Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
„Schmetterlinge im Bauch“
- Erotisches aus der Bibel
von Pfarrerin Christine
Hubka (Wien)
Sonntag, 14.5.2006
Kuscheln und streicheln.
Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik. Von Anfang an:
Das erste, was Adam und
Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies tun, wird so erzählt: Adam
erkannte sein Weib Eva, und sie wurde schwanger ...
Immer wieder heißt es,
dass ein Mann seine Frau „erkennt“. Das meint: sie schlafen
miteinander. Dabei erkennen sie einander auf ganz besondere Weise.
Er erkennt: Du bist meine
Frau, die für mich da ist, nicht nur als Gesprächspartnerin, nicht
nur als Gefährtin im Alltag, nicht nur beim Steine klauben am Acker.
Sondern: du bist die, deren weiche Haut, deren warmer Körper mich
erregt und mir Lust bereitet.
Sie erkennt: Du bist mein
Mann, der für mich da ist. Nicht nur als Gesprächspartner, nicht nur
als Gefährte im Alltag, nicht nur beim Steine klauben am Acker.
Sondern: du bist der, dessen Berührung mir eine Gänsehaut macht,
dessen Nähe ich suche.
In einem Alltag, der
ihnen alles abverlangt, - der Acker ist steinig und öd - erkennen
sie einander als die, die sie einst gewesen sind. Wenn sie
miteinander schlafen, ist da ein Stück vom verlorenen Paradies mit
dabei.
Wer weiß, ob sie im Lauf
des Tages nicht einmal Schmetterlinge im Bauch haben werden. Dann
denken sie daran, diese Schmetterlinge sind ebenso von Gott
geschaffen, wie die Schmetterlinge auf den Sommerblumen.
Montag, 15.5.2006
Kuscheln und streicheln.
Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik:
Ich lese das Liebeslied
einer Frau:
Meinem Freund gehöre ich
und nach mir steht sein
Verlangen.
Komm, mein Freund, lass
uns aufs Feld hinausgehen
Und unter Zyperblumen die
Nacht verbringen...
Da will ich dir meine
Liebe schenken.
Sie ist es, die aktiv
wird. Sie traut sich ihn zu locken. Hinaus in die sommerliche Nacht.
Hin zu dem lauschigen Plätzchen unter den Zyperblumen. Die
nächtlichen Düfte der Zyperblumen werden sei einatmen, wenn sie
einander ihre Liebe schenken.
„Komm, mein Freund, ich
will dir meine Liebe schenken“. Selbstbewusst sagt sie es. Da ist
nicht der leiseste Zweifel. Da ist keine Spur von Sorge, dass er
nicht in Stimmung sein könnte: Zu müde, zu beschäftigt, zu
erschöpft. Sie weiß es, sie spürt es: Nach mir steht sein Verlangen.
Er steht auf mich! Sie spielt keine Spielchen. Sie braucht keine
hintergründigen Methoden um ihm zu signalisieren: Schlaf doch mit
mir. Sie sagt offen und vertrauensvoll: Komm mit mir auf das Feld,
dort will ich dir meine Liebe schenken.
Wenn sie ihrem Liebsten
heute begegnen, vielleicht wartet er schon lang darauf, dass sie so
offen, so schlicht einfach sagen: Komm, ich will dir meine Liebe
schenken.
Dienstag, 16.5.2006
Kuscheln und streicheln. Werben und
lieben. Die Bibel ist voller Erotik.
Manchmal beginnen die Schmetterlinge
im Bauch ganz überraschend zu fliegen. Und dann fragen sie nicht, ob
es passend ist oder nicht.
Nach einem langen ermüdenden
Fußmarsch kehren Jesus und seine Jünger bei Freunden ein. Es gibt
ein reichliches Abendessen. Wie es üblich ist, liegen die Männer auf
großen Kissen um einen niedrigen Tisch herum. Ihre Schuhe haben sie
beim Eingang abgelegt. Die Atmosphäre ist wohlig und entspannt. Nach
dem Abendessen geschieht es: Maria, die Schwester der Gastgeberin
kommt mit einer Flasche voll teurem Massageöl. Ihr langes Haar trägt
sie offen. Hingebungsvoll beugt sie sich über Jesus und beginnt,
seine Füße zu massieren. Als sie fertig ist, trocknet sie seine Füße
mit ihrem dichten Haar ab.
Diese Szene habe ich einmal in einer
Gruppe mit Ehepaaren nachgespielt. Die erfahrenen Ehemänner haben
bestätigt, dass sie dabei ganz starke erotische Empfindungen hatten.
Auch ihre Frauen, die ihnen diesen Dienst erwiesen haben, haben eine
innige Nähe zu ihrem Mann gespürt. Selbst dann, wenn ihr Haar nicht
lang genug war, um seine Füße damit zu trocknen.
Wen wundert es, dass die anderen am
Tisch damals, sich über Maria empört haben. Und auch Jesus hatte
keine gute Nachrede. Denn er hat Maria verteidigt und gezeigt, wie
wohl es ihm getan hat, von ihr gestreichelt und liebkost zu werden.
Mittwoch, 17.5.2006
Kuscheln und streicheln. Werben und
lieben. Die Bibel ist voller Erotik. Manchmal wird es aber auch
kompliziert:
Er hat Rahel kennen gelernt und sich
gleich in sie verliebt. Aber um sie zu bekommen, musste er zuerst
ihre ältere Schwester Lea heiraten. Jetzt hat er also zwei Frauen:
Lea hat schon mehrere Söhne geboren. Rahel, die geliebte, bekommt
keine Kinder. Eifersüchtig wachen die beiden Schwestern darüber,
dass er nicht eine von ihnen bevorzugt: Wenn er am Abend vom Feld
kommt, ist schon ausgemacht, mit welcher er heute Nacht schlafen
wird: Immer abwechselnd. Heute ich – morgen du. Eines Tages findet
ein Sohn von Lea so genannte Liebesäpfel. Sie erhöhen die
Fruchtbarkeit bei Frauen. Als die kinderlose Rahel davon hört, will
sie das Heilmittel haben. Ihre Schwester aber sagt: „Ich habe kein
Interesse daran, dass du schwanger wirst. Denn dich liebt er
sowieso. Mich aber liebt er nur, weil ich ihm Söhne gebäre.“ Da
bietet Rahel ihr an: „Heute Nacht wäre ich dran, dass er mit mir
schläft. Wenn du mir das Fruchtbarkeitsmittel gibst, darf er zu dir
kommen und mit dir schlafen.“ Das Angebot gefällt Lea. Sie stimmt
zu. Als er am Abend vom Feld nach Hause kommt und zu Rahels Hütte
hineingehen will, läuft Lea zu ihm und sagt: „Heute schläfst du bei
mir, denn ich habe dich „erkauft“ mit Liebesäpfeln.“ Wortlos dreht
er um und geht mit ihr. In dieser Nacht wird Lea wieder schwanger.
Mir scheint, es kann für ihn ganz
schön anstrengend sein, wenn zwei Frauen sich einig werden im Bezug
auf einen Mann.
Donnerstag, 18.5.2006
Kuscheln und streicheln. Werben und
lieben. Die Bibel ist voller Erotik.
40 Jahre sind sie in der Steppe
herumgeirrt. Es waren harte Zeiten. Wasser und Essen gab es nur in
Notrationen. Die Strapazen haben den Männern die Lust genommen. Sie
wollten schlafen und ihre Ruhe haben.
Jetzt sehnen sich alle danach,
wieder in geordneten Verhältnissen zu leben. Aber zuerst muss das
Land erobert werden, wo sie zur Ruhe kommen können. Zwei von ihnen
werden als Kundschafter ausgeschickt: „Geht, schaut euch um in der
Stadt, die vor uns liegt. Wird es schwer sein, sie zu erobern?“ Die
beiden gehen in die Stadt. Aber sie schauen nicht nach den
Befestigungsanlagen. Sie fragen nicht nach der Bewachung der Stadt.
Sie fragen nach der Adresse, wo das rote Seil aus dem Fenster hängt.
Hier – bei der Hure Rahab – kehren sie als erstes ein. Hier – bei
der Hure Rahab – genießen sie alle Köstlichkeiten, die das
Stadtleben denen zu bieten hat, die aus dem harten Leben der Steppe
kommen. Hier – bei der Hure Rahab – finden sie wieder Freude daran
mit einer Frau zu schlafen.
Die Wächter der Stadt aber haben
nicht geschlafen. Ihnen kommen die Fremden, die im Freudenhaus
eingekehrt sind, verdächtig vor. Sie klopfen an die Tür: „Gib die
Männer heraus. Es sind Spione.“ Rahab aber versteckt die beiden am
Dachboden und schickt die Häscher in die falsche Richtung. Die
Männer entkommen.
Nachdem die Stadt erobert ist, wird
das Haus, wo das rote Seil aus dem Fenster hängt, unter besonderen
Schutz der Besatzung gestellt. Und Rahab, die Hure, wird zur
Ehrenbürgerin ernannt.
Freitag, 19.5.2006
Kuscheln und streicheln.
Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik.
Sie erzählt, wie eine
junge Frau die Künste der Erotik gelernt hat: Rut ist jung und
unerfahren. Ihr Mann ist bereits kurz nach der Hochzeit gestorben.
Rut sucht dringend einen neuen Mann. Denn damals hatte eine Frau
wenig Chancen allein zu überleben. Zufällig lernt sie einen
entfernten Verwandten ihrer Schwiegermutter kennen. Er ist
freundlich zu ihr. Korrekt und angenehm. Aber Rut will mehr. Sie
will, dass er sie nicht nur als arme Verwandte wahrnimmt, die er
wohltätig unterstützt. Rut will, dass er sie auch als Frau
wahrnimmt.
Die Schwiegermutter weiß
Rat: Bade dich, parfümiere dich, zieh dich hübsch an. Wenn er dann
während der Ernte in der Tenne schläft, dann geh hin und schlüpfe zu
ihm unter die Decke. Alles weitere wird sich schon ergeben.
Rut befolgt den Rat ihrer
Schwiegermutter. Als er schläft, schlüpft sie zu ihm unter die
Decke. Atemlos wartet sie, was nun passiert. Er spürt sie neben sich
und fragt: Wer bist du? Was willst du? Da sagt sie ihm, was sie sich
wünscht. Er merkt, wie angenehm sie sich unter seiner Decke anfühlt,
und ist bereit, sie zu heiraten.
Bald danach wird Hochzeit
gefeiert und ein Sohn kommt auf die Welt. Rut aber hält ihre
Schwiegermutter immer in Ehren und nimmt sie in ihre neue Familie
auf. Denn ihr Glück hat sie ja ihrem erfahrenen Rat zu verdanken.
Wenn sie also eine Schwiegermutter haben, wer weiß, was sie von ihr
noch alles lernen können.
Samstag, 20.5.2006
Kuscheln und streicheln.
Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik. Und Erotik sprengt
Grenzen.
Er singt für sie ein
Liebeslied:
Lege mich wie ein Siegel
auf dein Herz,
wie ein Siegel auf deinen
Arm.
Denn Liebe ist stark wie
der Tod
Und Leidenschaft
unwiderstehlich ...
Ihr Glut ist feurig
Und eine Flamme des
Herrn,
sodass auch viele Wasser
die Liebe nicht auslöschen
und Ströme sie nicht
ertränken können. Hld 8, 6 – 7a
Liebe sprengt Grenzen:
Romeo und Julia – Ihre Liebe hat sich über die Grenzen alter
Familienfehden hinweggesetzt.
Gemischt konfessionelle
Paare: Ihre Liebe lässt sich nicht aufhalten von Hindernissen, die
alte Kirchentraditionen immer noch diktieren.
Paare, die einander
gefunden haben, über die Grenzen von Kontinenten und Kulturen: Ihre
Liebe muss stark sein wie der Tod, wenn das Fremdengesetz sie
trennt. Wenn sie abgeschoben wird und er hilflos zusehen muss.
Woher nehmen solche Paare
die Kraft? Wie kommt es, dass ihre Liebe weiter lebt?
Der Sänger weiß es:
Liebe ist eine Flamme
Gottes,
Gott gibt der Liebe Kraft
und hält sie am Leben.
Wenn Ihre Liebe heute
unter Widerstand von außen leidet,
dann vergessen sie nicht:
Sie hat viel Kraft
bekommen von Gott,
der der Ursprung der
Liebe ist.
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