Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Jürgen Öllinger, Villach/Kärnten

 

 

Sonntag, 6. August 2006

Wenn-Dann

Guten Morgen! Wenn das so weitergeht mit der Gewalt unter Jugendlichen, mit Drogen und Alkohol, wird es mit unserem Land noch furchtbar enden. Wenn sich immer mehr Menschen scheiden lassen, wird nichts mehr Halt und Sicherheit geben können. Wenn wir nicht mehr auf unsere Umwelt achten, wird das in einer Katastrophe enden.

 

Solche und ähnliche Prophezeiungen kann man jeden Tag hören oder lesen. Inzwischen werden diese Vorhersagen auch automatisch geglaubt.

 

Interessanterweise wird in der Bibel tatsächlich davon geredet, dass Menschen nach der Gabe der Prophetie streben sollen. Allerdings mit einem anderen Zweck. Nicht Angst und Schrecken soll damit erzeugt werden, sondern Trost und Hilfe.

 

Während man die Schreckensprognosen überall findet, sind tröstende Propheten Mangelware. Wenn Jugendliche Probleme haben mit Gewalt oder Alkohol, würde es ihnen wahrscheinlich helfen, wenn ihnen jemand eine gute Zukunft vorhersagen würde. In der Weise, dass sie das Beste noch vor sich haben und sie großartige Persönlichkeiten sind. Solche Vorhersagen sind schwer zu formulieren und zu glauben.

 

Wenn Menschen an Beziehungen scheitern, wäre es aufbauend, davon zu reden, dass sie wieder von vorne anfangen dürfen. Solche Propheten sind schwer zu finden, aber unser Land braucht sie immer mehr.

 

Wir brauchen Menschen, die sagen, aus dir wird was, weil du schon wer bist; aus dem Streit wird Gutes, weil du dich verändern wirst. Daran zu glauben, ist mutig.

 

 

Montag, 7. August 2006

Schimpfwort

Auch heute wird es wieder Gründe und Menschen geben, sich mehr oder weniger zu ärgern. Wenn Menschen uns beschimpfen und uns ärgern, sind wir von klein auf darauf trainiert, uns zu wehren. Werde ich beschimpft, schimpfe ich zurück.

 

Das Blöde daran ist, dass wir dadurch nichts verbessern. Ich habe es ganz selten erlebt, dass eine Situation oder Beziehung besser wurde durch Beschimpfungen.

 

In der Bibel wird ein neuer Weg vorgeschlagen: vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Schimpfwort mit Schimpfwort, sondern segnet. Dazu seid ihr berufen. Eine witzige Idee.

 

Wenn ich also das nächste Mal erlebe, dass jemand ungehalten wird, weil ich mich in der Schlange im Supermarkt vorgedrängt habe, werde ich ihm einen wunderschönen Tag wünschen. Oder wenn Leute darüber schimpfen, dass da ein Hubschrauber über ihr Haus fliegt, werde ich vorschlagen, ein Stoßgebet zu sprechen, weil der Hubschrauber gerade auf dem Weg zum LKH ist.

 

Ich bin schon gespannt, was dann passiert. Wir sind also zum Segnen berufen. Dabei wird betont, dass Gott den Segen gibt. Nicht ich muss mich demnach in eine besondere Stimmung versetzen, sondern nur den Segen Gottes ausrichten.

 

Wenn Menschen in meiner Umgebung über Politik, Wirtschaft, Nachbarn oder mich schimpfen, und damit eine vergiftete Atmosphäre erzeugen, werde ich einen neuen Weg einschlagen. Ich werde damit einfach nicht mehr mitspielen bei dem Spiel, das schon unsere Kleinen perfekt beherrschen.

 

 

Dienstag, 8. August 2006

Licht

Das Licht geht also wieder auf am heutigen Tag und vielleicht scheint die Sonne so hell, dass es richtig heiß wird. Auf jeden Fall ist das Licht für das Wohlbefinden des Menschen notwendig.

 

Es ist kein Zufall, dass Gott als Licht bezeichnet wird, das in der Finsternis scheint. Drei Aspekte des Lichts kommen dabei zur Geltung. Beleuchten, einleuchten und erleuchten.

 

Durch die Beschäftigung mit Gott wird die Welt und meine Umgebung neu beleuchtet. Wie beim Fotografieren ist das Belichten einer Situation unglaublich wichtig. Wir sollten Dinge nicht über- und auch nicht unterbelichten, sonst entsteht ein Foto der Wirklichkeit, das nichts hergibt.

 

Durch Gott leuchten uns Dinge auch ganz neu ein. Oft ist es im Leben und Zusammenleben deshalb so schwierig, weil mir das Verhalten meiner Mitmenschen nicht einleuchtet. Ich kann nicht durchschauen, warum sie sich so eigenartig benehmen. Wenn ich weiß, dass sie gerade große finanzielle oder familiäre Probleme haben, kann ich auch mit ihrer schlechten Laune besser umgehen.

 

Eines darf ich beim Licht nicht verschweigen. Da geht es um die innere Erleuchtung, um den Reifeprozess, der manchmal so schwer eingeleitet werden kann.

 

Die innere Erleuchtung muss mit der äußeren Erleuchtung der Bibel Hand in Hand gehen. Bleibe ich nur bei der Nabelschau, wird’s wieder schlecht beleuchtet, halte ich mich nur am Bibelwort fest, entsteht eine schiefe Optik. Wenn einem dieses Licht aufgeht, dann wird es wirklich hell.

 

 

Mittwoch, 9. August 2006

Sinnlos

Der Schweizer Theologe Rudolf Bohren schreibt: „Ein neuer Morgen und die alte Müdigkeit, ein neuer Tag und die alte Unlust, du allein weißt, mein Gott, wie sinnlos ist, was ich tue.“

 

Ein mutiger Gedanke, ein verrücktes Gebet wie mir scheint, denn es ist bekannt, wie alt die Müdigkeit sein kann, die uns überfällt, wenn wir aus dem Bett steigen. Die alte Unlust am Tageswerk ist wenigen Menschen unbekannt. Und dann der überraschende Gedanke, dass Gott das weiß, wie sinnlos unser Tun und Lassen ist.

 

Ich finde es deshalb so unglaublich, weil wir uns oft so gebärden, als wäre es das Allerwichtigste der Welt, was wir heute alles erledigen und bearbeiten. Dabei bleibt es klein und unbedeutend, was wir so treiben.

 

Und bevor ich mich jetzt wieder im Bett herumwälze und voller Unlust den Tag beginne, weiß ich mich geborgen in Gott, der sehr wohl einen Plan hat.

 

Rudolf Bohren wendet sich mit seinem Lebensgefühl in direkter Rede an seinen Gott. Ich bin nicht allein mit meiner Müdigkeit und Unlust. Ich vertraue einfach darauf, dass es vielleicht noch viele andere Menschen gibt, die ein ähnliches Gebet an Gott richten.

 

Und wenn ich aufmerksam bin, werde ich diese Menschen heute zwischendrin irgendwo entdecken und ihnen dann zulächeln. Ganz mutige Menschen werden das sogar anderen einfach anvertrauen und ihnen wird nichts Böses zustoßen, sondern sie werden dadurch einfach aufatmen.

 

 

Donnerstag, 10. August 2006

Kokosnuss

Ein Mann ging an einem Strand spazieren und kam an einer Palme vorbei. Eine Kokosnuss streifte seinen Kopf. Schmerzverzerrt betrachtete er die Nuss. Ohne ein Wort des Zorns begann er die Nuss zu öffnen, die köstliche Milch zu trinken, das Fruchtfleisch zu genießen, um dann aus der Schale einen Becher zu basteln. Dankbar seinem Gott gegenüber zog er fröhlich seines Weges – so erzählt Antonio de Mello.

 

Abgesehen davon, dass so eine Kokosnuss lebensgefährlich verletzen kann, ist die Geschichte auch deshalb unglaublich, weil Menschen durch böse Zufälle nicht die hilfreiche Hand Gottes erkennen können.

 

Es scheint mir manchmal, dass Gott einen eigenartigen Humor hat. Er fädelt Situationen ein, die so verrückt sind, dass man schon wieder lachen könnte. Der Blickwinkel des Galgenhumors unseres Gottes hat beim Unfall von Kindern, grauenhaften Krankheiten und üblen Schmerzen aufs Erste nichts zu suchen.

Aber ich kann nicht davon lassen, dass Gott einen schrägen Humor hat.

 

Wie gesagt, den Blickwinkel kann ich Menschen in schlimmen Lebenskrisen nicht anbieten ohne sie noch mehr zu verletzen, aber ich bin mir inzwischen sicher, dass Gott viel mehr Humor hat, als wir ihm das zutrauen.

 

Darauf gestoßen bin ich auch, weil ich den stillen und liebevollen, mitunter auch schrägen Humor bei Jesus von Nazareth entdeckt habe, der damit viele Menschen heilte von ihrer Selbstgerechtigkeit.

 

 

Freitag, 11. August 2006

Werten

Es bleibt ein zutiefst menschliches Phänomen, dass wir unterschiedliche Dinge und Situationen verschieden bewerten. Ein Wert, der für alle in unserer Welt gilt, ist auf jeden Fall die Arbeit. Arbeit zu haben und arbeiten zu können, ist ein Privileg, das unheimlich wertvoll ist.

Ein Freund von mir hat es gewagt, den Wert der Arbeit mit der Zigarettenwerbung in Verbindung zu bringen. Er hat die Arbeit einfach an die Stelle des Rauchens gesetzt. „Arbeit fügt ihnen und ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Arbeit macht süchtig. Fangen sie erst gar nicht damit an. Arbeit verursacht Impotenz. Arbeit führt zu Herz-Kreislaufproblemen und zu Herzinfarkt.“, heißen dann plötzlich die Warnungen des Gesundheitsministeriums.

 

Es ist ein lustiges Spiel für bitteren Ernst. Der Wert der Arbeit in unserer Welt hat sich so verselbständigt, dass niemand mehr ausbrechen darf. Sprüche wie: „Geh was arbeiten! Oder: Hat der keine Arbeit? Oder: Ich hab keine Zeit, ich hab soviel zu arbeiten!“ machen uns manchmal zu wertlosen Menschen, die nur mehr dazu beitragen, dass einige Wenige immer reicher und reicher werden.

 

Kein harmloses Gedankenspiel wie die Sprüche der Zigarettenwerbung, sondern bitterer Ernst für jene Mitmenschen, die andere und neue Werte gefunden haben für die grundlegende Frage: Wozu lebe ich?

 

 

Samstag, 12. August 2006

Sprünge

Der Dichter Hans Kruppa schreibt: „Du bist einfach über den Schatten deiner Ängste gesprungen und hast mir gezeigt, was du fühltest als ich schon so gut wie sicher war, dass die Mauer deiner Worte halten würde. Schön war dein Sprung, unverhofft mutig und sanft mitten ins Herz des befreiten Augenblicks.“

 

Hans Kruppa beschreibt damit  Liebe zwischen Menschen. Zwei Gedanken nehme ich aus dem Gedicht einfach mit. Zum einen wissen wir vom geliebten Menschen oft schon so viel, dass wir nicht mehr überrascht werden wollen. Manche wissen, dass sie sich nicht mehr anvertrauen können. Das Vertrauen ist verloren, weil man sich nicht mehr vorbehaltlos öffnen kann.

 

Schattige Ängste haben dazu verführt, zu glauben, man wäre nicht mehr attraktiv, interessant, liebenswürdig, wenn man so einen Sprung wagen würde.

 

Und der zweite Gedanke gefällt mir auch: Es ist nicht hart, wenn wir bei uns bleiben und die Wahrheit einem anderen Menschen zumuten. Es wirkt schön und sanft wie wir offen sind vor dem geliebten Menschen. Wir können uns also hinter den Steinen hervor wagen.

 

Wir werden nicht verdammt, wenn wir dem anderen den Garten der Gefühle zeigen. Vielleicht ist es schon ein Steingarten geworden im Laufe der Zeit: aber das ist nicht schlimm, denn Steingärten sind wunderschön.