Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Hans-Peter Premur, Pfarrer in Krumpendorf und
Hochschulseelsorger an der UNI Klagenfurt
Sonntag, 30. Juli 2006
Ich bin jetzt 45 Jahre alt. Seit ich zurückdenken kann, höre ich aus den
Nachrichten immer wieder vom Krieg im Heiligen Land. Besonders in
den letzten Wochen bedrücken mich die Kriegsberichte sehr, denn so
viele mir aus der Bibel bekannte Orte stehen nicht mehr unter
friedlichen, religiösen Zeichen. Nein, ich verbinde sie nun mit
schrecklichen Erinnerungen. Bethlehem ist nicht mehr die romantische
Idylle aus meiner Kindheitsvorstellung, noch sind es die viel
gepriesenen Zedern des Libanons, die im Alten Testament für die
Kraft Gottes stehen. Was soll ich nun als Christ, als Priester tun,
der ich andauernd mit der Geographie Israels zu tun habe, wenn ich
die Hl. Messe feiere oder das Evangelium lese? Soll ich die Realität
des Geburtslandes Christi einfach verdrängen, Radio und Fernsehen
und alles was mir Informationen bringt vermeiden, damit ich meine
Psalmen ungestört beten kann? Soll ich meinen Geist und mein
Mitgefühl verschließen vor den Problemen der Menschen dieser Region?
Hilflos fühle ich mich, wenn ich daran denke, dass die Metastasen
des palästinensisch/israelischen Konfliktes in alle Welt gedrungen
sind. In dieser langjährigen Ratlosigkeit will ich dennoch eines
nicht aufgeben: das Gebet um Frieden!
Dazu möchte ich Sie heute einladen.
Montag, 31. Juli 2006
Heute werde ich wieder an den Wörthersee zum Schwimmen gehen. Jetzt im
Sommer tun das viele Menschen, aber besonders schön ist es am
Morgen, wenn die Sonne noch nicht so hoch am Himmelszelt steht, dann
spiegelt sich ihr Licht auf der saphirgrünen Wasseroberfläche. Mir
kommt es dann so vor, als ob ich direkt in die Sonne hinein
schwimmen würde, oder zumindest bei jedem Atemzug ihr Licht in mich
einsauge. Solche Momente sind ganz besonders, denn sie ermöglichen
einen neuen Zugang zur Natur, denn so im Wasser schwimmend, erfahren
wir die Schöpfungswonne. Es ist hoch an der Zeit, dass wir Menschen
lernen, die Schöpfung als etwas Lebendiges zu erleben. Die Sonne
ermöglicht nicht nur alles Leben auf dieser Erde, sondern sie gibt
auch die Richtung an. Das wussten alle Kirchenbaumeister der
Geschichte, denn ein Gotteshaus, eine Kirche, musste früher immer
orientiert sein, was so viel heißt, dass sie in den Sonnenaufgang,
in den Osten zu schauen hatte. Der Sonnenaufgang ist für uns
Christen ein Symbol für Christus, den Auferstandenen selbst! Deshalb
schwimme ich so gerne in die sich spiegelnde Sonne hinein. Ich kann
dann schon am Morgen, mitten in der Schöpfung, mitten in den vier
Elementen mein Leben immer wieder neu orientieren und auf Gott
ausrichten.
Dienstag, 1. August 2006
Jetzt im Sommer kann ich schon früh am Morgen barfuss gehen. Den Tau in
der Früh zu spüren, die kleinen Steinchen, die wie Akupunkturspitzen
meine Fußsohlen reizen, all das macht mich munter und ermöglicht mir
eine tiefere Erfahrung von Schöpfung. Da wir Menschen unbeschuht zur
Welt kommen, ist die Barfüssigkeit mit unserer menschlichen
Ursprünglichkeit eng verbunden. Im Schlaf- oder Badezimmer, dort wo
unser privatester Bereich ist, tragen wir selten Schuhe. Im Alten
Testament musste Mose mitten in der Wüste seine Hirtenschuhe
ablegen. Aus dem „Brennenden Dornbusch“ heraus, forderte ihn die
Stimme Gottes dazu auf: „Hier ist Heiliger Boden“, heißt es ja
bekanntlich. Noch heute ist es im Orient üblich, vor dem Betreten
eines Privathauses die Schuhe abzustreifen und mit bloßen Füßen und
sensiblen Sohlen, sich auf die Begegnung mit Menschen einzulassen.
Erst recht ist dies so beim Besuch eines Heiligtums. Vor einem
indischen Tempel, vor einer Moschee, ja auch manchmal vor
christlichen Kirchen finden wir fein säuberlich aufgereiht, die
Fußbekleidung von Gläubigen stehen. Es schaut so aus, als ob man
barfüßig Gott, den Menschen und der Schöpfung näher kommt. Nehmen
wir uns ein Beispiel an diesen ursprünglichen Traditionen und
probieren es heute einmal ganz bewusst aus, barfuss zu gehen.
Mittwoch, 2. August 2006
An einem lauen Sommerabend konnte ich mit Menschen, die mir wichtig sind
bis spät in die Nacht im Freien sitzen, ohne dass es uns zu kalt
wurde. Gute Gespräche wurden geführt und Freundschaften vertieft.
Aber auch wenn ich alleine am Balkon oder im Garten sitze und
hineinlausche in die laue, angenehme Stimmung, fühle ich mich wohl.
Ich sehe die Sterne funkeln, ich höre die Geräusche von nah und fern
und manchmal auch in meiner direkten Nachbarschaft, unüberhörbare
Hinweise auf ein Fest. Ja, Sommernächte laden zum Feiern ein und
deshalb kann es schon manchmal vorkommen, dass unsere Nächstenliebe
auf die Probe gestellt wird. Da man sich bekanntlich Nachbarn nicht
aussuchen kann, sind sie, so glaube ich, für unsere Spiritualität
besonders wichtig. Sie lehren uns Geduld, Nachgiebigkeit und
ehrliche Kommunikation. Anstatt mich nun gestört zu fühlen und mich
darüber zu ärgern, dass andere sich laut freuen, könnte ich mich
selbst darüber freuen, dass ich nicht allein auf dieser Welt lebe.
Ich könnte Mut bekommen, die Tugend der Gastfreundschaft zu pflegen
und meine Nachbarn zu mir einzuladen, um das Miteinander zu
verbessern und die Freude am Leben zu vermehren. Nutzen wir also die
Sommernächte für mehr Lebensqualität.
Donnerstag, 3. August 2006
Heute werden Sie wahrscheinlich frühstücken, zu Mittag und zu Abend
essen. Und wenn wir alle Zeiten für unsere Nahrungsaufnahme zusammen
zählen, kommen wir dabei vielleicht auf ein bis zwei Stunden, im
Urlaub ist es vielleicht ein bisschen mehr. Oft sind wir dabei
gestresst und essen schnell und unbewusst. Sowohl die alte
Volksweisheit, wie auch die Ratschläge von Medizinern raten uns aber
zum Gegenteil! Sie alle drängen uns darauf langsam zu essen, gut zu
kauen und somit bewusst bei der Sache zu sein und nicht die
Essenszeit mit drei Beschäftigungen gleichzeitig zu verbringen.
Manchmal will man es nicht wahrhaben, dass die Art und Weise der
Ernährung, direkt mit unserem Wohlbefinden und mit unserer
Gesundheit zu tun hat. Früher hat man sich deshalb immer, wie man
sich heute noch einen „Guten Morgen“, einen „Guten Abend“ wünscht,
einen besonderen Wunsch für die Essenszeit einfallen lassen. Dies
war damals, als man mehr Zeit zum Essen hatte vielleicht nicht so
wichtig wie heute. In unseren Tagen scheint mir dieser
gesundmachende Wunsch zur Essenszeit, in Vergessenheit geraten zu
sein. Ja, es sieht so aus als ob uns Menschen der Mut dazu fehlen
würde, einander statt einer wunschlosen, eine „gesegnete Mahlzeit“
zuzurufen. Wer sich aber darauf einlässt, wird erfahren, dass die
Qualität der Essenszeit dadurch eine bessere wird.
Freitag, 4. August 2006
Es wird heute nicht lange dauern, bis Sie wahrscheinlich in die Nähe
eines Kaffees kommen werden. Der Kaffee als Getränk ist seit vielen
Jahrzehnten aus der Lebenswelt der meisten Europäer nicht mehr
wegzudenken. So ähnlich wie bei anderen Konsumgütern hat man dabei
seine Vorlieben für gewisse Marken. In letzter Zeit hat sich aber
rund um den Kaffee eine neue Vorliebe entwickelt, auf die fast alle
Erzeuger Rücksicht zu nehmen beginnen. Ein leicht verändertes
Yin-und-Yang-Zeichen deutet dies an. Auf Kaffee bis hin zu anderen
Gütern aus der ehemaligen „Dritten Welt“ ist nun immer öfter die
Marke „fair trade“ – fairer Handel zu lesen. Damit hat eine jahrzehntelange Initiative von
kirchlichen und nichtkirchlichen, aber zukunftsorientierten Gruppen,
ein Etappenziel erreicht. Ein neues Bewusstsein wurde geschaffen.
Die Menschen sind sensibler geworden, was die alltäglichen
Wirtschaftszusammenhänge in der Einen Welt betrifft. Das
kolonialistische Denken der Vergangenheit wird dabei überwunden und
durch fairen Handel bekommen unsere Mitmenschen in den
Entwicklungsländern gerechtere Löhne. Diese positive Entwicklung
erhöht bei mir das Wohlbefinden beim Kaffeegenuss und macht mir
bewusst, dass wir in den reichen Ländern uns für Gerechtigkeit in
der ganzen Welt einsetzen können und es auch sollen.
Samstag, 5. August 2006
Als Österreicher versuchen wir seit einiger Zeit unsere jüngere
Vergangenheit aufzuarbeiten. Bei diesem mühsamen Prozess ist uns im
Laufe der Zeit einiges klarer geworden und wir haben dabei wohl
einiges gelernt, dennoch fällt mir dabei auf, dass sich in unserem
Sprachschatz noch manches an Dunklem befindet, das ins Licht
gestellt werden sollte. Ich meine damit die zwei Begriffe:
„Christliche Zeit“ und den Begriff: „Christlicher Preis“. Wenn Sie
heute zu einer „christlichen Zeit“ aufstehen wollen, oder bei
Verhandlungen einen „christlichen Preis“ zu zahlen haben, dann meint
man dabei im Allgemeinen versteckt das Gegenteil zu einem jüdischen
Äquivalent. Unser Sprachgebrauch setzt immer noch unbewusst voraus,
dass Juden noch vor Sonnenaufgang in aller Dunkelheit, zu einer
jüdischen Zeit eben, sich überzogene Preise für ihre Waren
erschleichen. Ohne zu wissen, was sie bedeuten und ohne es zu merken
finden wir unsere zwei scheinbar christlichen Begriffspaare immer
wieder im Alltag vor. Ich glaube, dass zu einem aufgeklärten Geist
und zu einem richtigen Umgang mit der Sprache, sowie zu einem
spirituellen Leben die Entlarvung dieser versteckten Antisemitismen
gehören. Ersatzlos gehören sie aus unserem Sprachgebrauch
gestrichen, deshalb darf ich Ihnen, wann immer Sie nun wirklich
aufstehen wollen, einen „Guten Morgen“ und ein „Gott zum Gruß“
wünschen.
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