnvollen Gedanken in den Tag
zu gehen. Es ist gut, ein Wort zu haben wie einen Begleiter durch
den Tag. Otto von Bismarck hat gesagt: „Das Vertrauen ist eine
zarte Pflanze. Ist es zerstört, so kommt es sobald nicht mehr
wieder.“
Aus der psychologischen Forschung wissen wir, dass
das Vertrauen am Beginn des menschlichen Lebens etwas ganz
Entscheidendes ist. Die Fachleute sprechen vom Urvertrauen. Wenn ein
Kind im Mutterleib oder in der ersten Lebensphase dieses Vertrauen
nicht erfährt, wenn sein Bedürfnis nach Sicherheit und
Geborgenheit ungestillt bleibt, dann geschieht eine Verwundung für
das ganze Leben.
Und auch unter Erwachsenen ist das Vertrauen wie
eine zarte Pflanze. Wenn ich verletzt werde von einem Menschen, der
mir viel bedeutet, wenn ich enttäuscht werde von einem, dem ich wie
blind vertraue, dann erschüttert das mein Innerstes. Und es
verwundet mich in der Tiefe meines Herzens.
Vertrauen ist eine kostbare Sache. Ein unbezahlbares
Gut. Kostbar und doch so zerbrechlich. Zerbrechlich wie eine kleine,
verletzliche Pflanze. Am heutigen Tag will ich die Pflanze des
Vertrauens ganz zärtlich in meinen Händen tragen.
Freitag,
3. Februar 2006
Mit einem Sprichwort aus Russland will ich Sie in
den heutigen Tag begleiten. Mit einem Sprichwort, das dem Tag eine
Farbe und ein Gesicht geben will. „Ein einziges gutes Wort ist stärker
als ein Eichenknüppel.“
Wir erleben es in diesen Tagen wieder hautnah:
Regierungen aus allen Teilen der Erde setzen auf Gewalt. Auf militärische
Gewalt. Auf Drohung und Bedrohung. Wer dreinschlagen kann, wer auf
andere mit dem Panzer der Unverletzlichkeit zugehen kann, der hat
gewonnen.
Auch in unserem alltäglichen Leben, in Schule und
Gesellschaft, scheinen Aggression und Gewalt zuzunehmen. Im
Fernsehen gehören Szenen des Zuschlagens und der gewaltvollen
Konfliktbereinigung zur täglichen Kost.
Ganz anders der Gedanke aus Russland: Ein einziges
gutes Wort ist stärker als ein Eichenknüppel. Stimmt dieses Wort?
Ist das gute und wohlwollende Wort, der Dialog, die Suche nach einem
friedlichen Miteinander nicht in Wirklichkeit das Eingeständnis der
eigenen Schwäche?
Nein. Ein gutes Wort kann einen Menschen verändern.
Gewalt löst nur Gegengewalt aus. Wenn auf den ersten Blick der Knüppel
auch siegt, auf den zweiten Blick ist er ein Zeichen der
Schwäche.
Samstag,
4. Februar 2006
In dieser vergangenen Woche habe ich Ihnen an
jedem Tag ein Wort mitgegeben. Ein Leit-Wort für den Tag. So will
ich es auch heute tun. Paul Hörbiger soll einmal gesagt haben:
„Erholung besteht nicht im Nichtstun, sondern in dem, was wir
sonst nicht tun.“
Eines scheint unser Leben derzeit tief zu prägen:
die Erfahrung der Überforderung. Die Erfahrung, an die eigenen
Grenzen zu kommen. Es fast nicht mehr zu schaffen. Viele Menschen fühlen
sich belastet. Oft genug auch überlastet. Die Herausforderungen des
Lebens liegen wie ein Stein auf ihren Schultern.
Und deshalb wächst auch das Bedürfnis nach
Erholung. Das Bedürfnis, einmal auszubrechen aus dieser Erfahrung
von Last. Menschen schreien heute geradezu nach Erholung. Im Urlaub,
im Wellnessbereich einer Therme, in der Möglichkeit, einmal lange
zu schlafen.
Erholung besteht nicht im Nichtstun, sondern in dem,
was wir sonst nicht tun. Heute ist Samstag. Für viele ein Tag der
Erholung. Ich wünsche Ihnen, dass sie heute etwas tun können, was
Ihnen an Leib und Seele gut tut. Vielleicht ist es ja auch ein
kurzer Besuch, ein Verweilen in einer Kirche.
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