Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
„Das
Wetter in der Bibel“
von
Pfarrer Dr. Christoph Weist, Wien
Sonntag.,
19.3.2006
Schnee
(Jer 18,14)
Er hat diesen Winter bestimmt wie seit Jahrzehnten keinen Winter mehr.
Der lange anhaltende Schnee hat zahllosen Menschen schwer zu
schaffen gemacht. Er hat Sachwerte zerstört, manchmal Existenzen
gefährdet, ja sogar Leben genommen.
Die Bibel ist kein Nachschlagwerk für alles und jedes. Trotzdem habe ich
hineingeschaut, um zu sehen, was sie über den Schnee sagt. Sie sagt
nicht viel, denn in Palästina war und ist Schnee selten. Man kannte
ihn von den Gebirgszügen. Er ist das Bild für „weiß“ und
„rein“, aber auch für die hellfarbige Hautkrankheit des
Aussatzes. Und einmal – ganz gegen unsere aktuelle Erfahrung - ist
er ein Bild für rasche Flüchtigkeit.
„Bleibt doch der Schnee länger auf den Steinen im Felde, wenns vom
Libanon herab schneit, und das Regenwasser verläuft sich nicht so
schnell, wie mein Volk meiner vergisst.“ So tönt es dumpf aus den
Worten des Propheten Jeremia, wenn er die Unzuverlässigkeit seines
Volkes Israel kritisiert. Der Schnee am Libanon schmilzt nicht so
rasch und das spärliche Regenwasser kann nicht so schnell
versickern wie Menschen auf Gott vergessen. Auf den Gott, von dem
sie herkommen und auf den sie zugehen, wie immer ihre äußere und
innere Befindlichkeit und „Wetterlage“ sein mag. Auch wenn viele
derzeit vom Schnee genug haben, als Warnung dienen kann er allemal.
Montag,
20.3.2006
Wind
(Amos 4,13a)
Kälte ist unangenehm und zu Frühlingsbeginn nicht mehr am Platz. Kälte
und Wind – das ist überhaupt unerträglich.
Eine für mich schwer erträgliche Gestalt in der Bibel ist der Prophet
Amos. Er schimpft und kritisiert und hat, wenn überhaupt, nur wenig
an positiven Ausblicken zu bieten.
So scheint es mir auch kein Wunder zu sein, dass, wenn er Gott
beschreibt, der Wind ins Spiel kommt. Der harte Mann aus Nordisrael
definiert seinen Gott so: „Denn siehe, er ist´s, der die Berge
macht und den Wind schafft; er zeigt dem Menschen, was er im Sinn
hat.“
Die fest verankerten Berge hat Gott gemacht, er macht aber auch den
beweglichen Wind, der nicht zu greifen ist. Und was er im Sinn hat -
davon ist Amos, der Schafzüchter aus Tekoa, überzeugt -, ist für
das Volk Israel nichts Gutes. Die Leute werden´s schon sehen. Sie
missachten das Recht und schwelgen auf Kosten der Armen. Der, der
den Wind schafft, wird dies nicht länger dulden.
Gott hat in der Hand, was Menschen nie in den Griff bekommen. Das meint
das Bild vom Wind. Aber muss das nur als Drohung verstanden werden,
selbst wenn sie berechtigt ist? Ich denke, es ist es auch ein Grund
zur Hoffnung. Gott hat den Wind geschaffen, aber es muss kein kalter
Wind sein. Dinge können sich bessern, nicht nur zu Frühlingsbeginn.
Dienstag,
21.3.2006
Sonne
(Jak 1,11)
In den letzten Wochen und Monaten war das Wetter mehr als ein
Verlegenheitsthema. Der lange und kalte Winter war ein Problem.
In anderen Gebieten der Erde ist das anders. Da ist das heiße Wetter das
Problem. In der Bibel, die aus dem Orient stammt, steht oft die
Sonne für Schaden und Zerstörung. Und
damit kann auch herbe Sozialkritik verbunden sein.
„Die Sonne geht auf mit ihrer Hitze, und das Gras verwelkt, und die
Blume fällt ab, und ihre schöne Gestalt verdirbt; so wird auch der
Reiche dahinwelken in dem, was er unternimmt.“ Das steht in jenem
Schriftstück im Neuen Testament, das man heute den „Brief des
Jakobus“ nennt.
Der „Reiche“ hat also keine Chance, er wird von der Sonne verbrannt
wie die ganze Vegetation. Dabei sind nicht nur die Menschen mit den
dicksten Bankkonten im Blick. Im Blick sind alle, die meinen, sie
seien etwas Besseres im Vergleich zu denen, die auf irgendeine Weise
nicht mitkönnen. Diese Verlierer, so meint der Jakobusbrief etwas
später, sind eigentlich die Gewinner. Ihnen hat Gott die „Krone
des Lebens“ versprochen. Die sengende Sonne ist für sie kein
Problem. Das Ziel ihres Lebens ist vom Wetter unabhängig.
Mittwoch,
22.3.2006
Sturm
(Ps 55,9)
Wenn größere Schwierigkeiten drohen sagt man: „Es wird eng“, ein
modernes Sprachbild, das wohl aus dem Straßenverkehr kommt. Die
Menschen der Bibel waren naturverbundener. Für sie war nicht die
Technik, sondern das Wetter die Macht, die ihren Alltag unmittelbar
bestimmte. In einem alten hebräischen Gedicht wird Klage geführt
über gefährliche persönliche Feinde. Und der Dichter schildert
seine Lage so: „Ich wollte eilen, dass ich entrinne vor dem
Sturmwind und Wetter.“
Der Sturmwind, die große Bedrohung. Es sind die Fallwinde im Jordantal,
die gefürchtet sind, und die Sandstürme in der Negev-Wüste. Und
sie werden zum Bild für alles, was Schwierigkeiten macht beim
Erhalt des Lebens, bei Ackerbau und Viehzucht, im Umgang mit anderen
Menschen und schließlich auch im Umgang mit Gott. Immer wieder muss
man versuchen, dem Sturmwind auf irgendeine Weise zu entkommen.
Der 55. Psalm, eben jenes alte Gedicht, schlägt eine Fluchtmöglichkeit
vor: „Ich aber will zu Gott rufen, und der Herr wird mir
helfen.“ Ich weiß, das klingt einfacher als es ist. Aber ebenso
wie bei der Erfahrung des Sturmwindes, steckt auch hier selbst
Erlebtes dahinter. Das sagt: Es gibt einen Ausweg, auch wenn er in
stürmischem Wetter mit freiem, vielleicht verzweifeltem Auge nicht
zu sehen ist.
Donnerstag
23.3.2006
Blitz
und Donner (Hiob 28,26.28)
Blitz und Donner lassen niemanden kalt. Sie sind sprichwörtliche
Wettererscheinungen, denen magische Kräfte zugetraut werden, weil
sie Angst machen. Klingt der Donner bedrohlich, so kann der Blitz
tatsächlich töten. Menschen spüren hier eine tiefe Ohnmacht.
„Als er dem Regen ein Gesetz gegeben hat und dem Blitz und Donner den
Weg, sprach Gott zum Menschen: Siehe die Furcht des Herrn, das ist
Weisheit, und das Meiden des Bösen, das ist Einsicht.“ So
beschreibt das Buch Hiob im Alten Testament, wo der Mensch Gott
gegenüber seinen Platz hat.
Die Furcht einflößenden Himmelserscheinungen Blitz und Donner sind seit
alter Zeit Zeichen für Gott, für seine Größe und seine Souveränität.
Und auch diese Naturphänomene sind seine Geschöpfe, die sich
seinen Anordnungen fügen müssen.
Vor dieser dramatischen Kulisse ist jeder Mensch eine fast zu vernachlässigende
Größe. Das wollen die drastischen Worte des Hiobbuches in
Erinnerung rufen. Und Weisheit und Einsicht können nur bedeuten,
dies zu erkennen, zu akzeptieren und das Böse zu meiden. D.h. sein
Leben nach Gottes Willen zu gestalten. Das soll kein schreckhaftes
Leben sein, sondern ein Leben, das die kleinen Dinge von den großen
zu unterscheiden gelernt hat.
Freitag,
24.3.2006
Hagel
(Offbg 16,21)
Die Bilder überstürzen sich im letzten Buch der Bibel, dem Buch der
Offenbarung. Geschrieben wurde es einst als Trostbuch für verfolgte
Christinnen und Christen, heute ist es nur noch mit großer Mühe zu
entschlüsseln. Unter den vielen seltsamen Vorgängen in diesem Buch
spielen auch das Wetter und seine Erscheinungsformen eine Rolle,
genauer gesagt die gefährliche Erscheinungsform des Hagelwetters.
Das sieht der Schreiber des Offenbarungsbuches, der auf die Insel Patmos
verbannte Johannes, in einer Vision: „Und ein großer Hagel wie
Zentnergewichte fiel vom Himmel auf die Menschen; und die Menschen lästerten
Gott wegen der Plage des Hagels; denn diese Plage ist sehr groß.“
Dass Hagelschlag verheerende Folgen haben kann, daran hat sich bis heute
nichts geändert, trotz Versicherungsschutz. Und dass diese Folgen
Menschen an Gottes gutem Willen verzweifeln lassen, ist heute besser
verständlich als damals. Da wurde Aufbegehren gegen Gott noch mit sündhaftem
„Lästern“ gleichgesetzt. Trotzdem: Auch wenn keine Antwort
erfolgt, Gott darf zurückgefragt
werden im Leid, er darf angegriffen und beschuldigt werden. Denn wer
mit ihm streitet nimmt ihn ernst - der erste Schritt auf dem Weg zu
neuer Hoffnung.
Samstag,
25.3.2006
Regen
(Hb 6,7)
Wie immer das Wetter an diesem Wochenende werden wird, es könnte
passieren, dass es irgendwo regnet. Das kann lästig sein,
Freizeitpläne zunichte machen, Enttäuschung und Trübsinn auslösen.
Bekanntlich sieht die Landwirtschaft da manches anders. Und sie hat die
Bibel auf ihrer Seite. Regen
ist in der Bibel – wenn er nicht gerade sintflutartig daherkommt -
in aller Regel nichts Lästiges, sondern etwas Gutes. Wie nebenbei
steht im so genannten Brief an die Hebräer: „Denn die Erde, die
den Regen trinkt, der oft auf sie fällt, und nützliche Frucht trägt
denen, die sie bebauen, empfängt Segen von Gott.“
Regen ist Segen von Gott, das kann bei uns gelten, vor allem aber in
jenen Ländern, deren Klima von Sonne, Hitze und Trockenheit
bestimmt ist. Dahinter steht aber mehr: Das Wetter und seine
Wirkung, mag es nun von menschlichen Umweltsünden beeinflusst sein
oder nicht, ist nichts Zufälliges oder gar Machbares. Es ist, wie
so vieles, Angelegenheit Gottes, des Schöpfers, der nach biblischer
Überzeugung die Welt und ihre Menschen nicht ein für allemal
gemacht hat, sondern sie laufend weiter schafft und erhält.
Auch so kann es also verstanden werden, das regnerische Wetter. Als
Zeichen dafür, dass die Welt sich nicht selbst überlassen ist.
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