Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

„Liebesworte für das Leben“

von Andrea Kerschbaumer, Religionslehrerin aus Villach

und  Fachinspektorin für den Kath. Religionsunterricht

in Kärnten

 

 

Sonntag, 7.5.2006

Heute ist Sonntag. Eine Woche lang werde ich nun jeden Tag wenige Minuten bei Ihnen zu Gast sein. Natürlich möchte ich Ihnen auch etwas mitbringen - Liebesworte möchte ich Ihnen schenken, jeden Tag einige Liebesworte für das Leben.

 

Es war einmal ein junger Mann, der eine Reise nach China unternahm. Dort verliebte er sich unsterblich in eine junge Frau. Ganz verzaubert kehrte er nach Hause zurück. Nach einigen Wochen kam ein Brief von ihr. Alle Schriftzeichen waren ihm fremd und er konnte sie nicht entziffern. Trotzdem wusste er, dass sie von ihrer Liebe zu ihm schrieb. Er wollte ihr antworten, beschloss aber zuerst Chinesisch zu lernen. Er hörte nicht mehr auf zu lernen und wurde zu einem großen Gelehrten der chinesischen Sprache. Nur an die Frau, die er liebte, dachte er immer weniger und der Brief, den er einmal schreiben wollte, blieb ewig ungeschrieben.

 

Gott spricht zu uns jeden Tag aufs Neue unzählige Liebesworte. Doch geht es uns dabei nicht manches Mal wie dem jungen Mann in der Geschichte? Wir wollen Gott ganz und gar verstehen und alles über ihn wissen - bevor wir ihm antworten. Und wir übersehen dabei, dass die Sprache Gottes immer die Liebe ist. Möge Sie dieses Liebeswort, dieser Gedanke, in den heutigen Sonntag begleiten.

 

 

Montag, 8.5.2006

Für diese Woche habe ich Ihnen Liebesworte für das Leben versprochen. Dazu bitte ich Sie, mich in ein Kloster zu begleiten.

 

Es war einmal ein Abt, der sich große Sorgen machte, weil es in seinem Kloster immer weniger Mönche gab. In seiner Not fragte er einen Einsiedler um Rat. „Einer unter euch ist der Messias!“, gab ihm der Einsiedler zur Antwort. Mit dieser Antwort kehrte er zurück in seine Gemeinschaft. Von da an änderte sich das gemeinschaftliche Leben im Kloster. Jeder vermutete im Mitbruder den Messias. Man redete nicht mehr über den anderen, man redete miteinander. Man begann aufeinander zu hören und hörte auf, die Fehler des anderen weiter zu tragen. Besucher merkten bald die Verwandlung der klösterlichen Gemeinschaft. Und es dauerte nicht lange und die Gemeinschaft wurde größer.

 

Dem Apostel Paulus ist es damals in Korinth wohl ähnlich ergangen, als er mit viel Überzeugungskraft versucht hat, Menschen für die Botschaft Jesu zu begeistern.

Im Hohelied der Liebe schreibt er:

Wenn ich in Menschen- und in Engelszungen redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich ein dröhnendes Erz und eine klingende Schelle.

Ohne Liebe geht es nicht, meint Paulus.

Ein Tag mit Liebe - probieren Sie es heute einfach einmal aus!

 

 

Dienstag, 9.5.2006

Liebesworte für das Leben möchte ich Ihnen diese Woche schenken.

Liebe hat auch mit Geduld zu tun.

 

„Komm und spiel mit mir“, schlug der kleine Prinz dem Fuchs vor. „Ich kann nicht mit dir spielen“, sagte der Fuchs. „Ich bin noch nicht gezähmt!“ „Was bedeutet zähmen?“ fragte der Prinz. „Zähmen, das ist eine in Vergessenheit geratene Sache“, sagte der Fuchs. „Es bedeutet, sich vertraut machen.“ „Vertraut machen?“ „Gewiss“, sagte der Fuchs. „Noch bist du für mich nichts als ein kleiner Junge. Und ich bin für dich nur ein Fuchs. Wir brauchen einander nicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt. Bitte … zähme mich!“ „Was muss ich da tun?, fragte der kleine Prinz. „Du musst sehr geduldig sein“, antwortete der Fuchs.

 

Manchmal braucht es einfach nur Geduld. Geduld mit einer neuen Situation vertraut zu werden, Geduld im miteinander vertraut werden, Geduld, ein Liebeswort zu erkennen, Geduld, es auszusprechen - und zu warten, bis ein Liebeswort auch bei mir ankommt.

Diese Geduld wünsche ich Ihnen heute!

 

 

Mittwoch, 10.5.2006

Gerne möchte ich Sie zu meinem Sprachkurs der Liebe einladen.

 

Herz, Hirn und Zunge kamen überein, keine kleinen Worte mehr zu machen. Das Herz sagte: „Diese kleinen Worte machen mich weich. Heutzutage muss ein Herz hart sein!“ Und das Hirn sagte: „Kleine Worte kosten nur Zeit! Große Gedanken, Formeln, Spekulationen …, so ist es richtig!“ Die Zunge sagte: „Mit kleinen Worten kann ich mich nicht abgeben! Die Sprache, die ich spreche, sind Fachausdrücke, Fremdworte, große Reden.“ So schickte das Herz nur mehr harte Worte auf die Zunge, das Hirn produzierte nur gescheite Worte, und die Zunge hielt große Reden. Und so wurde die Welt trostlos und kalt. Aber es gab noch immer Menschen, die sich an die kleinen Worte erinnerten und sie begannen zaghaft, sie wieder auszusprechen. Welche Kraft ging von diesen kleinen Worten aus, was konnten sie alles bewegen!

 

Denken Sie bei Liebesworten auch immer gleich an große Liebeserklärungen? Wie sehr warten wir oft auf große Worte der Liebe und überhören dabei kleine Botschaften der Zuneigung. Dabei fangen Liebesworte manchmal ganz klein an! Ein Gruß, eine Bitte, ein Dank … vielleicht auch nur ein Lächeln. Verstreuen Sie manches davon unter Menschen, denen Sie heute begegnen!

 

 

Donnerstag, 11.5.2006

Haben Sie gut geschlafen? Können Sie sich noch erinnern, was Sie heute Nacht geträumt haben? Ich will Ihnen einen Traum erzählen.

 

In einem Wald lebte ein kleiner Drache, der hatte einen Traum. Er träumte von einer Katze, die zu ihm sagt:  „Ich mag dich! Ich hab dich lieb!“ So suchte er unter allen Tieren nach dieser Katze. Jedoch die lachten ihn nur aus. Niemand sagte zu ihm: „Ich mag dich! Ich hab dich lieb!“ Da ging er traurig zurück in den Wald. Dort traf er einen kleinen Mann. Der nahm ihn mit in seine Hütte. Der kleine Drache schüttete ihm sein Herz aus. Der Mann verstand die große Sehnsucht des kleinen Drachen. Zum Abschied sagte er: „Kleiner Drache, ich mag dich. Ich hab dich lieb. Aber du sollst nie vergessen – hab dich selbst lieb, gerade so, wie du eben bist! Dann werden dich auch die anderen mögen!“

 

Ich mag dich! Ich hab dich lieb! – wunderbare Liebesworte! Liebesworte, die unsere Seele streicheln, die uns gleich ein paar Zentimeter größer werden lassen! Liebesworte, die verzaubern können! Lassen Sie den Zauber dieser Liebesworte wirken. Vielleicht sagen Sie heute einmal zu sich selbst: Ich mag mich! Ich hab mich lieb! Und wer weiß, vielleicht wirkt der Zauber dieser Liebesworte weiter zum Nächsten und zum Übernächsten.

 

 

Freitag, 12.5.2006

Liebesworte, suchen und finden – das habe ich mir für diese Woche vorgenommen. Liebesworte zum Behalten und Verschenken, Liebesworte an mich und an andere, Liebesworte mit Zauberkraft.

Heute darf ich sie in eine Schule einladen.

 

Gemeinsam mit Bischof Schwarz besuchte ich vor einigen Wochen eine Mölltaler Volksschule. Die Aufregung unter den Kindern war groß. Sie hatten unzählige Fragen vorbereitet, die sie dem Bischof stellen wollten. In kürzester Zeit hatte der Bischof die Herzen aller Kinder erobert. Voller Begeisterung erzählten einige Schüler, dass sie heute, am Tag des Bischofsbesuches, keine Aufgabe bekommen hatten. „Heute will ich euch eine Aufgabe geben“, meinte da der Bischof. Die Kinder hörten ganz angespannt zu. „Wenn ihr heute vor dem Schlafengehen betet, so merkt euch einen Satz: Lieber Gott, danke, dass ich so lieb bin.“  „Aber“, - protestierte da ein Bub, „ich bin ja nicht immer lieb.“ Da meinte der Bischof: „Du hast ja heute zum lieb sein noch den ganzen Tag Zeit.“

 

Lieber Gott, danke, dass ich so lieb bin. – Eine Anregung – nicht nur für Kinder!

Und wie meinte der Bischof: „Du hast ja heute zum lieb sein noch den ganzen Tag Zeit!“

 

 

Samstag, 13.5.2006

Liebesworte für das Leben sollten Sie in den letzten Tagen begleiten.

Ich habe viel über die Liebe nachgedacht, - über kleine Worte und Zeichen der Liebe, über die ganz große Liebe, über Liebesworte Gottes, die er täglich zu uns spricht …

Manchmal frage ich mich: Wie groß kann Liebe sein?

 

„Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab“, sagte der kleine Hase zu dem großen Hasen. „Oh“, sagte der große Hase, „ich glaub nicht, dass ich das wissen kann.“ „Sosehr“, sagte der kleine Hase und breitete seine Ärmchen aus, so weit er konnte. Der große Hase hatte viel längere Arme. „Aber ich hab dich soo lieb“, sagte er. Hm, das ist viel, dachte der kleine Hase. Dann hatte er eine Idee. „Ich hab dich den ganzen Weg bis zum Fluss runter lieb“, sagte der kleine Hase. „Ich hab dich bis zum Fluss und über die Berge lieb“, sagte der große Hase. „Ich hab dich lieb bis zum Mond“, sagte der kleine Hase. Da kuschelte sich der große Hase an den kleinen Hasen und flüsterte: „ Bis zum Mond und wieder zurück haben wir uns lieb.“

 

Liebesworte für das Leben – ohne Maß und Ziel, einmal ganz laut und dann wieder ganz leise, einmal leuchtend und dann wieder ganz verborgen…

Und doch – immer wieder Liebesworte für das Leben.

Ich wünsche Ihnen viele solcher Liebesworte.