Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Mag. Klaudia Achleitner

 

 

Sonntag, 26. 2. 2006

Das war neulich toll! Richtig super! Diese Unbeschwertheit! Diese Leichtigkeit! Einfach mit dem Schlitten durch die Nacht sausen. Über uns waren der sternenklare Himmel und der Vollmond. Die Bäume flogen nur so an uns vorbei. „Schneller, schneller!“, rief unsere kleine Tochter. Diese Freude an der Geschwindigkeit hat sich sofort auf mich übertragen.

Selten sind inzwischen die Momente geworden, in denen ich einmal alles hinter mir lassen kann. Der Fahrtwind hat für den Augenblick einfach alles weggeblasen. Aus dem Sinn ist der Alltag mit all seinen Ritualen. Alle Verpflichtungen und Sorgen sind in weite Ferne gerückt. Die Schultern sind wieder beweglich, weil jede Last abgefallen ist. Der Kopf ist klar und der Bauch rumort nicht mehr. Manchmal brauche ich diese Unbeschwertheit, besonders wenn die Gedanken immer enger und enger um gewisse Dinge kreisen und einem schon fast die Luft zum Atmen nehmen. Der frische Wind bläst viel Staub weg und legt vieles frei. Es ist wie ein Staunen über das Wunder des eigenen Lebens.

Mit dem Schlitten unten angekommen, hoffe ich, dieses Gefühl der Unbeschwertheit und diese Lebensfreude mitnehmen zu können in die nächsten Tage und Wochen.

 

 

Montag, 27. 2. 2006

Hin und wieder genieße ich die Zeit, unserer kleinen Tochter beim Spielen zuzuschauen. Wie sie zum Beispiel in ihrer Küche hantiert, Suppe kocht mit Fleisch und Ei oder für ihre Puppen und Bären den Tisch deckt. Jeder bekommt einen Teller und ein Besteck. Dann beginnt sie alle zu füttern. Abwechselnd spricht sie dabei mit jedem ein paar Worte. Dabei ist unsere Tochter ganz in ihrem Spiel drinnen - für sie ist es wirklich.

Ich könnte da stundenlang zuschauen – so fasziniert bin ich, wie sie mit Leib und Seele spielt. Dieses bei einer Sache bleiben können und dann erst zur nächsten überzugehen, halte ich für eine große Kunst. Wenn ich zum Beispiel den Kindern in der Früh Jausenbrote streiche, zwischendurch versuche selbst zu frühstücken, während ich mit den Kindern den Tag besprechen möchte und dann auch noch Nachrichten hören will. Spätestens jetzt ist die Situation stressig. Die Kunst besteht für mich darin, den Dingen, die ich erledigen muss eine Reihenfolge zu geben und eines nach dem anderen zu tun. Ich kann dann einen Tag viel zufriedener genießen.

Ganz versunken in meinen Gedanken stehe ich da und beobachte unsere puppenfütternde Tochter. Plötzlich sieht sie mich und fragt mich: „Mama, willst du auch essen?“

 

 

Dienstag, 28. 2. 2006

Hui, bei uns geht es heute drunter und drüber. Hinter der Ecke springt plötzlich ein wilder Pirat hervor. Dicht gefolgt von einer schönen Prinzessin und einer frechen Maus. Kurze Zeit später sausen dann ein johlender Cowboy, eine sommersprossige Pippi Langstrumpf und eine sanfte Indianerin durchs Haus. Die Faschingskiste wurde geplündert und das Verkleidungs- und Schminkfieber ist ausgebrochen.

Ich bin immer wieder begeistert, mit welcher Freude sich Kinder verkleiden. Sie fühlen sich total wohl in diesen fremden Rollen. Während sie dann Cowboy, Pippi oder Prinzessin sind, gehen sie ganz in ihrer Maskerade auf. Irgendwann auf dem Weg zum Erwachsenwerden geht uns dann dieser Verkleidungsspaß meist verloren. Es taucht immer öfter die Frage auf, warum ich mich denn überhaupt verkleiden soll. Ich kann doch auch so lustig sein. Dabei sollte ich gerade im Fasching einmal die Chance nützen, meine Masken fallen zu lassen. Ich kann mich für kurze Zeit von Verhaltensweisen befreien, die ich mir durch meine Aufgaben in Beruf und Freizeit angeeignet habe. Mit meiner frei gewählten Verkleidung kann ich den anderen zeigen: schaut einmal, so bin ich auch! Auf diese Weise kann ich meine verborgenen Seiten verstärken und in den Vordergrund rücken. In diesem Sinne einen fröhlichen Fasching!

 

 

Mittwoch, 1. 3. 2006

 „Ich dreh mich her, ich dreh hin, möchte wissen wer ich bin.“, sagt das „kleine Ich-bin-ich“. Dieses Buch gehört zu den Lieblingsgeschichten unserer Kinder. Es ist immer wieder spannend mitzuerleben, wie dieses kleine Wesen sich auf den Weg durch seine Welt macht, um herauszufinden wer es eigentlich ist.

Und wer bin ich, habe ich mich dann gefragt. Als Frau nehme ich viele Rollen wahr: Mutter, Ehefrau, Tochter, Hausfrau, Freundin, Nachbarin und vieles mehr. Werde ich diesen Aufgaben gerecht? Fülle ich sie richtig aus? Oft treffe ich andere Frauen, die auch Mütter, Ehefrauen usw. sind. In Gesprächen und gemeinsamen Treffen stellen wir dann meist ähnliche Verhaltensweisen und Auffassungen fest. Doch im Letzten gleicht keine der anderen, weil immer die persönliche Note dazukommt. Mir geht es darum, herauszufinden was mich als Frau zur Mutter, Ehefrau, Hausfrau usw. macht. Es geht mir auch darum herauszufinden, wer ich ohne meine Rollen bin. Also, bin ich schon so weit zu sagen: „Ich bin ich“ in all meinen Rollen und auch ohne meine Rollen? Vielleicht ist der Aschermittwoch und die beginnende Fastenzeit die passende Zeit eine Antwort zu suchen auf die Frage nach dem Ich bin Ich in meinem Leben.

 

Donnerstag, 2. 3. 2006

 „Mama, machen wir heute einen Radlausflug zur Salzach?“ Oh ja, das ist eine gute Idee. Schnell ist die Jause eingepackt und auch etwas Zeitungspapier, um ein Lagerfeuer anzuzünden. Dort auf der Sandbank sind wir dann stundenlang beschäftigt mit Holz sammeln, Feuer machen, Staumauer bzw. Staubecken bauen an dem kleinen Bach, der an dieser Stelle in die Salzach rinnt.

Einfach leben, um einfach zu leben. Das ist ein Grundgedanke, der für mich in letzter Zeit immer wichtiger geworden ist. Was kann das heißen, einfach zu leben in einer Zeit, in der ständig Angebote auf mich niederprasseln, die mir ein angenehmes, sorgenfreies, unkompliziertes Leben einreden wollen? Einfach leben ist oft gar nicht so leicht. Immer wieder muss ich Entscheidungen darüber treffen, was brauche ich und was nicht. Glück und Zufriedenheit hängen nicht davon ab, wie viele Dinge ich besitze oder wie aufwändig ich meinen Lebensstil gestalte. Glück und Zufriedenheit stellen sich vielmehr ein, wenn ich mit meiner Lebensfreude mich und andere immer wieder anstecke, wenn ich einfach lebe und es die anderen spüren lasse.

 

 

Freitag, 3. 3. 2006

Unser Sohn hat in der Schule einen türkischen Freund. Vor kurzem kam er freudestrahlend nach Hause und hat mir schon bei der Tür erzählt, dass er eine Einladung zur Geburtstagsfeier dieses Freundes hat. Er wusste auch sofort was er ihm schenken wollte. Das haben wir dann besorgt und gemeinsam eingepackt. Und dann läutete bei uns das Telefon. Die Mutter eines anderen Schulkollegen erkundigte sich, ob mein Sohn schon zu dieser Geburtstagsfeier gehen darf. Sie sagt: Sie kennt die Leute nämlich nicht und will eigentlich auch nichts mit ihnen zu tun haben. Am Ende dieses Telefongesprächs war dann allerdings klar, dass ihr Sohn auch zu dieser Geburtstagsfeier gehen darf. Weil diese Geburtstagsfeier verlief sozusagen ganz normal. So wie bei uns und unseren Kindern. mit Geburtstagstorte und gemeinsamen Spielen. Und dann noch Würstel essen. Und die Kinder konnten dabei auch hineinschnuppern in die fremden Sitten und Gebräuche. Sie konnten sich gegenseitig besser kennen lernen. Und dabei auch entdecken, dass die Verschiedenartigkeit eine Freundschaft gar nicht behindert. Und durch dieses gemeinsame Erleben ist auch Sicherheit entstanden im Umgang miteinander und die Ängste  konnten abgebaut werden. Ich finde, dass der Kontakt mit ausländischen Menschen, die bei uns leben, weder unsere Kultur noch ihre bedroht. Und dass der Austausch dieser Kulturen immer eine Bereicherung für uns alle ist.

 

 

Samstag, 4. 3. 2006

Ich erinnere mich an einen schönen Wintertag im Gebirge. Das Tal liegt noch im Schatten. Rund um auf den Bergspitzen scheint schon die Sonne. Der Himmel ist postkartenblau. Manche Menschen warten, dass die Sonne zu ihnen ins Tal kommt. Alle anderen, denen es zeitlich möglich ist, fahren oder gehen ihr entgegen.

Das schattige Tal ist für mich das Symbol eines Zustandes, in dem sich Menschen in bestimmten Situationen befinden können. Der Verlust des Ehepartners, eines Angehörigen oder Freundes, mit dem man viele Jahre seines Lebens verbracht hat, kann einem Menschen das Gefühl geben nun in einem schattigen, dunklen Tal zu sitzen – ganz allein, wie wenn ein Teil von einem abgeschnitten worden wäre. Oft können sich diese Menschen gar nicht vorstellen, wie ihr Leben weitergehen soll, worüber sie sich noch freuen können oder wie sie ihre Einsamkeit überwinden können. Die Trauer hat sie ganz in Beschlag genommen.

Ich wünsche den Trauernden Freunde, die sie in dieser Zeit begleiten. Freunde, die ihnen die Sonne auf den Bergen nicht nur zeigen, sondern sie auch hinführen, um ihnen das Panorama zu zeigen. Freunde, die den Trauernden helfen, sich in ihrem Leben neu einzurichten.

Ich wünsche den Trauernden die Geduld und die Kraft auf die Zeit zu warten bis die Sonne wieder in ihr Tal scheint.