Morgengedanken

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ORF Regionalradios

 

 

 

„Schmetterlinge im Bauch“ - Erotisches aus der Bibel

von Pfarrerin Christine Hubka (Wien)

 

 

Sonntag, 14.5.2006

Kuscheln und streicheln. Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik. Von Anfang an:

 

Das erste, was Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies tun, wird so erzählt: Adam erkannte sein Weib Eva, und sie wurde schwanger ...

 

Immer wieder heißt es, dass ein Mann seine Frau „erkennt“. Das meint: sie schlafen miteinander. Dabei erkennen sie einander auf ganz besondere Weise.

 

Er erkennt: Du bist meine Frau, die für mich da ist, nicht nur als Gesprächspartnerin, nicht nur als Gefährtin im Alltag, nicht nur beim Steine klauben am Acker. Sondern: du bist die, deren weiche Haut, deren warmer Körper mich erregt und mir Lust bereitet.

 

Sie erkennt: Du bist mein Mann, der für mich da ist. Nicht nur als Gesprächspartner, nicht nur als Gefährte im Alltag, nicht nur beim Steine klauben am Acker. Sondern: du bist der, dessen Berührung mir eine Gänsehaut macht, dessen Nähe ich suche.

 

In einem Alltag, der ihnen alles abverlangt, - der Acker ist steinig und öd - erkennen sie einander als die, die sie einst gewesen sind. Wenn sie miteinander schlafen, ist da ein Stück vom verlorenen Paradies mit dabei.

 

Wer weiß, ob sie im Lauf des Tages nicht einmal Schmetterlinge im Bauch haben werden. Dann denken sie daran, diese Schmetterlinge sind ebenso von Gott geschaffen, wie die Schmetterlinge auf den Sommerblumen.

 

 

Montag, 15.5.2006

Kuscheln und streicheln. Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik:

Ich lese das Liebeslied einer Frau:

 

Meinem Freund gehöre ich

und nach mir steht sein Verlangen.

Komm, mein Freund, lass uns aufs Feld hinausgehen

Und unter Zyperblumen die Nacht verbringen...

Da will ich dir meine Liebe schenken.

 

Sie ist es, die aktiv wird. Sie traut sich ihn zu locken. Hinaus in die sommerliche Nacht. Hin zu dem lauschigen Plätzchen unter den Zyperblumen. Die nächtlichen Düfte der Zyperblumen werden sei einatmen, wenn sie einander ihre Liebe schenken.

 

„Komm, mein Freund, ich will dir meine Liebe schenken“. Selbstbewusst sagt sie es. Da ist nicht der leiseste Zweifel. Da ist keine Spur von Sorge, dass er nicht in Stimmung sein könnte: Zu müde, zu beschäftigt, zu erschöpft. Sie weiß es, sie spürt es: Nach mir steht sein Verlangen. Er steht auf mich! Sie spielt keine Spielchen. Sie braucht keine hintergründigen Methoden um ihm zu signalisieren: Schlaf doch mit mir. Sie sagt offen und vertrauensvoll: Komm mit mir auf das Feld, dort will ich dir meine Liebe schenken.

 

Wenn sie ihrem Liebsten heute begegnen, vielleicht wartet er schon lang darauf, dass sie so offen, so schlicht einfach sagen: Komm, ich will dir meine Liebe schenken.

 

 

Dienstag, 16.5.2006

Kuscheln und streicheln. Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik.

 

Manchmal beginnen die Schmetterlinge im Bauch ganz überraschend zu fliegen. Und dann fragen sie nicht, ob es passend ist oder nicht.

 

Nach einem langen ermüdenden Fußmarsch kehren Jesus und seine Jünger bei Freunden ein. Es gibt ein reichliches Abendessen. Wie es üblich ist, liegen die Männer auf großen Kissen um einen niedrigen Tisch herum. Ihre Schuhe haben sie beim Eingang abgelegt. Die Atmosphäre ist wohlig und entspannt. Nach dem Abendessen geschieht es: Maria, die Schwester der Gastgeberin kommt mit einer Flasche voll teurem Massageöl. Ihr langes Haar trägt sie offen. Hingebungsvoll beugt sie sich über Jesus und beginnt, seine Füße zu massieren. Als sie fertig ist, trocknet sie seine Füße mit ihrem dichten Haar ab.

 

Diese Szene habe ich einmal in einer Gruppe mit Ehepaaren nachgespielt. Die erfahrenen Ehemänner haben bestätigt, dass sie dabei ganz starke erotische Empfindungen hatten. Auch ihre Frauen, die ihnen diesen Dienst erwiesen haben, haben eine innige Nähe zu ihrem Mann gespürt. Selbst dann, wenn ihr Haar nicht lang genug war, um seine Füße damit zu trocknen.

 

Wen wundert es, dass die anderen am Tisch damals, sich über Maria empört haben. Und auch Jesus hatte keine gute Nachrede. Denn er hat Maria verteidigt und gezeigt, wie wohl es ihm getan hat, von ihr gestreichelt und liebkost zu werden.

 

 

Mittwoch, 17.5.2006

Kuscheln und streicheln. Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik. Manchmal wird es aber auch kompliziert:

 

Er hat Rahel kennen gelernt und sich gleich in sie verliebt. Aber um sie zu bekommen, musste er zuerst ihre ältere Schwester Lea heiraten. Jetzt hat er also zwei Frauen: Lea hat schon mehrere Söhne geboren. Rahel, die geliebte, bekommt keine Kinder. Eifersüchtig wachen die beiden Schwestern darüber, dass er nicht eine von ihnen bevorzugt: Wenn er am Abend vom Feld kommt, ist schon ausgemacht, mit welcher er heute Nacht schlafen wird: Immer abwechselnd. Heute ich – morgen du. Eines Tages findet ein Sohn von Lea so genannte Liebesäpfel. Sie erhöhen die Fruchtbarkeit bei Frauen. Als die kinderlose Rahel davon hört, will sie das Heilmittel haben. Ihre Schwester aber sagt: „Ich habe kein Interesse daran, dass du schwanger wirst. Denn dich liebt er sowieso. Mich aber liebt er nur, weil ich ihm Söhne gebäre.“ Da bietet Rahel ihr an: „Heute Nacht wäre ich dran, dass er mit mir schläft. Wenn du mir das Fruchtbarkeitsmittel gibst, darf er zu dir kommen und mit dir schlafen.“ Das Angebot gefällt Lea. Sie stimmt zu. Als er am Abend vom Feld nach Hause kommt und zu Rahels Hütte hineingehen will, läuft Lea zu ihm und sagt: „Heute schläfst du bei mir, denn ich habe dich „erkauft“ mit Liebesäpfeln.“ Wortlos dreht er um und geht mit ihr. In dieser Nacht wird Lea wieder schwanger.

 

Mir scheint, es kann für ihn ganz schön anstrengend sein, wenn zwei Frauen sich einig werden im Bezug auf einen Mann.

 

 

Donnerstag, 18.5.2006

Kuscheln und streicheln. Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik.

 

40 Jahre sind sie in der Steppe herumgeirrt. Es waren harte Zeiten. Wasser und Essen gab es nur in Notrationen. Die Strapazen haben den Männern die Lust genommen. Sie wollten schlafen und ihre Ruhe haben.

 

Jetzt sehnen sich alle danach, wieder in geordneten Verhältnissen zu leben. Aber zuerst muss das Land erobert werden, wo sie zur Ruhe kommen können. Zwei von ihnen werden als Kundschafter ausgeschickt: „Geht, schaut euch um in der Stadt, die vor uns liegt. Wird es schwer sein, sie zu erobern?“ Die beiden gehen in die Stadt. Aber sie schauen nicht nach den Befestigungsanlagen. Sie fragen nicht nach der Bewachung der Stadt. Sie fragen nach der Adresse, wo das rote Seil aus dem Fenster hängt. Hier – bei der Hure Rahab – kehren sie als erstes ein. Hier – bei der Hure Rahab – genießen sie alle Köstlichkeiten, die das Stadtleben denen zu bieten hat, die aus dem harten Leben der Steppe kommen. Hier – bei der Hure Rahab – finden sie wieder Freude daran mit einer Frau zu schlafen.

 

Die Wächter der Stadt aber haben nicht geschlafen. Ihnen kommen die Fremden, die im Freudenhaus eingekehrt sind, verdächtig vor. Sie klopfen an die Tür: „Gib die Männer heraus. Es sind Spione.“ Rahab aber versteckt die beiden am Dachboden und schickt die Häscher in die falsche Richtung. Die Männer entkommen.

 

Nachdem die Stadt erobert ist, wird das Haus, wo das rote Seil aus dem Fenster hängt, unter besonderen Schutz der Besatzung gestellt. Und Rahab, die Hure, wird zur Ehrenbürgerin ernannt.

 

 

Freitag, 19.5.2006

Kuscheln und streicheln. Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik.

 

Sie erzählt, wie eine junge Frau die Künste der Erotik gelernt hat: Rut ist jung und unerfahren. Ihr Mann ist bereits kurz nach der Hochzeit gestorben. Rut sucht dringend einen neuen Mann. Denn damals hatte eine Frau wenig Chancen allein zu überleben. Zufällig lernt sie einen entfernten Verwandten ihrer Schwiegermutter kennen. Er ist freundlich zu ihr. Korrekt und angenehm. Aber Rut will mehr. Sie will, dass er sie nicht nur als arme Verwandte wahrnimmt, die er wohltätig unterstützt. Rut will, dass er sie auch als Frau wahrnimmt.

 

Die Schwiegermutter weiß Rat: Bade dich, parfümiere dich, zieh dich hübsch an. Wenn er dann während der Ernte in der Tenne schläft, dann geh hin und schlüpfe zu ihm unter die Decke. Alles weitere wird sich schon ergeben.

 

Rut befolgt den Rat ihrer Schwiegermutter. Als er schläft, schlüpft sie zu ihm unter die Decke. Atemlos wartet sie, was nun passiert. Er spürt sie neben sich und fragt: Wer bist du? Was willst du? Da sagt sie ihm, was sie sich wünscht. Er merkt, wie angenehm sie sich unter seiner Decke anfühlt, und ist bereit, sie zu heiraten.

 

Bald danach wird Hochzeit gefeiert und ein Sohn kommt auf die Welt. Rut aber hält ihre Schwiegermutter immer in Ehren und nimmt sie in ihre neue Familie auf. Denn ihr Glück hat sie ja ihrem erfahrenen Rat zu verdanken. Wenn sie also eine Schwiegermutter haben, wer weiß, was sie von ihr noch alles lernen können.

 

 

Samstag, 20.5.2006

Kuscheln und streicheln. Werben und lieben. Die Bibel ist voller Erotik. Und Erotik  sprengt Grenzen.

 

Er singt für sie ein Liebeslied:

Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz,

wie ein Siegel auf deinen Arm.

Denn Liebe ist stark wie der Tod

Und Leidenschaft unwiderstehlich ...

Ihr Glut ist feurig

Und eine Flamme des Herrn,

sodass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen

und Ströme sie nicht ertränken können. Hld 8, 6 – 7a

 

Liebe sprengt Grenzen: Romeo und Julia – Ihre Liebe hat sich über die Grenzen alter Familienfehden hinweggesetzt.

 

Gemischt konfessionelle Paare: Ihre Liebe lässt sich nicht aufhalten von Hindernissen, die alte Kirchentraditionen immer noch diktieren.

 

Paare, die einander gefunden haben, über die Grenzen von Kontinenten und Kulturen: Ihre Liebe muss stark sein wie der Tod, wenn das Fremdengesetz sie trennt. Wenn sie abgeschoben wird und er hilflos zusehen muss.

 

Woher nehmen solche Paare die Kraft? Wie kommt es, dass ihre Liebe weiter lebt?

 

Der Sänger weiß es:

Liebe ist eine Flamme Gottes,

Gott gibt der Liebe Kraft und hält sie am Leben.

Wenn Ihre Liebe heute unter Widerstand von außen leidet,

dann vergessen sie nicht:

Sie hat viel Kraft bekommen von Gott,

der der Ursprung der Liebe ist.