Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Pfarrerin Ingrid Tschank (Gols, Burgenland)
Sonntag, 9.7.2006
Alles, was Odem hat, lobe
den Herrn! (Psalm 150, 6)
Mit jedem Atemzug, den
ich in meinen Körper einsauge nehme ich die Welt in mir auf. Energie
und Stärke, Lebensfreude und Hoffnung, auch viel Dank für alles, was
mir gut tut.
Mit jedem Ausatmen lasse
ich dann wieder los und befreie mich von der alltäglichen Hast, von
den Anstrengungen der hundert Notwendigkeiten. Ich atme aus und
reinige mich von allem, was mich beschwert und gefangen hält.
Heute will ich leben und
ich will weder an alten Wunden kratzen noch an neuen Plänen basteln.
Ich will meinen eigenen Körper wieder spüren und ihn anerkennen als
von Gott geschaffen und gut - trotz mancher Schmerzen und
Krankheiten. Ich will Gott dafür danken, dass ich lebe, obwohl ich
weiß, dass auch ich sterblich bin wie alles, was mich umgibt.
Im Psalm 150 (V. 6) heißt
es: Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!
Mein eigener Körper wird
zu einem Ort, der empfänglich ist für die geistreiche Gegenwart
Gottes und ich spüre mich als Teil der wunderbaren Schöpfung.
Mein Atem kommt und geht
von selbst, ganz ohne mein Zutun. Die Luft, die mich durchströmt,
ist ein Geschenk, das mich am Leben hält. Sie ist zugleich aber auch
die Versicherung dafür, dass mit jedem Loslassen etwas Neues
nachkommt.
Gott sei Dank!
Montag, 10.7.2006
Das Boot
Eine Reise, ein Weg, ein Abenteuer beginnt immer dann, wenn wir unsere
gewohnte Welt verlassen und Schritte wagen, dorthin wo anderes auf
uns wartet. Mut brauchen wir dazu, Neugier und eine große Portion
Hoffnung, um unseren Träumen zu folgen und offen zu sein. Nur der
Mensch wird Neues entdecken und erleben, der etwas erwartet.
In diesen Wochen machen sich viele von uns zu solchen neuen Wegen auf.
Die meisten werden das Flugzeug oder das Auto nehmen, aber manche
treten ihre Reise auch mit einem Schiff oder Boot an.
Das Boot ist ein altes Symbol für Gemeinschaft, für das miteinander
Arbeiten und für ein gemeinsames Ziel. Darüber hinaus ist das Boot
aber auch ein Symbol für Freude und Glück, für Freiheit und
Eigenständigkeit.
Das Boot hat eine besondere Bedeutung auch in der Bibel. Noah hat auf
Gottes Wort hin eines gebaut und darin seine Familie und von jedem
Tier ein Paar vor der großen Sintflut bewahrt. Auch Jesus hat
oftmals vom Boot aus zu den Menschen gesprochen. An vielen Stellen
der Evangelien heißt es: „Und Jesus setzte sich und lehrte die Menge
vom Boot aus.“ (z.B. Matthäus 5, 3)
Wo Jesus Boote fand, da fand er auch die Menschen, deren Nähe und
Gemeinschaft für ihn lebenswichtig waren.
Dienstag, 11.7.2006
"Geh aus deinem Land in
ein Land, das ich dir zeigen will"
Im Urlaub ist Tapetenwechsel angesagt. Sich aufmachen und die vertraute
Umgebung hinter sich lassen. Sich weit hinauf zum Himmel strecken
und tief in sich selbst hinein. Neues sehen und wagen und sich an
der schönen Erde erfreuen.
Auf Urlaubsreisen da proben wir Verwandlungen und Erneuerungen.
Spielerisch probieren wir ein anderes Leben aus. Wenn der Urlaub
gelingt, kommen wir verwandelt zurück. Gereinigt vom Bad im Meer.
Beeindruckt von der wilden Landschaft der Berge, berührt von den
Begegnungen mit anderen Menschen.
Ein paar Tage oder Wochen ohne Verpflichtungen des Alltags und ohne den
Druck von Terminen zu leben, das ist eine Erfahrung, die unser
Körper und unsere Seele brauchen.
Reisen und Religion sind miteinander verwandt. Ihr gemeinsames Muster ist
Verwandlung und Erneuerung. Ihr gemeinsamer Ort ist unser Körper und
unsere Seele. Wir gehen fort um anders wiederzukommen. Wir lernen
uns auf neue Weise kennen und sehen uns selbst in einem anderen
Licht.
Das illustriert beispielhaft die Abrahamsgeschichte aus dem ersten
Testament: Zwischen dem Wort Gottes "Geh aus deinem Land in ein
Land, das ich dir zeigen will" und dem Betreten dieses verheißenen
Neulandes, da liegt die intensive Erfahrung einer langer Reise: Mühe
und Entbehrung, Glück und Freude, Verwandlung und Erneuerung.
Mittwoch, 12.7.2006
Geh aus mein Herz
Die Natur ist das Kostbarste, was wir Menschen haben. Wir sind ja selbst
ein Stück Natur. Wir kommen aus dieser Erde und gehen eines Tages in
sie zurück.
Unter freiem Himmel sich an all der Naturschönheit zu erfreuen, was kann
es Schöneres geben. Die Vorlieben sind zwar recht unterschiedlich,
doch es ist gut für Körper und Geist, sich am Wasser abzukühlen,
unter einem Baum zu liegen, mit lieben Menschen im Garten zu sitzen
oder auf Wanderwegen in luftige Höhen hinauf zu steigen. „Geh aus
mein Herz und suche Freud` in dieser lieben Sommerzeit…“, heißt es
in dem beliebten Kirchenlied von Paul Gerhardt.
Viele Menschen erleben aber den Sommer nicht nur als schöne freie Zeit,
gerade in der Landwirtschaft ist in diesen Wochen viel zu tun. Und
es mag draußen bei der Arbeit einem der Sonnenschein schon ein wenig
lästig werden und die Kräfte rauben. Aber ohne Energie, ohne Sonne
wächst nichts hervor aus dieser Erde.
Der Sommer mit seiner Fülle und Pracht erinnert Paul Gerhardt an die
Gnade Gottes. Sie ist für ihn so herrlich, so prächtig und so
wunderbar, wie eben die Natur bei uns in den Sommermonaten. Suchen
und genießen wir die Freude an der Natur in dieser schönen
Sommerzeit, denn das alles hat Gott uns geschenkt, aus Liebe und
Gnade. Geh aus mein Herz und suche Freud….
Donnerstag, 13.7.2006
Sommerträume
Viele unserer Sehnsüchte bleiben unerfüllt. Aber unsere Sehnsüchte
begleiten uns unser ganzes Leben, selbst dann, wenn wir sie begraben
haben.
Unsere Sehnsüchte liegen in der Tiefenschicht unserer Seele. Sie sind,
als ob sie eine zweite Natur wären, die in uns schlummert. Manchmal
jedoch passiert es, dass unsere Sehnsüchte plötzlich erwachen, dass
sie sich in uns aufrichten und unsere Gefühle und Gedanken
bestimmen. Es mag in einer stillen Stunde am Strand sein oder beim
Durchschauen alter Fotos, oder während eines Spaziergangs.
Unsere Sehnsüchte tragen viele Gesichter: das Gesicht der Freiheit, das
Gesicht der Geborgenheit, das Gesicht der Ferne ebenso wie das der
warmen Nähe. Sie sind das Gefühl wahren Lebens, das unserem
gegenwärtigen Leben immer ein wenig voraus ist. Es ist nicht die
Unzufriedenheit mit dem Alltag, aus der die Sehnsüchte geboren
werden, denn auch der Alltag schenkt sehr viel Zufriedenheit. Die
Sehnsucht ist die Triebfeder des Lebens. Selbst Gott kennt die
Sehnsucht. Nicht länger wollte er alleine sein. Er schuf den
Menschen zu seinem Bilde und freute sich daran. Er wurde Mensch in
Jesus Christus und überwand damit alle göttliche Ferne durch
menschliche Nähe.
Freitag, 14.7.2006
„Und Gott ruhte am
siebenten Tag von allen seinen Werken“ (1. Mose 2, 2)
Im Sommer erfüllt sich für viele Menschen die Sehnsucht nach Sonne,
Baden, Wandern, Ausspannen. Das ist für viele der Inbegriff von
Urlaub, darauf freuen sie sich schon das ganze Jahre über.
Urlaub ist aber mehr als arbeitsfreie Zeit und Schulferien. Urlaub kennt
keine Jahreszeit oder Mindesttemperaturen und genauso wenig eine
bestimmte Landschaft. Die einen bleiben im Lande, manche am liebsten
zu Hause. Andere reisen in ferne Länder. Manche brauchen in jedem
Urlaub Neues, andere zieht es zum vertrauten Urlaubsgebiet zurück,
jedes Jahr.
Urlaub braucht aber vor allem Menschen, die sich auf Urlaub einlassen
wollen. Wer gearbeitet hat, bis er am Ende seiner Kraft ist, bis er
Urlaub ganz dringend nötig hat, der schafft vielleicht noch den
Ortswechsel, aber er nimmt seine Sorgen, seine Gedanken an die
Arbeit mit sich mit. Er verbringt seine Zeit anderswo, aber damit
ist noch lange nicht gesagt, dass er seinen Urlaub erlebt, dass er
sich selbst und die Menschen um ihn wieder neu wahrnimmt.
Urlaub in kleiner Dosierung brauchen wir das ganze Jahr über. Das ist der
Sinn des Sonntag, des freien Tages. Sogar Gott hat ihn gebraucht,
seinen freien Tag, so steht es im 1. Buch Mose (1. Mose 2, 2): „Und
Gott ruhte am siebenten Tag von allen seinen Werken“
Samstag, 15.7.2006
Wie ein Baum
Bäume haben eine besondere Bedeutung für uns Menschen. Sie geben Schutz,
sie ernähren uns mit ihren Früchten, sie liefern uns Holz und sie
sind letztlich durch ihre Blätter unerlässlich für eine saubere
Luft. Dass Bäume für den Menschen eine besondere Bedeutung haben,
dass wussten bereits unsere Vorfahren. Auch in der Bibel hat der
Baum seinen wichtigen und wertvollen Platz. Beim Propheten Jeremia
(17, 7) heißt es: „Gesegnet ist der Mensch, der sich auf den Herrn
verlässt … Der ist wie ein Baum…“
Wie ein Baum, das wünsche ich uns, sollen wir wachsen und reifen.
Manchmal wird es durch Tränen und Leid hindurch geschehen,
hoffentlich oftmals auch durch Lachen und Glück.
Wie ein Baum, sollen wir fest in unserem Leben stehen und unsren eigenen
Weg suchen und finden. Tief sollen unsere Wurzeln in die Erde
reichen, dass wir nicht so leicht in den Grundfesten erschüttert
werden.
Weit sollen wir unsere Zweige ausbreiten, hinaus in die Welt und hinauf
in den Himmel. Offen sollen wir sein und unser Leben mit beiden
Händen ergreifen - jeden Tag aufs Neue.
Unser Blätterwerk soll durch die Jahre hindurch reich und üppig werden,
so dass es Menschen, die unsere Nähe brauchen, Schutz und
Geborgenheit schenkt.
Unser Stamm soll kräftig sein, Sicherheit und Verlässlichkeit bieten. Und
dann und wann möge jemand sich an unseren Stamm lehnen um an ihm
auszuruhen.
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