Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Schwester Ingeborg von der Congregatio Jesu (vormals Institut der
Englischen Fräulein) in St. Pölten/NÖ
Sonntag, 28.5.2006
Unsere Gemeinschaft, die Englischen Fräulein - richtiger die Congregatio
Jesu -, besteht seit 300 Jahren in St. Pölten und wurde von der
Engländerin Mary Ward gegründet. Sie lebte von 1585 bis 1645, und
mehr als 30 Jahre lang hat sie sich bemüht, einen Frauenorden zu
gründen, der mitten in der Welt für das Heil der Menschen arbeiten
sollte. Zeitweise war der Erfolg greifbar nahe gewesen – aber
zuletzt wurde ihr alles wieder zerschlagen. Man traute den Frauen
damals so eine Lebensform einfach nicht zu. Als sie starb, hätte sie
allen Grund gehabt, traurig zu sein. Aber sie wusste: Nicht der
Erfolg ist in Gottes Augen wichtig, sondern das ehrliche und treue
Bemühen. Nur dieses steht in unserer Macht – der Erfolg liegt in
SEINER Hand. Doch was Gott wirklich will, das werden Menschen auf
Dauer nicht verhindern können.
So tröstete sie ihre Mitschwestern: „Schaut nicht so traurig! Lasst uns
singen und Gott fröhlich preisen für all seine unendlich liebreiche
Güte!“ Und sie behielt Recht: Die Congregatio Jesu besteht immer
noch. Dank ihrer Treue, dank der Treue ihrer Gefährtinnen, und dank
der Treue Gottes. Sie hat uns ein Beispiel gegeben: Wenn wir tun,
was wir können, wird Gott immer das tun, was wir nicht können.
Montag, 29.5.2006
Für Mary Ward, die Gründerin unserer Congregatio Jesu, war Gott ein
gütiger Vater und der „Freund aller Freunde“. Ihre Beziehung zu ihm
war von Liebe und Vertrauen geprägt, nicht von Furcht vor Strafe,
und das war für ihre Zeit, das 17. Jahrhundert, keineswegs
selbstverständlich. Dieses Vertrauen machte sie stark, auch in
schwierigen Zeiten, und es half ihr, sogar mit den eigenen Fehlern
positiv umzugehen. Sie nahm sie nicht leicht, aber sie ließ sie
nicht zu einem Hindernis zwischen sich und Gott werden. „Er sieht
mich nicht als strenger Richter an, der mit Härte blickt, um zu
strafen, vielmehr mit Liebe und mit der Sehnsucht, mir seine
besonderen Gnadengaben mitzuteilen“, schreibt sie. „O mein Gott, wie
freigiebig bist Du, und wie reich sind die, denen Du die Gnade
Deiner Freundschaft schenkst!“
Mary Ward wusste: Die eigenen Fehler nicht ernst zu nehmen, macht
leichtsinnig. Aber sich nur auf sein Versagen zu konzentrieren,
lähmt und entmutigt.
Sie hatte ein sicheres Mittel dagegen: „Sprich mit Gott! …. Geh nah zu
ihm hin! … Vertrau ihm!“ Gott schenkt seine Freundschaft jedem, der
sie annimmt.
Dienstag, 30.5.2006
Heute ist mein Thema die „Freundschaft“, die im Leben Mary Wards, der
Gründerin der Congregatio Jesu, ganz wichtig war. Für sie gab es
keinen Widerspruch zwischen Freundschaft zu Menschen und der Liebe
zu Gott. Sie sagt: „In Gott lass deine Liebe verwurzelt sein – und
dann bleibe deinem Freunde treu und schätze ihn hoch, ja höher als
dein Leben!“ Denn die Freundschaft eines Menschen ist das größte
Geschenk, das er uns machen kann. Es ist wert, viel dafür
einzusetzen.
Mary Wards Freundschaft war geprägt durch Treue, liebevolle Fürsorge,
Aufrichtigkeit und den Wunsch, alle, besonders ihre eigenen
Mitschwestern, immer näher zu Gott zu bringen. Die gemeinsame Liebe
zu IHM war das feste Band jeder Beziehung. Wäre es ihr aber nur um
ihre Beziehung zu Gott gegangen, dann hätte sie z.B. die
Verleumdungen und ungerechten Anklagen als ihren Anteil am Leiden
Jesu akzeptiert. Für ihre Gefährtinnen jedoch wehrte sie sich. Es
sollte kein Schatten auf der Gemeinschaft bleiben. Ihre Treue wurde
durch Treue belohnt. Ohne ihre Gefährtinnen wäre ihr Werk mit ihr
gestorben. Sie trugen es weiter. Wo wir Treue schenken, erhalten wir
Treue zurück.
Mittwoch, 31.5.2006
Mary Ward, die Gründerin der Congregatio Jesu, hatte viele Gegner, sogar
in der Kirche selbst. Sie scheiterte an ihrem Widerstand. Aber ihr
Umgang mit ihren Feinden verblüfft uns. Ihre Biographin erzählt:
Wenn ihr jemand Böses tat, bemühte sie sich nicht nur, ihm sofort
ganz und vollständig zu verzeihen, sie suchte auch nach
Gelegenheiten, ihm so viel wie möglich Gutes zu tun, sodass man
sagte, es sei fast noch besser, ihr Feind zu sein als ihr Freund.
So ein Verhalten war im 17. Jahrhundert so ungewöhnlich wie heute. Hier
hatte jemand das Evangelium ernst genommen, das uns sagt: „Liebt
eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen. Vergeltet nicht Böses
mit Bösem, überwindet das Böse durch das Gute!“ Und haben sich die
Feinde durch ihre Güte überwinden lassen? – Im Großen und Ganzen
behielten sie doch die Oberhand und verhinderten vorerst ihre Pläne.
Ist das Evangelium damit widerlegt?
Mary Ward hat zuletzt doch gesiegt. Sie starb ohne Verbitterung, mit
einem Herzen voll Liebe und Frieden, und ihr Werk lebt trotz aller
Widerstände heute noch. Sollten wir nicht auch einmal versuchen,
unseren Gegnern Gutes zu wünschen oder zumindest auf eine grobe
Anrede mit Freundlichkeit zu antworten?
Donnerstag, 1.6.2006
„Ich habe vor kurzem einen Priester sagen höre, er wolle nicht um 10.000
Welten eine Frau sein, weil er dachte, eine Frau könne Gott nicht
erkennen. Ich antwortete nichts sondern lächelte nur, obwohl ich ihm
hätte antworten können aus der Erfahrung, die ich vom Gegenteil
habe.“ – So Mary Ward, die Gründerin der Congregatio Jesu, im Jahre
1617, als ein englischer Jesuit gemeint hatte, sie und ihre
Gefährtinnen seien ja doch „nur Frauen“.
Diese Reaktion war ganz typisch für sie: Sie verzichtete darauf, zu
argumentieren, wohl, weil sie ihren Gesprächspartner nicht
öffentlich beschämen wollte. Aber es war ihr sehr wichtig, dass ihre
Gefährtinnen sich von jedem Gefühl der Minderwertigkeit frei
machten. „Was denkt ihr euch bei dem Wort „nur Frauen“? Klingt das
nicht, als wenn wir in jeder Beziehung einigen anderen Geschöpfen –
ich nehme an den Männern – unterlegen wären?
Sie wurde nicht müde, ihren Schwestern einzuschärfen: „Es gibt keinen
solchen Unterschied zwischen Männern und Frauen! …. Lassen wir uns
nicht die Auffassung aufdrängen, dass wir nichts tun können! Ich
vertraue auf Gott, dass Frauen auch in kommenden Zeiten Großes
vollbringen werden.“ Nicht was andere uns zutrauen bestimmt unseren
Wert, sondern was Gott uns zutraut.
Freitag, 2.6.2006
Mary Ward, die Gründerin der Congregatio Jesu, liebte die katholische
Kirche, wie nur jemand sie lieben kann, der für seine Kirchentreue
einen hohen Preis bezahlt hat. Englands katholische Märtyrer waren
die Helden ihrer Jugend gewesen, ihre Verwandten erduldeten
Gefängnis, Bußgelder und ständige Verfolgung, und sie selbst hatte,
um ihren Orden zu gründen, die geliebte Heimat verlassen müssen.
Aber die Kirche, der sie bei ihrer Sorge für das Heil der Seelen in
jeder für Frauen nur möglich Weise helfen wollte, - diese Kirche
wies ihre Hilfe zurück und sah in ihrem Bemühen nur Anmaßung und
Überheblichkeit.
Mary Ward blieb unbeirrbar loyal. Sie leistete der Aufhebung ihrer
Gemeinschaft durch den Papst keinen Widerstand. - Und doch hielt
sie auch ihrem göttlichen Auftrag die Treue. Sie erklärte, sie könne
für jetzt von ihrem Werk ablassen, jedoch ändern könne sie es nicht.
Denn es gehe nicht um sie selbst, sondern um die Sache Gottes.
Noch auf dem Totenbett ermunterte sie die Gefährtinnen: „Lebt eure
Berufung treu, tatkräftig und liebevoll!“ Denn sie war sicher: Es
wird eine Zeit kommen, in der die Amtskirche eine aktive Teilnahme
der Frauen an der Seesorge erlaubt – und ihre doppelte Treue hat
mitgeholfen, diese Zeit herbeizuführen.
Samstag, 3.6.2006
Eines der bekanntesten Bilder Mary Wards, der Gründerin der Congregatio
Jesu, zeigt sie mit Hut und Stab als Pilgerin. Und kein Bild drückt
ihr Wesen besser aus. Eine Pilgerin ist sie ihr ganzes Leben
gewesen: – von England auf den Kontinent – quer durch Europa von
Lüttich nach Neapel – zurück nach München, Wien und Bratislava -
immer wieder heimlich nach England, wo sie steckbrieflich gesucht
wurde - dreimal nach Rom, meist zu Fuß und stets vergeblich.
War sie heimatlos? – oder war sie nicht vielmehr überall zu Hause, weil
sie die Heimat in sich trug? Was gab ihr die Kraft, immer wieder neu
aufzubrechen? Immer wieder neue Wege zu ihrem Ziel zu suchen? Ein
Sprichwort sagt: „Mit einem Freund an der Seite ist kein Weg zu
weit!“ Für Mary Ward war Jesus dieser Freund. Mit ihm war ihr Leben
sinnvoll und erfüllt, auch wenn alle ihre Pläne scheiterten.
Gilt das nicht auch für uns? Jeder Mensch ist ein Pilger, der durch
Höhen und Tiefen seinen Weg suchen muss. Und Jesus will mit allen
Menschen gehen – alle Wege und auch Umwege unseres Lebens. Wir gehen
nicht ins Ungewisse, wir gehen auf ein Ziel zu: auf ihn.
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