Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Msgr. Ernst Pöschl (Eisenstadt)
Sonntag, 23. Juli 2006
An einem Urlaubstag im
Gebirge habe ich beobachtet, wie die Nebelschwaden aus dem Tal immer
höher gestiegen sind.
Ich war etwas traurig,
denn bis dahin hatte es herrlichen Sonnenschein gegeben.
Ich bin dann in mein Auto
gestiegen, um schneller zu sein, und einige hundert Meter
bis zur höchsten Erhebung
gefahren. Dort oben gab es wieder strahlenden Sonnenschein.
Damals ist mir das Lied
in den Sinn gekommen: „Gottes Liebe ist wie die Sonne, sie
ist immer und überall
da“. Es käme wohl keiner auf den Gedanken, an der Existenz der Sonne
zu zweifeln, nur weil sie sich gerade hinter Wolken verbirgt.
Wer von uns hat noch
nicht die Erfahrung gemacht, wie Sorgen und Ängste in uns
aufsteigen. Die Angst vor einer schweren Krankheit, die Sorge um den
Arbeitsplatz.
Viele solche Situationen
werden uns einfallen.
Wir haben den Eindruck,
dass wir ganz plötzlich von einem dichten Nebel eingehüllt sind.
Unsere Situation
erscheint uns ausweglos. Von Gott haben wir den Eindruck, dass er
sich wie die Sonne verborgen hat.
Vielleicht kommen uns
sogar die Worte Jesus auf die Lippen: „Mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen?“
Im Gebet – in der
Erhebung der Seele zu Gott – können wir einen Weg finden.
Aus dem Nebel im Tal
gelangen wir zum Licht auf der Anhöhe.
Montag, 24. Juli 2006
Mein Vater hat mir oft
von seiner Arbeit als Lokomotivheizer erzählt.
Einer meiner ersten
Berufswünsche als Bub war es dann auch, einmal Lokomotivführer zu
werden.
Durch die Schilderungen
meines Vaters kann ich auch den Satz verstehen: „Man kann nicht
dauernd mit Volldampf fahren.“
Wenn es viele Dinge zu
tun gibt, dann meinen wir, das muss in der kürzesten Zeit erledigt
werden. Dabei erkennen wir, dass dies nicht gut ist.
Eine Dampflokomotive
konnte ja auch nicht ständig mit Volldampf betrieben werden.
Es war sogar vorgesehen,
dass sie nach einer bestimmten Zeit in einen dazu bestimmten Bahnhof
kam, wo man sie auskühlen ließ. Erst nach den nötigen kleinen
Reparaturen wurde sie neu aufgeheizt und wieder in Betrieb genommen.
Für mich und viele
Menschen, die ich kenne, bedeutet das Gebet eine solche Möglichkeit
nach einer bestimmten Zeit, wo man sozusagen mit Volldampf gefahren
ist, wieder neu zu beginnen. Das Gebet ist eine freudige Begegnung
mit Gott. Das kann ich immer wieder selbst erfahren. Dabei stimmt
der Einwand nicht, dass das nicht möglich wäre, weil wir Gott nicht
sehen können. Im Gebet, für das ich mir Zeit genommen habe, finde
ich auch Freude und Erholung.
Ich kenne viele junge
Menschen, die mir das immer wieder erzählen.
Dienstag, 25. Juli 2006
Ich habe von einem
interessanten Versuch mit Sonnenblumen gehört:
Jemand wollte es genau
wissen:
Er stellte eine Kamera
auf ein Stativ, mit der er alle 30 Sekunden ein Bild geschossen hat.
Auch für die Nacht sorgte er vor, indem er eine Lichtquelle
aufstellte.
Das Ergebnis: Die
Sonnenblumen, die noch nicht aufgeblüht waren und noch Knospen
hatten, haben sich immer der Sonne zugewandt. Am morgen waren sie
wieder an der alten Stelle. Was können wir von den Sonnenblumen
lernen?
Ich habe mich schon oft
gefragt: Wie können wir Menschen eigentlich richtig leben, ohne uns
nach Gott, der für uns die Sonne ist, auszurichten?
Ja, dass es uns gar nicht
richtig auffällt, wenn wir ständig in eine andere Richtung schauen,
uns von Gott abwenden.
Ich habe bei einem
Spaziergang versucht, behutsam die Blüte einer Sonnenblume in eine
andere Richtung zu bringen.
Es war nicht möglich,
ohne sie zu zerstören. Warum sind die Blüten der Sonnenblume so
schön?
Weil sie sich vorher der
Sonne zugewandt haben.
Ein Symbol sehe ich
darin, dass die Blütenblätter den Strahlen der Sonne gleichen. So
spiegeln sie etwas von der Farbe und Wärme der Sonne wider.
Könnte das nicht für uns
bedeuten, dass wir auch Gott die Herzen öffnen sollten wie die
Blumen, die sich so sehr nach der Sonne sehnen?
Mittwoch, 26. Juli 2006
In einem Artikel in einer
amerikanischen Zeitschrift schrieb Kardinal Christoph Schönborn über
die Evolution.
In seinem Beitrag ging es
auch um die Frage Zufall oder Plan.
Ich stelle mir ein
Kleinkind vor, das Freude hat, die Tasten eines Laptops zu drücken
und natürlich keine Buchstaben kennt. Wie viele Anschläge müsste es
machen, bis es durch Zufall diesen Satz geschrieben hat?
Alles ist durch Zufall entstanden.
Ein Satz der aus 29 Buchstaben besteht.
Zur Erklärung: Nach der
Wahrscheinlichkeitsrechnung muss man sechs Mal würfeln, bis wir
einen Sechser gewürfelt haben. Jemand errechnet, dass 10 hoch 40
Anschläge notwendig sind, um durch Zufall diesen einfachen Satz zu
schreiben. Zur Erklärung: Das ist eine Eins mit 40 Nullen.
Seit der Entstehung der
Erde sind etwa 5 Milliarden Jahre vergangen. Unser Kleinkind müsste
ungemein schnell mit seinen Anschlägen sein. In jeder Sekunde müsste
es 10 hoch 27 Anschläge (eine Eins mit 27 Nullen!) gemacht haben.
Ich habe es getestet, ich
habe den Satz ALLES IST DURCH ZUFALL ENTSTANDEN gleich beim ersten
Versuch in weniger als 30 Sekunden geschrieben.
Kardinal Schönborn
schreibt in seinem Artikel vom göttlichen Designer, der in seiner
Weisheit alles geordnet und geplant hat.
Donnerstag, 27. Juli 2006
Neben einem Weg im
Gebirge sprudelt eine erfrischende Quelle. Ich habe immer wieder
beobachtet, wie die Wanderer die vorbeikamen, stehen blieben. Sie
haben aus der Quelle Wasser getrunken. An ihrem Gesichtsausdruck
konnte ich erkennen, wie erfrischt sie weitergingen.
Das erinnert mich an eine
Begebenheit, die uns im Johannes-Evangelium berichtet wird. Am Tag,
an dem das Wasser aus der Hauptquelle der Stadt Jerusalem genommen
wird und über einem Altar vergossen wird, da stand Jesus vor dem
Tempel und rief:
„Wer Durst hat, der komme zu mir und trinke!“
Joh 7,37
Es wird nicht berichtet,
wie viele stehen blieben und Jesus fragte, wo er etwas für sie zu
trinken hat. Ich bin aber davon überzeugt, dass Jesus uns auch heute
sagt:
Löst euch aus euerer
Umgebung! Kommt zu mir. Bei mir gibt es eine Quelle, aus der ihr
trinken könnt. Es ist das beste Wasser, das ihr bekommen könnt. Ihr
müsst nur eine Pause machen.
Wenn ich an einer Kirche
vorbeikomme, die außerhalb des Gottesdienstes offen hat, geh ich
gern hinein, um zu beten. Ich bin stets erfrischt weitergegangen.
Warum sollte Jesus für
uns Menschen von heute nicht so wie damals erfrischendes Wasser
anbieten? Es liegt an uns, sein Angebot anzunehmen.
Freitag, 28. Juli 2006
Als die
Weltmeisterschaften für Segler bei uns auf dem Neusiedlersee
begonnen haben, habe ich mich natürlich dafür interessiert. Mein
Gedanke war dabei: Wie wird es den Teilnehmern aus aller Welt gehen,
die bei ganz anderen Verhältnissen auf einem Ozean oder einem
stürmischen Meer gewohnt sind zu segeln?
Ich habe damals erfahren,
dass es für alle dieselben Bedingungen gibt. Alle haben das gleiche
Boot und natürlich weht der Wind für alle aus der gleichen Richtung.
In diesem Zusammenhang ist mir ein Satz eingefallen, den ich einmal
gelesen habe:
Wer nicht weiSS, wohin er will, für den ist kein Wind der rechte.
Ich bin schon oft
Menschen begegnet, die sich über alles beklagen können. Sie können
sich nie freuen, weil alles anders ist, als sie es sich vorgestellt
haben.
Wenn etwa der Wind von
der rechten Seite weht, beklagen sie sich, warum sie nicht gerade
Rückenwind haben.
Ich habe den Satz, den
ich gefunden habe einfach umgedreht. Dann lautet er so:
Wer weiSS, wohin er will, für den ist jeder Wind der rechte.
Es gibt die Möglichkeit
auch gegen den Wind zu segeln, zu kreuzen, indem man das Segel
entsprechend einstellt.
Ich habe schon oft die
Erfahrung gemacht, dass ich auch in großen Schwierigkeiten im Gebet
den Sinn meines Lebens, die Richtung für mein Leben gefunden habe.
Samstag, 29. Juli 2006
Wenn ich nach einem Regen
durch den Garten meines Elternhauses gehe, erlebe ich immer wieder
Freude.
Es ist wunderbar, die
Blumen zu betrachten, die sich nach einem erfrischenden Regen
aufgerichtet haben. Besonders dann, wenn es längere Zeit nicht
geregnet hat.
Das erinnert mich daran,
dass ich immer wieder Menschen begegne, die darüber klagen, sie
fühlen sich innerlich leer und trocken. Manchmal reden sie vom
Burn-out Syndrom, vom ausgebrannt sein. Wie man da herauskommen
kann?
ICH DENKE DA AN DIE bERGPREDIGT, wo uns Jesus sagt:
Wenn nun schon Gott auf die Blumen schaut,
die heute blühen und morgen nicht mehr sind,
um wie viel mehr wird gott auf euch schauen, ihr kleingläubigen!
Mt 6,30
Blumen in der Wohnung
stellt man gern auf den Balkon, wenn ein Regen kommt. Ich denke mir
oft, dass so ein Regen auch meiner Seele gut tut. Wenn ich am morgen
erwache, stelle ich mir es auch vor, dass meine Seele von der Gnade
Gottes getränkt wird.
Manchmal sind wir müde
und glauben nicht genug an die Liebe Gottes. Aus Mangel an Glauben
fehlt uns das Wasser.
Wir müssen nur auf diesen
wohltuenden Regen Gottes warten.
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