Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Generalvikar Benno Elbs, Feldkirch

 

Sonntag, 12. 3. 2006

Zum inneren Frieden findet,  wer die Geschwindigkeit der Seele ernst nimmt

Gespannt verfolgten viele von uns die Olympiade in Turin. Dramatische Rennen um Hundertstel von Sekunden prägten das Bild. Viele großartige Sportler kämpften um den Sieg. Entscheidend waren nicht oder kaum wahrnehmbare Bruchteile von Sekunden.

 

Und schließlich entschied eine hundertstel Sekunde über Sieg oder Niederlage, über Berühmtheit oder Versenkung. Ein Augenblick entscheidet über Werbeverträge, über Karriere oder Abstieg.

 

Die Jagd nach der Zeit kennzeichnet dieses Bild: je schneller, desto erfolgreicher.

 

Und diese Mentalität hat sich vielerorts auch in unser Leben eingeschlichen: je schneller wir sind, umso besser sind wir.

Ist da nicht das Scheitern vorprogrammiert: in Beziehungen zum Beispiel und Freundschaften, in Partnerschaften, in der Erziehung?

 

Überall dort, wo es um den Menschen geht, gelten andere Regeln. Je mehr Zeit wir uns nehmen, desto besser ist das Leben. Denn: Beziehung braucht Zeit.

 

Vielen Menschen fehlt diese Zeit, fehlt die Muße für das lebensnotwendige Netz an Beziehungen. Der Mensch lebt eben nicht vom Brot allein. Das eigentliche Leben ist Begegnung.

 

 

Montag, 13. 3. 2006

Zum inneren Frieden findet,  wer Rastplätze im Strom des Lebens aufsucht.

Vermutlich bereiten sie sich jetzt in diesem Augenblick auf die Arbeit vor oder Sie haben schon damit begonnen.

 

Haben Sie darüber nachgedacht, ob es am heutigen Tag auch einen Rastplatz für Ihre Seele gibt?

 

In diesem Zusammenhang fällt mir die Erzählung von einem österreichischen Forscher ein, der einen großen Marsch durch den Urwald des Amazonas unternahm.

 

Zunächst kam die Expedition rasch voran. Am dritten Morgen aber blieben alle Einheimischen mit ernsten Mienen auf den Fersen sitzen und machten keine Anstalten mehr weiterzugehen.

 

Erstaunt fragte der österreichische Expeditionsleiter den Anführer, ob die Träger mehr Geld verlangten oder mit dem Essen nicht zufrieden seien.

 

Oh, mein Herr, antwortete der Sprecher der Einheimischen, wir können nicht weiter gehen, weil unsere Seelen zurückgeblieben sind. Wir warten, bis sie da sind.

 

In unserer schnelllebigen Zeit kennen wir die Muße des Wartens nicht mehr. Im Gegenteil. Die Fülle der Anforderungen erlaubt es kaum, über das Wesentliche des menschlichen Lebens nachzudenken.

 

Anders ausgedrückt: Unsere Seelen legen Speck an. Im Strom des Lebens brauchen wir Rastplätze für die Seele. Der schönste Rastplatz ist wohl bei Gott.

 

Dienstag, 14. 3. 2006

Zum inneren Frieden findet,

wer Gott in den Blick nimmt

Dieser Tage habe ich im Hebräerbrief gelesen. Ein Brief an eine Gruppe von Menschen, von Christen, die müde geworden sind, die den Erfolg aus den Augen verloren haben, die Angst haben, ob sie auf dem richtigen Weg sind.

 

Eine Erfahrung, die Sie und ich vermutlich auch kennen. Mutlosigkeit, viele Fragen. Der Blick für das Wesentliche ist irgendwie verstellt. Der Verfasser des Briefes gibt der Gruppe einen beeindruckenden Rat. Er sagt: Schau auf Christus. Wichtig scheint es also, dass wir in Augenblicken des Lebens, die vielleicht auch mit Krisen durchzogen sind, auf das Richtige, auf den Richtigen schauen.

 

Heinrich Spaemann schreibt: Was wir im Auge haben, das prägt uns. Dahinein werden wir verwandelt und wir kommen, wohin wir schauen.

 

Sagen Sie jetzt bitte nicht, das sei eine Sache von Spezialisten, von Theologen, von Priestern. Nein, im Gegenteil. Im Laufe eines Tages diesen bewussten Blick auf Gott zu richten, führt uns hinein in sein Geheimnis und vor allem in die tröstende, heilende und hoffnungsvolle Kraft, die von ihm ausgeht.

 

Schau auf Gott!,  sagt uns der Hebräerbrief.

 

 

Mittwoch, 15. 3. 2006

"Wirf die Zuversicht nicht weg" –

ein Wegweiser zum inneren Frieden

Vor kurzem suchte ein junger Mensch das Gespräch mit mir. Die Welt seines Lebens ist zusammengebrochen, eine Beziehung sei gescheitert.

 

Er findet keinen Trost mehr, keinen Zugang mehr zu Gott.

 

Da fällt mir das Wort aus dem Hebräerbrief ein, wo es heißt: Wirf die Zuversicht nicht weg. Das mag platt klingen, doch ich glaube es gibt Krisen in unserem Leben, die uns erschüttern. Wenn unser Leben zuweilen aus den Fugen gerät, davon bin ich zutiefst überzeugt, dann sind wir doch getragen von einer unendlichen göttlichen Lebensfülle. Viel mehr noch. Die Erschütterung ist vielleicht sogar ein Hinweis auf dieses Getragensein.

 

Was soll mir passieren, wenn ich auf Gott vertraue, sagt der Hl. Paulus. Was soll mir passieren, was soll mich bedrohen, wenn ich in dieser Geborgenheit ruhe?

 

Immer wieder dürfen wir erleben, dass Menschen gerade in den Schattenseiten ihres Lebens das Licht entdecken. Niemand kann uns das Licht verordnen, kein Gesetz dieser Welt kann uns diesem Licht verpflichten.

 

Wir selbst sind es, die auf dieses Licht schauen dürfen und vielleicht sogar müssen.

 

Wirf die Zuversicht nicht weg.

 

 

Donnerstag, 16. März 2006

Staunen-Lernen führt zum inneren Frieden

St. Gerold, ein Kloster, mitten im Winter. Pater Christoph erzählt über das Licht, über den Frieden und über die Hoffnung.

Vor ihm sitzen 80 Eltern, Freunde, Verwandte und Bekannte. Sie alle verbindet das eine. Sie sind in irgendeiner Form verbunden mit einem Kind mit dem so genannten Down-Syndrom, mit einer Behinderung.

 

Die Kinder zünden Kerzen an, Eltern sprechen Fürbitten, Kinder wiederum spielen auf der Orgel.

 

Da kommt man ins Staunen über all die Fähigkeiten, die hier gezeigt werden.

 

Anders ist die Ellenbogentechnik in unserer Welt. Kinder mit Down-Syndrom scheinen für die Menschen nicht geeignet genug, um die geforderten Arbeitsleistungen zu erbringen.

 

Etwas habe ich gelernt von diesen Kindern: Sie können staunen. Das Staunen ist letztendlich die Kraft, die die Seele des Menschen mit Freude erfüllt. Hilde Domin bringt es in einem schönen Gedicht zum Ausdruck. Sie schreibt:

 

Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.

 

Über die Wunder des Lebens, die ganz einfachen Wunder des Alltags staunen zu können, sich darüber freuen zu können, das ist eine Hauptstraße zum inneren Frieden.

 

Ich glaube, wir sollten bei Kindern mit Down-Syndrom in die Schule gehen.

 

Freitag, 17. März 2006

Zum inneren Frieden findet, wer den Gefühlen vertrauen lernt

Wir vertrauen vielen Dingen in unserem Leben: der Wissenschaft, der Medizin, verschiedenen Gurus. Aber können oder wollen wir uns auch auf unsere Gefühle verlassen?

 

Weise Menschen haben diesen Gedanken immer wieder in beeindruckende Worte gekleidet.

 

Zum Beispiel sagte der Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal: Das Herz hat Gründe, die die Vernunft nie weiß.

 

In einem anderen Text heißt es: Ein Gefühl ist wie ein Kind, das in uns lebt und weint und lacht, Hunger hat und bemerkt sein will. Wer zu seinem Gefühl zu oft sagt, sei still, ich habe jetzt keine Zeit für dich, dessen inneres Kind sitzt eines Tages in einer vergessenen Ecke und trauert, wird krank und verkümmert.

Mit Gefühlen soll man umgehen, wie man mit einem Kind umgeht. Man sieht ihm freundlich zu und aufmerksam, man hört, dass es klagt, man leidet mit ihm, wenn es leidet.

 

Gefühle, das sind die lebendigsten Kräfte in uns. Keine andere Kraft bringt so viel Lebendiges hervor.

 

Ein Blick in die Bibel bestätigt das. Der Umgang Jesu mit Menschen war geprägt von einer gefühlvollen und aufmerksamen Art. Gefühle sind der sicherste Kompass in unserem Leben.

 

 

Samstag, 18. 3. 2006

"Grenzen akzeptieren" –  eine Voraussetzung für den inneren Frieden

Ein Wegweiser auf der Straße zum inneren Frieden heißt wohl: hoffnungsvoll mit Grenzen umgehen.

 

Ich denke hier an den Karsamstag um das Jahr 30 nach Christus. Ein Tag der totalen Katastrophe.

 

Die Freunde Jesu rannten auseinander. Einer wurde zum Verräter und nahm sich das Leben. Ein anderer wollte Jesus plötzlich nicht mehr kennen und weinte dann über seine eigene Feigheit.

 

Und so richtig Rückgrat hatten nur ein paar Frauen und der Lieblingsjünger, die noch unter dem Kreuz zu erkennen gaben, dass sie zu Jesus gehörten.

 

Die Grenze des Todes, die Grenze der Einsamkeit verändert das Leben. Und doch glaube ich, dass wir an dieser Grenze mit Hoffnung stehen sollen und stehen dürfen.

 

Es wird sicher nie eine Lösung geben, die den menschlichen Verstand befriedigt. Aber, es gibt einen tiefen Glauben, dass alles was Gott geschaffen hat, auf Ewigkeit programmiert ist.

 

Innerer Friede heißt – auch mit den Grenzen leben, vielleicht über sie trauern, sich an ihnen stoßen. Aber an dieser Grenze in meinem Leben mit Hoffnung stehen – Gott denkt nicht daran, vor dem Tod zu kapitulieren.