Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Adolf Karlinger, Pfarrer in Innsbruck / Saggen

 

  

Sonntag, 16.7.2006

Alle Wege führen nach Rom

Alle Wege führen nach Rom, heißt ein bekanntes Sprichwort.

Ich war letzte Woche mit unseren Firmlingen, sie sind bei uns 14 Jahre alt, in Rom unterwegs. Wenn man nach Rom kommt, hat man den Eindruck, die ganze Welt kommt nach Rom. Und das beeindruckt junge Leute. Natürlich kann man in der Julihitze nicht nur Besichtigungen machen, man muss auch ans Meer fahren, um sich abzukühlen und schwimmen zu gehen, das gehört dazu. Dennoch gibt es gewaltige Eindrücke, die nie mehr vergessen werden können

Beeindruckend ist das alte Rom, der Verkehr, die hohen Preise und natürlich auch die Erfahrung von Weltkirche. Eine Generalaudienz auf dem Petersplatz, wie sie jeden Mittwoch um 10 Uhr vormittags stattfindet, vermittelt einen kräftigen Hauch von Weltkirche. Nicht nur die Begrüßungen in den verschiedenen Sprachen, die ein Sprecher des Papstes und dann der Papst selbst vornimmt, auch die Gruppen aus aller Welt, die sich je nach Mentalität lautstark oder zurückhaltender bemerkbar machen.

Da ist eine Gruppe aus Afrika, aus Nigeria, dort eine Gruppe aus Chile in Südamerika, da eine Schulklasse aus der Schweiz, Leute aus den Vereinigten Staaten, viele Spanier und noch mehr Italiener. Aber besonders die Bayern sind derzeit die Listenführer, nicht unbedingt wegen der Frömmigkeit, es ist einfach eine Prestigesache, denn “wir sind Papst“.

 

 

Montag, 17.7.2006

Der reiche Vatikan!

Der reiche Vatikan, ja der reiche Vatikan, das hört man immer wieder. Der Vatikan sollte seine Kunstschätze verkaufen und den Erlös den Armen geben, das wäre christlich, so sagt man.

Millionen von Menschen besuchen jedes Jahr die Vatikanischen Museen und die Sixtinische Kapelle. Alle Besucher sind überwältigt von den Kunstschätzen, die sich da im Laufe von Jahrhunderten angesammelt haben. Aber gerade diese Kunstschätze sind heute für den Vatikan so wichtig: Die Museen sind die wichtigste Einnahmequelle neben dem Peterspfennig und vielleicht noch einigen Finanzspekulationen, von denen man nur aus Gerüchten etwas weiß. Der Vatikan hat als Staat und Gemeinwesen etwa 1000 Angestellte, die auch gerecht bezahlt werden müssen. Darüber hinaus möchte ich aber auch hinweisen, dass diese Kunstschätze alle noch einmal auf einen viel tiefer liegenden Schatz hinweisen, der uns nur im Glauben zugänglich ist.  Der Kunstschatz der Kirche ist ein Zeichen des inneren Reichtums, den die Kirche zu vertreten und zu verschenken hat. Gottes Liebe, Gottes Gnade, unverdient und ohne Vorleistung. Was sich dann ausdrückt in den Hoffnungen der Menschen in allen Lebenssituationen und ein unverdienter Schatz im Himmel. Kunstschätze des Vatikan weisen darauf hin, denke ich. Sie sind ein Fingerzeig auf eine Ebene, die tiefer liegt und die nicht so schnell und billig zugänglich ist. Junge Leute haben auch dafür ein feines Gespür.

 

 

Dienstag, 18.7.2006

Die Sixtinische Kapelle

Die Sixtinische Kapelle muss man gesehen haben. Immerhin ist sie der Ort, wo der Papst gewählt wird und von der schwarze oder nach der erfolgten Wahl der weiße Rauch durch den Schornstein aufsteigt. Die Sixtinische Kapelle hat ihren Namen von dem Papst, der sie erbauen ließ, nämlich Papst Sixtus der IV., der im 15. Jahrhundert, kurz vor der Reformation lebte und sich diese Kapelle als Hofkapelle des Papstpalastes errichten ließ.

Die Sixtinische Kapelle muss man gesehen haben. Dafür nimmt man in Kauf, ein, zwei bis drei Stunden in der Warteschlange zu stehen und sich dann durch die Gänge der Vatikanischen Museen schieben zu lassen, um schließlich wenigstens einmal im Leben dort gewesen zu sein, wo der Papst gewählt wird.

Zwei Bilder möchte ich meinen Firmlingen besonders nahe bringen: Die Erschaffung des Menschen, und das Altarbild vom weltrichtenden Christus. Beeindruckend wie Gott Vater dem Adam die Hand, genauer den Finger reicht und so den Lebensatem in ihn einströmen lässt. Man spürt, wie der schlaffe leblose Leib des Adam auf einmal von Lebensatem und Lebensgeist erfüllt wird. Der Lebensgeist  fließt auf ihn über und richtet ihn auf und erfüllt ihn mit Leben. Das  ist die Botschaft.

Und dann der strenge Richter in der Gestalt eines griechischen Helden, der die Menschengeister in Gerettete und Verdammte scheidet. Dann am Abend reden wir über die vielen sehr unterschiedlichen Gottes- und Christusbilder der Geschichte und der Gegenwart und wer ist Gott und wer ist Jesus Christus für mich!

 

 

Mittwoch, 19.7.2006

In die Tiefen der Katakomben

Ein Besuch in einer der Katakomben gehört zu einer Reise nach Rom, ganz besonders für junge Leute. Man hat ja meist aus seiner Kindheit eine Vorstellung von den Katakomben als den Versammlungsort der Christen, wo sie zusammengekommen sind, wo sie sich verstecken konnten vor den bösen Kaisern, die sie verfolgten und ihnen nach dem Leben trachteten. Die Katakomben waren die Friedhöfe des kaiserlichen Rom, in dem es etwa ein Million Einwohner gab. Niemand durfte innerhalb der Stadtmauern begraben werden, das war Gesetz. Man brauchte somit außerhalb der Mauer Friedhöfe, die schließlich bis vier Stockwerke tief in die lehmige Erde gegraben wurden.

Ich feiere mit den Jugendlichen in einem der kleinen Räume eine heilige Messe, sehr schlicht und fast so wie die Christen in der Urkirche in den Katakomben, die meist aber in ihren Häusern zusammenkamen und im Auftrag Jesu Eucharistie gefeiert haben. Da fällt alles weg, was so rundherum ist, es geht da um das Wesentliche und der Ort ist einfach angetan, ergriffen zu werden und Gottes Nähe fast greifbar zu spüren.

Vielleicht muss man wirklich erst in die Tiefe gehen, um auch zu verstehen, was Jesus gemeint hat, wenn er sagt: tut dies zu meinem Gedächtnis und ich bin bei euch bis zum Ende der Weltzeit. Warum gibt es zu Hause nicht solche Gottesdienste, fragen sie immer wieder.

 

 

Donnerstag, 20.7.2006

Das offene Pantheon!

Das Pantheon ist das älteste gut erhaltene Gebäude Roms, das ursprünglich allen Göttern geweiht war. Deshalb heißt es ja auch Pan-theon, das heißt, für alle Götter.

Im Jahr 609 nach Christus wurde das Pantheon, der Tempel aller heidnischen Götter, zur Kirche aller christlichen Märtyrer umfunktioniert, eine sehr sinnvolle Namensänderung. Das Allerheiligenfest, das ja bis heute eine große Bedeutung hat, geht auf diese Tatsache zurück. Heute ist das Pantheon auch ein Nationalheiligtum, weil die ersten italienischen Könige Viktor Emmanuel II. und Umberto I. sowie die Königin Margherita dort begraben sind.

Das Pantheon ist ein Rundbau mit einer römischen Kuppel, ein Kunstwerk der antiken römischen Architektur. In der Mitte der Kuppel ist eine Öffnung, die 9 m im Durchmesser hat, wo das Wasser einströmt, wenn es regnet, aber auch das Licht. Wenn die Sonne scheint, wirft sie ihre Strahlen in den Tempel, die die Innenseite der Kuppel entlang ziehen und um 12 Uhr mittags genau über dem Eingangstor glänzen. Ein heidnischer Tempel, eine christliche Kirche, wie wichtig ist die Religion, immer wieder stellt sich die Frage. Die beste Religion bringt nichts, wenn sie nicht verstanden und nicht gelebt wird. Das Pantheon ist ein Denkmal geworden. Dennoch spüre ich gerade dort den Hauch einer anderen Welt, die sich nicht zuletzt im Strahl der Sonne durch die offene Kuppel spürbar macht. Ein Stück offener Himmel! Das ist die Botschaft des Pantheon.

 

 

Freitag, 21.7.2006

An der Bahre von Johannes Paul II.

Ich war mit einer Schulklasse in Rom als Johannes Paul II. starb. Er wurde im Petersdom aufgebahrt und schließlich in der Papstkrypta unter der Peterskirche begraben. Seine letzte Ruhestätte ist bereits heute eine Pilgerstätte für Gläubige aus der ganzen Welt, in erster Linie natürlich für Polen.

Wir versuchten mit der Schulklasse ein wenig von der Stimmung am Peterplatz mitzubekommen und wollten abends vor dem großen Ansturm der Polen, eine Million Polen war angesagt – noch den Petersplatz besichtigen. Es war nicht mehr möglich, alles war abgesperrt. Man sah aber schon die unendlich lange Warteschlange für den Besuch an der Bahre des verstorbenen Papstes. Die meisten Schüler kehrten ins Hotel zurück, sieben an der Zahl stellten sich mit mir an, in der Hoffnung nach ein bis zwei Stunden im Petersdom zu sein.

Ich kann es selber nicht glauben,  es wurden 12 Stunden, von 9 Uhr abends bis 9 Uhr Vormittags. Ich werde diesen langen und außergewöhnlichsten Pilgerweg meines Lebens nie mehr vergessen. Eine ganze Nacht, 12 Stunden, nur um den toten Papst eine Minute lang sehen zu können. Es war eine ganz eigene Stimmung. Da und dort wurde ein Lied gesungen, ein Gebet gesprochen, man bekam Wasser zu trinken und Toiletten standen zur Verfügung. Was mir und was den Jugendlichen da alles in den Sinn kam? Der Pilgerweg der Kirche durch zwei Jahrtausende, die Geschichte der 265  Päpste von Petrus bis Johannes Paul II., mein eigener Pilgerweg als Priester in dieser Kirche. Der Weg und die Zukunft der Schüler, die da mitgegangen sind. Und dann eine Minute an der schlichten schmucklosen Bahre von Johannes Paul II., nur zwei Kerzen standen da und der tote Papst. Eine Begegnung, die ich nie mehr vergessen werde!

 

 

Samstag, 22.7.2006

Das heilige Jahr

Das Jahr 2000 war ein heiliges Jahr. Es ist den Millionen Pilgern in lebhafter Erinnerung, den meisten in einer guten, den Römern weniger, denn der Verkehr ist total zusammengebrochen. Andererseits wurden viele Denkmäler, Kirchen, Plätze, Paläste restauriert, sogar eigene Buslinien eingerichtet. Die Stadt Rom bekam tatsächlich ein neues Gesicht.

Das erste heilige Jahr gab es im Jahre 1300. Die Kirche stand damals auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Alle Menschen sollten katholisch werden, so glaubte man. Der berühmte Satz „extra ecclesiam nulla salus“ übersetzt: „außerhalb der Kirche kein Heil“, bewirkte ein ungeheuerliches Selbst- und Sendungsbewusstsein der Kirche. Der Papst verstand sich als Stellvertreter Christi, auch als das Oberhaupt der gesamten Welt.

Pilgerscharen strömten nach Rom, nicht zuletzt auch, um die Ablässe zu gewinnen, die vor allem im heiligen Jahr 1300 gewährt wurden. Alle 100 Jahre sollte ein heiliges Jahr stattfinden, so wurde beschlossen, aber der Zeitraum war viel zu lange und so feierte man schon nach 50 Jahren. Schließlich einigte man sich auf alle 33 Jahre, weil Jesus 33 Jahre alt wurde und dann auf 25 Jahre. So ist es grundsätzlich bis heute.

Das heilige Jahr oder das Jubeljahr, wie es auch genannt wird hat seinen Ursprung im jüdischen Jobeljahr, es wurde jeweils im 50. Jahr gefeiert, also nach 7x7 Jahren und aller Besitz, der verloren ging, musste an den ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden. So sollte in Israel niemand verarmen. Die Jubeljahre der Kirche sind so etwas wie große Versöhnungsjahre mit Gott und der Welt. Das nächste heilige Jahr wird 2025 sein. Ich werde es nicht mehr erleben.