Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Seelsorgeamtsleiterin Elisabeth Rathgeb

 

 

Sonntag, 23.4.2006

„Glauben heißt, nichts wissen“??

"Glauben heißt, nichts wissen". Dieser Satz meines Volksschullehrers klingt mir noch immer in den Ohren. Bevorzugt verwendet hat er ihn, wenn jemand von uns die Antwort auf eine mathematische Frage damit eingeleitet hat: Ich glaube, 2 plus 2 ist 4.

Glauben heißt, nichts wissen.

Heute wissen wir, dass sich auch unser Wissen täglich ändert: Das, was gestern noch der Weisheit letzter Schluss war, kann heute schon ganz anders sein. Das, was gestern noch als wissenschaftlich geprüft und gesichert galt, kann heute durch neues Wissen schon ins Gegenteil verkehrt werden.

Daher glaube ich heute:

Glauben ist mehr als Wissen.

Glauben hat mit Vertrauen zu tun.

Wenn jemand sagt: "Ich glaube an dich" oder "Ich glaube dir" dann drückt sich darin mehr aus als nur das Wissen um Fähigkeiten. Es kommt auch das Vertrauen zum Ausdruck, das einem jemand entgegenbringt. Genauso gut könnte man sagen: Ich traue dir.

Wem traue ich? An wen glaube ich?

Glauben und Vertrauen braucht Einsatz. Es ist ein Wagnis, ein Risiko.

Zugleich ist es auch ein Geschenk: Ich schenke dir Glauben, ich schenke dir Vertrauen.

Was zwischen Menschen gilt, gilt auch für die Beziehung zwischen mir und Gott.

Gott geht dieses Risiko ein. Und kein noch so ungläubiger Thomas kann ihn davon abhalten...

 

 

Montag, 24.4 2006

Wie neu geboren

"Tun Sie's, sonst tut's eine andere Flasche!"

Mit diesen Worten ihres Beichtvaters hat mich vor Jahren eine Karmelitin ermutigt, eine neue Stelle anzunehmen. Es war nicht unbedingt das, was ich gerne hören wollte, aber es war mir auf jeden Fall eine Entscheidungshilfe.

Immer wieder stellt uns das Leben vor Entscheidungen: Oft sind es alltägliche Kleinigkeiten. Manchmal geht es aber auch um richtungweisende, einschneidende, lebensverändernde Entscheidungen: Etwas Neues will geboren werden.

Zeiten der Entscheidung sind oft Krisen-Zeiten in unserem Leben: Die Krise fordert eine Antwort von uns, ein Entweder-Oder. Dann erst wird sie zur Chance.

"Es gibt keinen Augenblick im Leben, in dem wir nicht einen neuen Weg einschlagen könnten", sagt Charles de Foucauld.

Aber was ist der "neue Weg"? Welcher Weg führt uns in die richtige Richtung und welcher ist eine Sackgasse?

Die ersten Christen hatten einen Spitznamen: Sie waren die "vom neuen Weg".

Sie hatten sich entschieden, Vertrautes hinter sich zu lassen.

Sie haben sich auf Neuland eingelassen.

Sie haben den Weg Jesu gewählt.

Eine richtige Entscheidung fühlt sich gut an und öffnet neue Lebensperspektiven: "Ich fühle mich wie neugeboren."

Wann dann, wenn nicht jetzt?

 

 

Dienstag, 25. 4. 2006

„Inmitten der Kochtöpfe ist der Herr zugegen“

oder: „Du, Gott, ich muss mit dir reden“

Allen, die Markus heißen, herzliche Gratulation zum heutigen Namenstag!

Markus ist der Verfasser des ältesten Evangeliums. Sein Symbol, der geflügelte Löwe, findet sich in allen Variationen auch in Venedig: Markus ist dort Stadtpatron.

Der Patroziniums-Gottesdienst im Markus-Dom in Venedig ist ein Gottesdienst der Extra-Klasse: Orchester und Chor, Pauken und Trompeten strahlen mit dem Gold der  Mosaiken im hellen Scheinwerfer-Licht um die Wette. Gotteslob auf venezianisch für den "Pantokrator", den Herrscher der Welt.

Eine ganz andere, einfache und direkte Form der Zwiesprache mit Gott hat ein Kindergartenbub in einem Tiroler Pfarrgottesdienst versucht: Als der Pfarrer aus der Sakristei kam, um den Gottesdienst zu eröffnen, hat er ihm zugerufen: "Du, Gott, ich muss mit dir reden!"

Du, Gott, ich muss mit dir reden - so unkompliziert wie das Kindergarten-Kind haben sich auch große Heilige wie Teresa von Avila Gott genähert:

"Gott hat sich mir zu erkennen gegeben als guter Freund, der jederzeit zu sprechen ist."

Alltagspflichten waren für Teresa dabei kein Hindernis:

"Inmitten der Kochtöpfe ist der Herr zugegen."

So gesehen hält der heutige Tag viele Gelegenheiten bereit, mit Gott zu reden...

 

 

Mittwoch, 26. 4. 2006

„Wenn du einen Brunnen gräbst, musst du an einem Ort graben“

An manchen Tagen gleicht unser Leben eher einer Wüste als einer blühenden Oase:

Alles erscheint grau in grau. In den Alltags-Sorgen erstickt die Lebensfreude. Überall ist Sand im Getriebe.

Alfred Delp, von den Nationalsozialisten hingerichteter Jesuit, sagt aus eigener Erfahrung:

"Die Wüsten müssen bestanden werden,

die Wüsten der Einsamkeit, der Weglosigkeit, der Schwermut, der Sinnlosigkeit, der Preisgegebenheit." Dann wird die Wüste zum Ort, in dem neues Leben entsteht: "Denn Gott, der die Wüste schuf, erschließt auch die Quellen, die sie in fruchtbares Land verwandeln."

Gott erschließt die Quellen - wir müssen sie nur fassen.

Aber wie geht das?

"Wenn du einen Brunnen gräbst, musst du an einem Ort graben", sagt eine alte

Weisheit.

Wer an vielen verschiedenen Stellen zu graben beginnt, verzettelt sich.

Wer überall ein bisschen gräbt, wird nirgends Wasser finden.

Wer nur an der Oberfläche kratzt, wird nicht zum Grundwasser in der Tiefe

vordringen.

Gott, der die Wüste schuf, erschließt auch die Quellen, die sie in fruchtbares Land verwandeln. „Es macht die Wüste schön, dass sie irgendwo einen Brunnen birgt.“ (A. Saint Exupery) 

Brunnen und Quellen warten darauf, von uns entdeckt zu werden.

 

 

Donnerstag, 27. 4. 2006

„Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen“

Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen.

Diese Erfahrung hat auch der heutige Tages-Heilige Petrus Canisius gemacht:

Petrus Canisius ist der Patron der Diözese Innsbruck. Als erster deutscher Jesuit hat er im 16. Jahrhundert in Tirol gewirkt und den Grundstein für das so genannte "Heilige Land Tirol" gelegt. Wie viel davon heute noch übrig ist, wage ich nicht zu beurteilen. Aber jeder, der ein Haus baut, kennt den Wert eines guten Fundamentes. Dieses Fundament war für Petrus Canisius sein tiefes Verwurzeltsein in Gott. Mit seinem Ordensgründer Ignatius von Loyla lebte er aus der Gewissheit, dass man "Gott in allen Dingen finden" kann.

Wer Gott in allen Dingen finden will, gibt seinem Leben eine neue Dimension.

Das passt manchmal nicht zum "Main-Stream", zum Trend.

Das erzeugt Widerstand oder ungläubiges Kopfschütteln.

Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen und manchmal mehr auf Gott hören als auf die Menschen.

Wer sich auf sein Fundament besinnt, muss deshalb aber noch lange kein Fundamentalist sein. Teresa von Avila, eine Zeitgenossin von Petrus Canisius, rückt die Wertigkeiten zurecht: "Bauen wir keine Türme ohne Fundament. Denn Gott schaut nicht so sehr auf die Größe der Werke, sondern auf die Liebe, mit der wir sie tun."

 

 

Freitag, 28. 4. 2006

„Man kann das Leben rückwärts sehen, aber leben muss man es vorwärts.“

Man kann das Leben rückwärts sehen, aber leben muss man es vorwärts. (Sören Kierkegaard) Vorwärts leben - damit ist schon einmal die Richtung klar. Aber noch nicht das Ziel - wohin soll unsere Lebens-Reise gehen?

"Wir wissen zwar nicht, wohin wir wollen, aber wir werden auf jeden Fall als erste dort sein."

(So ähnlich hat Helmut Qualtinger den Zeitgeist zwischen Orientierungslosigkeit und hektischer Betriebsamkeit charakterisiert.) Schnelligkeit, Tempo, Wettbewerb - als oberstes Ziel? Dann bleibt immer noch die Frage offen: Wohin geht die Lebens-Reise?

Poetischer formuliert, klingt es so: "Für ein Schiff, das seinen Hafen nicht kennt, ist kein Wind ein günstiger." Fragt sich nur, welcher Hafen der richtige ist. Welchen Hafen steuern wir an? Manche behaupten, der Weg entsteht im Gehen. Oder gar, der Weg ist das Ziel. Für viele Lebens-Situationen mag das stimmen.

Oft geht es darum, einfach Mut zu fassen und einen Anfang zu wagen.

Sich auf etwas einlassen, dessen Ausgang noch ungewiss ist.

Einen Weg entdecken und bereit sein, sich immer wieder neu zu orientieren. Auch wieder umzukehren, wenn sich die Spur verliert oder als ungangbar erweist.

Der Weg entsteht im Gehen. Auch das ist eine Möglichkeit, sein Leben "Vorwärts zu leben". Leichter leben lässt es sich mit einem Ziel vor Augen: Ostern ist nicht gestern.

 

 

Samstag, 29. 4. 2006

„Karriere nach innen“

Wer in Gott eintaucht, taucht neben den Armen wieder auf:

Dieser Satz könnte auch über dem Leben der heiligen Katharina von Siena stehen, deren Gedenktag wir heute feiern. Dabei hatte sie es mit 2 Sorten von Armut zu tun:

Einmal die materiell Armen und die Kranken, für die sie sich einsetzt. Im 14. Jahrhundert wütet die Pest - Katharina steckt sich an, überlebt aber.

Die zweite Sorte von Armut, um die sie sich kümmert, ist ganz anderer Art:

Die Kirche ist gespalten. Der Papst sitzt in Avignon im Exil. Die Mächtigen ihrer Zeit stehen den Konflikten hilflos gegenüber.

Obwohl Katharina jung und ungebildet ist, wird sie zur gefragten Beraterin der kirchlichen und weltlichen Elite ihrer Zeit.

Heute würden wir sagen, Katharina ist eine "Powerfrau". Die Quelle ihrer Kraft ist nichts Äußerliches:

Keine gute Ausbildung, kein Management-Training, kein Rhetorik-Seminar.

Katharinas Erfolgs-Geheimnis ist ihre intensive Beziehung zu Gott:

Ihre "Karriere nach innen" hat sie stark gemacht, mutig und frei.

Ihre Friedens-Appelle fallen auf fruchtbaren Boden.

600 Jahre nach ihrem Tod wird sie, die selbst nicht schreiben konnte, zur Kirchenlehrerin ernannt.

Wer in Gott eintaucht, taucht neben den Armen wieder auf: stärker, mutiger und freier.