Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Pater Dr. Karl Josef Wallner OCist, Stift Heiligenkreuz
Sonntag,
5.3.2006
Realistische Vorsätze
Heuer
beginnt die Fastenzeit – nach diesem schrecklichkalten Winter -
extrem spät. Vielleicht freue ich mich deshalb regelrecht, dass die
Fastenzeit endlich da ist! Ich spüre: Ein Einschnitt in mein Leben
tut mir gut! Heuer habe ich mir einige Vorsätze gemacht! Sie
wahrscheinlich auch.
Aber
Achtung bei den Vorsätzen! Es gibt den Spruch: „Der Weg zur Hölle
ist gepflastert mit guten Vorsätzen!“ Stimmt leider! Denn viele
machen falsche Vorsätze: Wenn man sich Utopisches vornimmt, dann
schafft man es garantiert nicht!
Damit
unsere Vorsätze nicht in die „Hölle“ der Frustration führen,
müssen sie klein und realistisch sein! Also nicht: „Ich will alle
Menschen lieben!“ Sondern z. B.: „Ich will einem unangenehmen
Nachbarn zulächeln!“ Nicht: „Ich will 20 Kilo abnehmen!“
Sondern z. B.: „Ich will am Abend nur Brot und Joghurt essen –
und das Ersparte den Armen spenden!“ Nicht: „Ich will ab sofort
ein hundertprozentiger Christ sein!“ Sondern: „Ich will täglich
ein Vaterunser für meine Lieben beten!“ Ich wünsche uns eine
gute Fastenzeit! Und denken wir dran: „Der Weg in den Himmel ist
gepflastert mit realistischen Vorsätzen!“
Montag,
6.3.2006
Kreuzwegandachten
Nach
dem kalten und schneereichen Winter freue ich mich auf die Frühlingssonne.
Was gibt es Schöneres, als die ersten warmen Sonnenstrahlen auf der
Haut zu spüren!
Mit
der Sonne hat es Gott ja klug eingerichtet: Es gibt Milliarden und
Abermilliarden von Sternen. Einer davon ist unsere Sonne, umkreist
von unserer winzigen Erde. Ohne Sonne kein Leben. Die Energie der
Sonne wäre aber so groß, dass es 110 Grad plus hätte, wenn sie
sich nicht im Rhythmus von 24 Stunden um ihre Achse drehen würde.
Erwärmung am Tag, Abkühlung in der Nacht. Und sie dreht sich nicht
nur täglich, sondern kreist auch innerhalb eines Jahres um die
Sonne, - daher die 4 Jahreszeiten. Gottes Ordnung ist weise!
Verständlich,
dass die ersten Christen das Licht der Sonne mit Christus in
Verbindung gebracht haben! Die Sonne ist Symbol für Christus, der
Licht und Leben für die Seele schenkt! Darum sind unsere alten
Kirchen nach Osten gebaut, wo die Sonne aufgeht; darum ist die Tauf-
und Osterkerze das Symbol für Christus; darum feiern wir die
Auferstehung Christi aus dem kalten Grab im Frühling, zu Ostern.
Dienstag,
7.3.2006
Morgenstund hat Gold im Mund
Es
gibt bestimmte Dinge im Leben, die kann man sich nicht aussuchen.
Zum Beispiel: ob man ein Morgenmensch oder ein Abendmensch ist. Ich
bin eindeutig ein Morgenmensch: in der Früh habe ich den Kopf frei,
bin voller Ideen, und mit dem Gebet geht es auch besser. Das hat der
liebe Gott also bei mir gut eingerichtet, weil er ja wusste, dass
ich einmal Mönch werde, und jeden Tag um halb fünf zum Gebet
aufstehe. Freilich: am Abend kann ich dafür nicht mehr viel
Gescheites machen!
Wenn
Sie jetzt zuhören, sind Sie wahrscheinlich auch ein Morgenmensch.
Oder vielleicht nicht? Also: Für mich gibt es in der Früh, wenn
ich mühsam aufstehen muss, immer zwei Energiequellen, um richtig
wach zu werden: eine seelische und eine leibliche. Zum leiblichen
Aufwachen hilft mir – klar – ein Häferl schwarzer Kaffee, weil
ich doch einen niedrigen Blutdruck habe. Meine seelische
Energiequelle ist der Gedanke an Gott: „Danke lieber Gott für die
gute Nacht, segne diesen neuen Tag!“ So lässt sich’s gut
aufstehen: mit einem frohen Herzen, weil Gott mir diesen schönen
neuen Tag schenkt.
Mittwoch,
8.3.2006
Österliche Buß- und Fastenzeit
Bei
der Millionenshow werden oft auch Fragen aus dem Bereich des
christlichen Glaubens gestellt. Wenn man einen Kandidaten fragen würde:
Wie viele Tage hat die Fastenzeit, würde er hoffentlich antworten:
40. Tatsächlich hat Jesus 40 Tage in der Wüste gefastet, darum
bereiten wir Christen uns 40 Tage auf Ostern vor.
Aber
wissen Sie eigentlich, dass die Fastenzeit insgesamt eben nicht 40
Tage dauert?! In Wirklichkeit sind es 46 Tage. Wenn Sie mir nicht
glauben, rechnen Sie nach: von Aschermittwoch bis Karsamstag sind es
wirklich 46 Tage. Warum ist das so? Weil die 6 Sonntage, die in
diese Zeit hineinfallen, keine Fastenzeit sind! Ein Sonntag ist für
Christen immer ein Festtag, nie ein Fasttag.
Außerdem
wissen die wenigsten, dass die Fastenzeit offiziell heißt: „Österliche
Buß- und Fastenzeit“. Es geht nicht bloß ums Fasten, es geht um
eine gute Vorbereitung auf Ostern, es geht darum „österlich“ zu
werden. Ostern ist das höchste Fest der Christenheit: Christus
siegt über den Tod und öffnet uns das ewige Leben. Ich wünsche
Ihnen und mir, dass wir die 46 Tage bis Ostern gut nützen, um
bessere, „österliche“ Menschen zu werden.
Donnerstag,
9.3.2006
Hygiene der Seele
Die
Fastenzeit heißt offiziell in der Kirche „österliche Buß- und
Fastenzeit“. Es geht also auch um Buße! In dieser Zeit ist jeder
Katholik verpflichtet, das Sakrament der Buße, also die Beichte zu
empfangen. – Also ich weiß: mit der Beichte hat jeder
so seine eigenen Erfahrungen. Für mich persönlich ist die Beichte
eine wichtige Form der Hygiene der Seele. Klar, unangenehm ist das
Beichten immer: ich muss ja meine Sünden sagen, meine Fehler
benennen. Wer macht das schon gerne?! Ich nicht!
Heute
stehen wir dauernd unter Druck: Wir müssen uns einreden, wir sind
die Schönsten, die Besten, die Liebsten. Nach dem Motto: „Ich bin
so schön, ich bin so toll, ich bin der … usw.!“ Zugleich weiß
aber jeder, dass er eben nicht der Schönste, der Beste und der
Liebste ist! Die Beichte beendet also unseren Selbstbetrug.
Also
ich gehe sogar alle zwei Wochen zur Beichte. Und ich gebe zu: Es ist
nie angenehm! Ich schäme mich. Niemand sagt seine Sünden gerne!
– Aber dann kommt die große Befreiung, weil Gott mir sagt: Du
bist selber nicht schön, nicht toll, nicht so lieb: aber ich mache
aus Dir etwas Schönes, Gutes und Liebenswertes!
Freitag,
10.3.2006
Kreuzweg im Wienerwald
Ostern
liegt immer im Frühling, und zwar genau nach dem ersten Frühlingsvollmond.
Zu Ostern feiern wir die Auferstehung Christi: also: der Tod hat
nicht das letzte Wort, sondern das Leben, das ewige Leben! Was gibt
es daher schöneres, als die christlichen Mysterien mit dem Wunder
der Natur, mit dem Erwachen der Natur zu verbinden.
Bei
uns im Stift Heiligenkreuz gibt es eine barocke Kreuzweganlage im
Freien. Auf einem sanften Hügel beim Stift erstrecken sich 14
Kreuzweg-Kapellen, dazwischen Statuen von Engeln und Heiligen,
stumme Wegbegleiter auf dem Leidensweg. Das ist so hübsch, dass es
sogar Motiv einer Briefmarke ist.
Jeden
Sonntag-Nachmittag beten wir im Freien den Kreuzweg. Eigentlich geht
es da ja um Schmerzen, um Leiden, um Entehrung, um Qual und Tod.
Aber wenn man Jesu Leidensweg mitten in der aufblühenden Natur
nachgeht, liegt etwas ganz Tröstliches darin. Hunderte Menschen
beten sich von Station zu Station. Die Vögel zwitschern, der Frühlingswind
rauscht durch den noch winterbraunen Wienerwald; man muss die Augen
zukneifen, um durch die Strahlen der Frühlingssonne das voran
ziehende Kreuz zu sehen. Und im Herzen weiß man: Am Ende steht
nicht der Tod, sondern die Auferstehung.
Samstag,
11.3.2006
Pater
Cornelius und der Kreuzweg
Als
Junger meint man, das Leben ist nur „hui“, nur „toll“, nur
„cool“. Irrtum! In meinem Kloster im Stift Heiligenkreuz lebt
ein Mitbruder, Pater Cornelius, der heuer 98 wird. Er ist schon 75
Jahre Priester! Die Nazis sperrten ihn in die Todeszelle, -
Gott-sei-Dank war dann der Krieg aus, sodass er überlebt hat. Rüstig
und fromm ist Pater Cornelius uns Jungen im Kloster ein Vorbild.
Gerade nach seinem schweren Lebensweg strahlt er eine große
Weisheit aus: die Weisheit, die eben sagt: das Leben ist nicht nur
„hui“, es ist manchmal auch „pfui“, - aber man kann es im
Glauben bewältigen!
In
der Fastenzeit gibt es den Brauch, den Kreuzweg zu beten: Bei uns in
Heiligenkreuz haben wir sogar eine barocke Kreuzweganlage im Freien.
Jesu Leidensstationen sind drastisch dargestellt. Wenn wir betend
von Station zu Station ziehen, verbindet sich das eigene Leben mit
dem Blick auf Christus. - Ich hoffe zwar, dass ich nie in einer
Todeszelle sitzen muss wie unser Pater Cornelius, aber einiges
Schwierige kommt sicher. Bei jedem von uns. Der Blick auf den
Leidensweg Christi gibt Kraft für den eigenen Lebensweg.
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