Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Sr. Kunigunde Fürst/Franziskanerin von Vöcklabruck

 

  

Sonntag, 9.April 2006

Heute feiern wir Christen den Beginn der heiligen Woche, die im Ostersonntag ihren Zielpunkt findet. Wie ein Schauspiel wird das Geschehen dieser realen Tage in Jerusalem in der Liturgie inszeniert. Die Bibel liefert dazu reichlich Stoff, denn schon von Anfang an war der Weg zur furchtbaren Niederlage Jesu, die in der Erfahrung JESUS LEBT gipfelt, ein Kernstück der christlichen Botschaft.

Heute ist Palmsonntag. Er hat seinen Namen von den Palmzweigen, mit denen die Menschen Jesus in Jerusalem empfangen haben. Dabei haben sie ihm wie einem König zugerufen: Gepriesen sei er- Hosanna, Hosanna.

Mir geht dabei immer ein Schauer über den Rücken. Heil ihm, der kommt, der Rettung bringt. Sind das nicht Worte, die im politischen Vokabelschatz eine Rolle spielen? Was bringt der Mensch wirklich, dem solches zugerufen wird?

Freilich, ich mag es auch, wenn ich gelobt werde - und wer nicht? Immer aber frag ich mich: was soll das bedeuten? Was wird erwartet? Wie lange hält es an?  Freilich hält es mich auch ab, anderen vorschnell Lob zuzusprechen, was auch nicht gerade gut ist.

Ich bleibe  dennoch bei der Vorsicht und Wachheit, wem ein Hosanna gilt!

Und so will ich mit ehrlichem Herzen dem, der mich/ uns hält und trägt zurufen: Ehre sei Gott, gepriesen sei Gott - Hosanna.

 

 

Montag, 10.April 2006

Das Wort KAR kommt aus dem althochdeutschen und bedeutet KUMMER/ STILLE TRAUER. Es beginnt also die Woche der stillen Trauer.  Es ist kaum etwas Lautes, wird nicht direkt sichtbar, es sei denn Tränen bringen sie nach außen. Trauer ist ein innerer Schmerz - jemand geht weg, es ist ein Verlust, der Abschied von etwas Geliebtem/ von jemand, der viel bedeutet hat.

Die Karwoche ist für uns Christen der Abschied von einem Jesusbild, das sich nur in wunderbaren Ereignissen, in Erfolg haben und Angenommensein ausdrückt.

Jesus stellt sich den Menschen. Sie bekämpfen ihn, sie sind feindselig.  „Feind-selig“, ein erschreckendes Wort. Selig hat doch zu tun mit Glück und Wohlergehen, mit Freude und Stärkung! Es gibt die Seligkeit des Bösen - sie liegt darin, jemandes Feind zu sein, jemanden bekämpfen zu können! Eine Lust am Ungut sein - am Austricksen und Haxl stellen!

Ein recht unliebsames Bild ist das. Aber auch das ist eine Seite in mir!

Feindseligkeit zu ertragen, ist freilich eine andere Sache! Es ist die Seite Jesu, der doch als die Güte und das Mitleiden in Person unter den Menschen lebte! Was blieb von diesem Gutsein bekämpft werden, gerichtet werden, zum Tod gebracht werden. Es ist wohl die christliche Haltung, dem Bösen in Güte zu widerstehen.

 

 

Dienstag, 11. April 2006

Schauen wir auf das, was in dieser Woche gefeiert wird - es ist das Scheitern Jesu nach allen Richtungen.

Er hat keine Freunde mehr- das Volk, das ihn bestaunt, bewundert, bejubelt hat, ist verkrochen, seine ihm Nächsten lassen ihn im Stich, kein Gott ist, der ihm hilft und beschützt, ……alles geht seinen Weg – in den Untergang, in den Tod, in das Scheitern einer so hoffnungsvollen Geschichte.

Ich selbst kann und will es oft nicht wahrhaben, dass diese so hilfreiche und segnende Hand Jesu nicht spürbar ist; dass die Nähe Gottes zur Ferne geworden ist. Aber es ist so. Es heißt aushalten.

Viel zu schnell schwindle ich mich mitunter in eine österliche Wolke - um das Dunkel um mich nicht aushalten zu müssen; oder aber es wird mir wirklich Trost geschenkt und ich muss nicht im Dunkel bleiben!

Wir haben im Orden eine Aufgabe begonnen und von Anfang an gesagt, es kann auch schief gehen, es kann scheitern. Aber wenn es dann schwierig wird, kann ich durchhalten? Kann ich es wirklich zulassen, dass etwas scheitert? Erlebe ich mich nicht allzu schnell als Versager? In dieser Situation kann mir das Schauen auf Jesus die Hilfe sein: er geht seinen Weg - im Vertrauen auf Gott, sozusagen im Blickkontakt- und dann wird selbst das Scheitern zum WEG MIT IHM.


 

Mittwoch, 12.April 2006

Der liturgische Text beginnt heute mit dem Hymnus aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper: Vor dem Namen Jesus sollen alle Mächte ihre Knie beugen.

Ihre Knie beugen? Wer tut das vor wem? Wenn ich Menschen beobachte, die in eine Kirche kommen - insbesondere wenn es sich um kunsthistorisch bedeutsame handelt-  beugen diese kaum ihr Knie. In unseren Breiten ist aus der verehrenden Knie-Beugung eher ein Hopser geworden.  Ich bewundere die moslemischen Männer beim Freitagsgebet - sie knien, verbeugen sich. Es ist eine sehr ehrfürchtige Haltung, die sie einnehmen.

Immer wieder geht mir ein Satz meines Religionslehrers aus dem Gymnasium mit: Vor Gott ist ein kniender Mensch größer als ein Stehender.  

Die Frage, vor welchem Gott  ich mich beuge in meinem Lebensalltag stellt sich mir mit zunehmender Dringlichkeit: vor dem Gott - alles ist machbar, man braucht nur genügend Geld, vor dem Gott des Habens, man hat ja ein Anrecht drauf, satt, fit und gesund zu sein, vor dem Gott - ich lass mir nichts dreinreden, ich weiß allein, was mir gut tut, vor dem Gott - da kann man nichts machen, sind selber schuld. Und und und…

Kann ich glauben, dass alle Mächte ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu?

 

 

Donnerstag, 13. April 2006

 Wir Christen feiern heute zwei wesentliche Botschaften unseres Glaubens: Jesus ist mit den Jüngerinnen und Jüngern beisammen und gibt ihnen das Testament seines Lebens: Das bin ich - in Brot und Wein. Tut das immer wieder zu meinem Andenken. Verstehen sie es auch nicht gleich, so wird doch dieses Geben, dieses Hingeben Jesu zum vereinenden Band unter seinen Schwestern und Brüdern- den Christen.

Und was dem vorangeht ist ein Vermächtnis, das das Johannesevangelium überliefert hat: Jesus macht den Dienst eines Sklaven- er wäscht die Füße.

Er gibt seine ganze hoheitliche Haltung ab, er ist Diener der Menschen, ein Sklave für die Menschen, er lässt sich nieder, bedient und  gibt sich selber.

Ein unfassbares Tun! Ein Tun, das die Kirche bis heute herausfordert und auch mich als Glied dieser Kirche.  

Das Wort Dienen - ein nicht gern gehörtes - ist das Kernwort dieses Tages. Kürzlich hat es eine Schwester so übersetzt: Es ist der Mut, sich ins Leben, wie es ist hinein zu knien! Dieses Bild fasziniert mich. Sich einzubringen ins Leben, in den Lebensalltag, sich hinein zu begeben in seine Höhen und Tiefen - das war der Dienst Jesu für uns - bis zum Tod am Kreuz.

 

 

Freitag, 14. April 2006

Guten Morgen- am Karfreitag. Es ist ein Hauptfest der evangelischen Christen. Es ist der Tag, an dem wir katholischen Christen keine Messe feiern. Das Gedenken an den Tod Jesu und die Verehrung des Kreuzes bilden die Mitte der Liturgie und unseres Glaubens. Das Kreuz, für die Juden ein  Ärgernis und für die Griechen (Heiden) eine Torheit, wie Paulus sagt, steht aufgerichtet vor uns.  

In einer multikulturellen und multireligiösen Kultur wird es immer mehr zu einem Stein des Anstoßes, zu Anlass für Kritik an den christlichen Kirchen und ihren Ansprüchen; manche sprechen auch von einer Zumutung….

Das Kreuz  IST das Zeichen unseres christlichen Glaubens: durch das Kreuz sind wir erlöst - nicht das Kreuz als Kreuz, sondern durch den Tod Jesu an diesem Schandmal der Geschichte. Es war die Todesart für einen Schwerverbrecher.  Es war das Ende einer großen Hoffnung! Scheiden sich deshalb hier die Geister, weil es eine so große unvorstellbare Tat ist, dass der Sohn Gottes den Weg in die Vernichtung geht und sich nicht siegreich aus dem Leid  erhebt in himmlische Sphären - wie man sich Märchengötter gern vorstellt. Das Kreuz bleibt ein Anstoß - für jeden Menschen - ein Anstoß zum Heil, zu Vertrauen und Glauben oder aber zu Ablehnung und NEIN, nicht so!

 

 

Samstag, 15. April 2006

Guten Morgen am Karsamstag - dem so genannten stillsten Tag: es gibt keine Liturgie - es ist Grabensruhe. Tot ist tot.

Ich erinnere mich an meine ersten Klosterjahre. Dieser Tag im Kirchenjahr ist für mich der gefürchtetste, ja der der ärgste gewesen:  er hat einfach kein Ende gehabt; nichts hat sich getan, alle und alles hat geschwiegen. Es war wirklich Totenstille im Haus. Ein ermüdender Tag. Ich habe nichts mehr ersehnt als die Feier der Auferstehung in den Abendstunden.

Wir haben uns oft auch Luft gemacht mit der Frage: wann endlich richtet sich der Jesus im Grab zum Auferstehn? Wann hat diese ermüdende Ruhe ein Ende?

 

Heute feiern wir die Auferstehung in den Morgenstunden des Ostersonntags. Und das Warten nach dem Karfreitag auf diese Stunde des Rufes „Licht Christi“ ist eine Zeit geworden, die mich mit Dank erfüllt.

Der stillste Tag ist mir geschenkt als eine Zeit, die Wucht des Kreuzes, das Geschehen des Todes, die Kraft der Stille und des Erwartens zu erleben.  

Ich wünsche Ihnen liebe Hörerinnen und Hörer Kraft aus der Stille, das wahre Licht Christi heute und morgen und an jedem Tag; die österliche Hoffnung, die heißt: Jesus ist nicht unter den Toten geblieben. ER lebt.