Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Peter Hausberger, Pfarrer in Salzburg-St.Paul

 

 

Sonntag, 13.08.2006

In der Innsbrucker Diözese ist der 13. August der Gedenktag des seligen Pater Jakob Gapp, 1897 geboren und in einer Tiroler Arbeiterfamilie aufgewachsen. Überall, wo er gewirkt hat, hat er versucht, die Not der Arbeitslosen zu lindern. Der Priester und Ordensmann der Marianisten hat von Anfang an – schon vor 1938 – die Österreicher vor dem Nationalsozialismus gewarnt. Wegen der Gefahr, in die er dadurch geraten ist, hat ihn der Orden an immer neue Orte geschickt.

Immer wieder aber hatte Pater Jakob Gapp die Absolutheit des Gebotes der Nächstenliebe zu allen Menschen ohne Rücksicht auf Nationalität und Religion gelehrt. Im Oktober 1938 – in Breitenwang im Außerfern – hat er im Unterricht erklärt: „Aus christlicher Nächstenliebe müssen wir auch Tschechen, Juden und Kommunisten lieben.“ Ihm wurde verboten zu unterrichten. Er reiste über Frankreich weiter nach Spanien, wo er ab Herbst 1941 die deutschsprachige Gemeinde in Valencia betreute.

Nazi-Spitzel lockten ihn im Herbst 1942 zu einem Ausflug, bei dem er nach Frankreich verschleppt wurde, das von den Nazis besetzt war. Dort wurde er verhaftet und nach Berlin gebracht. Pater Jakob Gapp wurde wegen „planmäßiger Hetze gegen das NS-Reich und wegen Feindbegünstigung“ angeklagt und zum Tode verurteilt.

Seine letzten Briefe sind von tiefem Gottvertrauen geprägt. Am Abend des 13. August 1943 wurde er enthauptet. Vor zehn Jahren wurde der mutige, seinem Gewissen verpflichtete Jakob Gapp selig gesprochen.

 

 

Montag, 14.08.2006

Viele kriegerische Auseinandersetzungen auf unserer Erde finden nicht das Interesse der Weltöffentlichkeit, obwohl die Menschen Unsägliches leiden. Manche dieser Kriegshandlungen gehen uns nahe, jetzt vor allem der brutale Kampf im Nahen Osten. Es ist ein Krieg in den Ländern der Bibel. Durch unsere Reisen haben wir einen Bezug zu manchen Orten und vor allem zu den Menschen, die dort leben.

 

Die Sehnsucht nach Frieden scheint ins Leere zu gehen. Als Hoffnungstext fällt uns der Bibelvers ein aus den Prophetenbüchern Jesaja und Micha:

„Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg“ (Jes 2,4; Micha 4,3).

Die beiden Propheten aus dem achten Jahrhundert vor Christus haben das nicht so gemeint, dass der Friede erst in irgendwelchen Endzeiten eintreten würde, sondern in kommenden, absehbaren Tagen.

Die Propheten motivieren die Menschen dazu, auf Gott zu hören. Er ist die einzige Instanz, die für sie denkbar ist, Recht und Gerechtigkeit im Streit der Völker zu schaffen.

Schon die Propheten aus alter Zeit kennen also die Idee von der Notwendigkeit der Einheit der Menschheit. Dadurch ist es möglich, dass unter den Völkern friedliche Verhältnisse herrschen. Kriegshandwerk erübrigt sich, Waffen können in Produktionsmittel umgewandelt werden und garantieren so die ausreichende Ernährung für alle.

Wir beten um Frieden und hoffen, dass mutige und prophetische Menschen Wege der Verständigung bereiten.

 

 

Dienstag, 15.08.2006

In den katholischen Kirchen wird heute das Fest „Mariä Aufnahme in den Himmel“ gefeiert. Ein Teil des Evangeliums vom Festtag ist das so genannte „Magnificat“, ein Psalmlied, das der Evangelist Lukas Maria in den Mund legt, als sie Elisabeth besucht.

Für viele Menschen ist das „Magnificat“ ein sehr kostbares Gebet, das sie auswendig gelernt haben. Mit seinen Psalmstellen aus dem Alten Testament, die es enthält, preist das „Magnificat“ Gott, der den Armen, den Hungernden, den Unterdrückten beisteht und der die Gerechtigkeit will. Das heißt, dass jeder und jede zu dem kommt, was für ihn und sie recht und richtig ist.

Erstaunlich ist der Beginn des „Magnificats“:

Meine Seele preist die Größe des Herrn, /

und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.

Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. /

Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.

 

Ein Mensch wird von Gott angeschaut. Durch das Ansehen Gottes gewinnen wir eigenes Ansehen und haben dadurch einen offenen Blick für die Welt rund um uns her. Darum sind uns Friede und Gerechtigkeit wichtig.

Jeder und jede hat verschiedene Erfahrungen von „Angesehen-werden“ im Leben gesammelt: liebevoll oder prüfend oder strafend usw. sind wir angeschaut worden. Besonders wie man am Anfang des Lebens angesehen, beachtet worden ist, das prägt sich ein. Gott sieht uns an, voller Liebe. Das kann so glücklich machen, wie es in dem Psalmlied „Magnificat“ heißt: „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.“

 

 

Mittwoch, 16.08.2006

Es gibt Tage, da hat man sich ziemlich viele Arbeiten vorgenommen. Und dann kommt ständig irgendetwas oder vielmehr irgendjemand dazwischen.

Da ist es gut, wenn einem der Satz aus dem Hebräerbrief einfällt (Hebr 13,2) „Vergesst die Gastfreundschaft nicht, denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt!“

Durch vorher nicht angekündigte Gäste sind schon bereichernde Beziehungen entstanden. Ein unerwarteter Besuch war oft nicht nur keine Störung, sondern ein überraschendes Geschenk.

Die Worte „Vergesst die Gastfreundschaft nicht, denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt!“ beziehen sich auf Abraham und Sara. Im ersten Buch der Bibel, im Buch Genesis (Kap. 18), wird geschildert, dass Abraham in der brütenden Mittagshitze vor seinem Zelt sitzt und drei Männer kommen sieht. In überschwänglicher Gastfreundschaft bewirten er und Sara die Gäste. Unmengen von Brot werden gebacken, und ein ganzes Kalb wird zum Essen zubereitet. Für unsere Gewohnheiten würde alleine die Zubereitung viel zu lange dauern – und dann erst die gemeinsam verbrachte Zeit! Im Orient hat man für Gastfreundschaft Zeit, auch heute noch.

Was Abraham und Sara für ihre Gäste getan haben, kommt sehr reich zurück. Der Bibeltext lässt durchblicken, dass in den drei Männern Gott selber zu Gast war. Wie als Gastgeschenk wird ihnen ein Sohn verheißen. Sie, die sich so sehr ein Kind wünschen, bekommen mit dieser Verheißung Zukunft zugesprochen.

 

 

Donnerstag, 17.08.2006

Man kann oft gar nicht mehr hinhören, wenn wieder ein Bestechungsskandal oder ein Politskandal aufkommt.

Aber das scheint nichts Neues zu sein. Im Prophetenbuch Jesaja aus dem achten Jahrhundert vor Christus gibt es einen Abschnitt (Jes 22,15-25), in dem berichtet wird, wie der zweithöchste Mann nach dem König sich Privilegien verschafft hat. Er ist offensichtlich in Luxuswagen herumgefahren, hat sich schon zu Lebzeiten ein Luxusfelsgrab zugelegt usw.

Für das einfache und arme Volk sind das Vergehen, die als einleuchtender Grund für eine Absetzung genügen. Zwischen den Zeilen des Bibeltextes kann man erahnen, dass der hohe Beamte möglicherweise eigenmächtige Politik und Verhandlungen im eigenen Interesse betrieben hat.

Der Prophet Jesaja hat die Aufgabe, dem einen seine Absetzung mitzuteilen und dem Nachfolger seine Berufung. Wenn einer nach dem König der höchste Mann im Staat war, gilt er als Vater für die Stadt Jerusalem und für das gesamte Umland. Und er hatte die Schlüsselgewalt über das Königshaus.

Dieser Abschnitt aus dem Buch Jesaja endet so, dass beschrieben wird, wie sich an den neuen zweiten Mann seine ganze Sippe anhängt und er auch nachgibt und seine Privilegien zugunsten seiner Sippe ausnutzt. Propheten haben – so würde man es heute ausdrücken – auch die Aufgabe wahrgenommen, gut zu recherchieren, genau hinzuschauen und Amts- und Machtmissbrauch aufzudecken. Es geht um Gerechtigkeit für alle, und kritischer Journalismus kann heute eine solche prophetische Rolle durchaus wahrnehmen.

 

 

Freitag, 18.08.2006

Jeder Seelsorger, jede Seelsorgerin ist oft mit der Frage konfrontiert: „Warum gerade ich?“ „Womit habe ich das verdient?“ Eindrücklich habe ich noch in Erinnerung, wie eine Mutter am offenen Grab ihres Sohnes geweint hat: „Warum gerade er?“ Kann der Glaube an Gott auch herhalten in tödlicher Krankheit, in plötzlich hereinbrechenden Katastrophen und Unglücksfällen?

Wie sehr wir auch nachbohren, um eine Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ zu bekommen, wir werden meistens merken müssen, dass es keine gültige Antwort gibt. Was wir aber immer wieder erfahren dürfen: Dass viele Christen und Christinnen auf das Leben und auf den Tod Jesu schauen und dadurch Kraft bekommen, das ihnen Aufgegebene zu meistern.

Der Wunsch, dass der allmächtige Gott eingreift, und unsere dringenden Bitten erhört und eine – wenn schon nicht heile – dann doch bessere Welt schafft, ist sehr verständlich. Aber genau an diesem Punkt unserer Bitten und Gebete werden wir mit unserer Ohnmacht konfrontiert, aber auch mit der Macht und Ohnmacht Gottes.

Im Messbuch gibt es ein Schlussgebet, das sehr bedenkenswert ist: Es enthält den Satz: „Er – Christus – hat uns erkennen lassen, wie du, Gott, bist: groß in deiner Huld für deine Geschöpfe, gewaltig in deiner Hoheit, wehrlos in deiner Liebe.“

Jesus war in all seiner Liebe mit der Gewalttätigkeit nicht nur konfrontiert, sondern hat den Tod am Kreuz erlitten. Es ist Teil unseres Glaubens, dass diese ohnmächtige Liebe den Teufelskreis von Hass und Gewalt durchbrochen hat.

 

 

Samstag, 19.08.2006

In den katholischen Kirchen heißt es heute im Evangelium: „Lasst die Kinder und hindert sie nicht, zu mir zu kommen, denn ihnen gehört das Königtum der Himmel.“ Was hat Jesus an den Kindern so fasziniert?

Als wir neulich meine sieben Monate alte Nichte Anna besucht haben, ist mir das wieder ganz anschaulich bewusst geworden, warum Jesus die Kinder als Vorbild hingestellt haben mag.

Mit großen Augen, voller Vertrauen und einer scheinbar unbegrenzten Aufnahmefähigkeit hat uns Anna angestrahlt. So ein Kind zaubert aus uns nüchternen und realistischen Erwachsenen alle Liebe und Zuneigung heraus, zu der wir fähig sind. Ein Kind nimmt die Welt, die Menschen unvoreingenommen wahr. So wie wir ihm begegnen, nimmt es uns wahr, ohne Berechnung, ohne Hintergedanken, ganzheitlich.

Annas stolze Eltern haben für ihre kleine Tochter in ihrem Wildschönauer Dialekt folgenden Ausdruck: Sie sagen: Unsere kleine Anna ist eine „Wunalgoaß“. Im tirolerischen Wildschönauer Dialekt bedeutet der Ausdruck „Wunalgoaß“, auf ein Kind angewandt: Es ist ein ganz offenes, wissbegieriges, im positivsten Sinn auf die Welt neugieriges Kind.

In Gegenwart von so einem Kind werden wir selber ganz durchlässig und liebevoll. Und wir merken: Die Liebe der Kinder zu ihren Eltern und Familienmitgliedern ist ein unersetzlicher Schatz in unserer Gesellschaft. Ich meine, Jesus war deswegen so fasziniert von den Kindern, weil sie zu großer, unbedingter Liebe und zu einem unerschöpflichen Vertrauen fähig sind.