Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Pfarrer
Roland Trentinaglia
Sonntag, 27.08.2006
Das Wort „Bibel“ kommt an sich aus
der babylonischen Sprache. „Byblos“, lautet die ursprüngliche
Aussage und heißt auf Deutsch – schlicht und einfach – „das Buch“.
In dieser kommenden Woche möchte ich hier in den Morgengedanken über
ganz verschiedene Botschaften reden, so, wie sie sich im „Buch der
Bücher“, in der Bibel also, wieder finden. Die Bibel besteht aus
zwei Teilen, Altes Testament und Neues Testament. Diese beiden Teile
wiederum bestehen nicht „aus einem Guss“, wie wir sagen, sondern aus
ganz verschiedenen Teilen und Schriften, aus einzelnen Büchern. 45
Bücher sind es im Alten Testament und 27 im Neuen Testament. Alle
diese Schriften berichten im Grunde genommen nur eines, nämlich das
grenzenlose und liebevolle Interesse Gottes an uns Menschen. So ist
dieses Buch der Bücher im Laufe der Geschichte des Christentums für
viele Leute ein - ich möchte es einmal so formulierten – ein
Hoffnungsbuch geworden. Ein Hoffnungsbuch, das unwiderrufliche
Wertvorstellungen und Werthaltungen wiedergibt, Orientierung
vermittelt und in der Suche des Menschen nach dem Sinn des Lebens
Hilfestellung ermöglicht. Kein Wunder, dass also bis zum heutigen
Tag es immer wieder Menschen gibt, die gerne in der Bibel lesen.
Denn in ihr begegnen wir einem Gott, der sich bedingungslos der
Menschen annimmt und selbst dann, immer wieder „Ja“ zum Menschen
sagt, wenn dieser auch in Untreue gegenüber Gott verharrt.
Montag, 28.08.2006
Für mich sind es fünf Grundaussagen,
die das ganze Alte Testament, also den ersten Teil der so genannten
„Heiligen Schrift“, bestimmen. Das Alte Testament spricht von einem
einzigen Gott. Er ist ein lebendiger Gott – im Gegensatz zu den
Gottheiten in anderen Religionen des alten Orients. Ein lebendiger
Gott. Dieser Gott ist aus der Verborgenheit herausgetreten; er hat
sich gezeigt und dabei auch seinen Namen genannt: „JAHWE“, das heißt
auf Deutsch: Ich bin da, ich bin bei dir. So wird dieser Gott ein
begleitender Gott, der sich aus lauter Liebe mit den Menschen
verbündet. Gott führt sein Volk zu einem Ziel. Und dieses Ziel
lautet: Ich will, dass Leben in Fülle für dich möglich ist, auch auf
dem Hintergrund, dass du, Mensch, sterblich bist. Das Bündnis
zwischen dem Gott des Alten Testamentes und den Menschen war alles
andere als harmonisch. Die Menschen sträubten sich gegen Gott,
litten auch unter ihm und fielen immer wieder von ihm ab. Und ganz
interessant: weil sich der Mensch gegen Gott auflehnte, nahmen auch
die zwischenmenschlichen Beziehungen Schaden, wie wir es gerade im
ersten Teil der Bibel, im Alten Testament, immer wieder nachlesen
können.
Zusammenfassend können wir sagen:
Gott geht auf uns Menschen zu und will sich mit uns verbünden, damit
unsere Leben gelingen.
Dienstag, 29.08.2006
Für mich persönlich ist eine der
faszinierendsten Botschaften aus der Bibel, und zwar aus dem Alten
Testament, der Psalm 23. Er lautet: Du, Herr, bist mein Hirte. Darum
kenne ich keine Not. Du bringst mich auf saftige Weiden, lässt mich
ausruhen am frischen Wasser und gibst mir neue Kraft. Auf sicheren
Wegen leitest du mich, dafür bürgst du mit deinem Namen! Und geht es
auch durchs dunkle Tal - nein, ich habe keine Angst! Denn du bist ja
bei mir. Das macht mir Mut! Vor den Augen meiner Feinde deckst du
mir deinen Tisch; als Gast nimmst du mich bei dir auf und füllst mir
den Becher randvoll. Deine Güte und Liebe umgeben mich an allen
kommenden Tagen und in deinem Hause darf ich nun verweilen ein
ganzes Leben lang.
Dieser Psalm will deutlich machen,
wie sehr sich Menschen in der Güte und Liebe Gottes beheimatet
wissen. Und wer sich in dieser Beheimatung bei Gott zurecht findet,
der hat in seinem Denken und Handeln keinen Platz für Gewalt,
Folter, Terror und Unversöhnlichkeit. Wer sich von der Liebe Gottes
umgeben weiß und sich von ihr getragen weiß, wird die Religion
niemals als Mittel zur Machtausübung und Unterdrückung der Menschen
missbrauchen. Im Namen Gottes kann einem anderen Menschen weder
seine Würde, noch sein Leben abgesprochen werden. Denn Gott ist ja
bei mir, und zwar bei jedem. In meinen Augen gibt es keinen
gottlosen Menschen, weil der Mensch selber Gott nicht „los“ wird.
Ich wünsche Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, gerade auf diesem
Hintergrund des 23. Psalms aus dem Alten Testament, viel Mut und
Kraft und Gottvertrauen für ihren heutigen Tag und allen
Unternehmungen, die sie vorhaben!
Mittwoch, 30.08.2006
Stimmt! Das ganze Buch des Propheten
Jona ist ein einziges Loblied auf die Barmherzigkeit Gottes. Jona,
so wird erzählt, soll in die große Stadt Ninive gehen, um die
Menschen dort zur Besinnung auf Gott zu bringen. Er geht also nach
Ninive und ruft die Leute zur Hinwendung auf Gott auf, da sonst – so
droht er – Gott die Stadt, samt den Menschen zerstören werde. In der
Annahme, dass die Menschen seinem Aufruf nicht Folge leisten,
besteigt Jona in der Nähe einen Berg, um den Untergang Ninives
mitzuerleben. Aber was passiert? Die Menschen nehmen die Worte des
Propheten ernst und was macht Jona? Er regt sich Gott gegenüber auf,
dass er selber in der brütenden Sonne sitzen muss und keinen
Schatten hat. Da lässt Gott eine große Staude wachsen, die dem
Propheten Schatten spendet. Kurz darauf vernichtet ein Wurm die
Staude, sodass Jona wiederum hilflos der sengenden Sonne ausgesetzt
ist. Was tut er? Er regt sich neuerlich Gott gegenüber auf, dass er
diese Staude nicht geschützt hat. Und Gott erkennt die maßlose
Selbstsucht des Propheten und antwortet: Du bist gut, du regst dich
wegen einer Staude auf und erwartest gleichzeitig, dass ich eine
Stadt samt ihren hundertzwanzigtausend Einwohnern erbarmungslos und
unbarmherzig vernichte?“
Die Botschaft, liebe Zuhörerinnen
und Zuhörer, die in diesem kurzen Bibelabschnitt enthalten ist, ist
ein Loblied auf die große Barmherzigkeit Gottes. Können Sie mit dem
Begriff „Barmherzigkeit“ selber etwas anfangen?
Donnerstag, 31.08.2006
Es gibt in der ganzen Bibel kein
Wort, das so oft vorkommt, wie der Begriff „Liebe“ oder „lieben“.
Der Gott des Christentums ist ein liebender Gott, der von seiner
Größe aus Hochachtung vor dem Menschen keinen Gebrauch macht und ihm
selber alles in seine Hände legt. Somit wäre nach biblischem
Verständnis gerade die Liebe der Schlüsselbegriff schlechthin. Liebe
im Christentum meint: ein Herz haben für die Menschen, so, wie Gott
auch ein Herz für uns hat. Erst wenn die Liebe im Herzen der
Menschen wirklich zuhause ist, ist es möglich, dass Menschen wieder
sinnvoll von Gott reden und einander verstehen.
Allerdings, Liebe im Christentum ist
keine leichte Aufgabe: Es ist mit ihr nicht wie mit Sommersprossen,
die der eine bekommt und der andere nicht und um die man sich nicht
kümmern muss. Sie ist viel mehr als die Solidarität in Vereinen,
Parteien und Organisationen, wo man sich gegenseitig stützt und
nützt. Sie verkümmert auch nicht zur negativen Haltung, die da wäre:
nichts Böses wünschen, nichts Böses tun. Sie ist auch kein
Herumstudieren am Mitmenschen. Sie ist vielmehr teilhaben und
teilnehmen an der Freude, an den Leiden und Sorgen der anderen, Tag
für Tag aufs Neue – auch wenn es im täglichen Umgang mörderisch
schwer sein kann, Hochachtung und Sympathie zu bewahren. Ich wünsche
Ihnen für heute genügend Kraft zu solcher biblischer Liebe.
Freitag, 01.09.2006
Zu mir hat einmal auf einem
Bibelabend ein Teilnehmer gesagt, dass er am liebsten einige Seiten
aus der Bibel herausreißen möchte, weil deren Inhalt für ihn höchst
schwer verdaulich sei. Zugegeben, es gibt in der Heiligen Schrift
Aussagen, die uns Menschen herausfordern, wenn es da heißt: Mächtige
holt er vom Thron herunter und Geringe werden hochgestellt. Arme
überhäuft er mit Gaben und jagt die Reichen mit leeren Händen davon.
Die Ersten werden die Letzten sein und die Letzten werden die Ersten
sein. Wer sein Leben verliert, der wird es finden – oder: Wenn dich
einer auf die rechte Wange schlägt, halte ihm auch die linke hin und
richtet nicht! Bedenkt, mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch
euch zugemessen werden usw. usw.
Schauen wir auf diesem Hintergrund
Aussagen Jesu in der Einleitung zu der so genannten Bergpredigt, im
5.Kapitel des Matthäusevangeliums an. Da heißt es doch: Freuen
dürfen sich alle, die für ihr Leben nur noch von Gott etwas erwarten
und nichts von sich selbst (Erwarten wir überhaupt noch etwas von
Gott?), oder wie es da weiter heißt: Freuen dürfen sich alle, die
noch trauern können, denn Gott ist es, der ihnen die Last abnimmt.
Freuen dürfen sich alle, die in ihrem Leben niemals Gewalt anwenden
und freuen dürfen sich alle, die verfolgt werden, weil sie tun, was
Gott verlangt.
Stellen wir uns einmal vor, wir
würden ganz radikal die Botschaften der Bibel leben. Wie würde sich
das wohl in unserem Leben und bei unseren Mitmenschen auswirken?
Samstag, 02.09.2006
Die wichtigste Botschaft der Bibel?
Ja, welche könnte das wohl sein? Ist es die Aussage, die so oft von
uns bei Bedarf zitiert wird: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den
ersten Stein?“ Oder ist es die Forderung nach Nächstenliebe, salopp
formuliert: „Seid einfach nett zueinander?“ So wichtig für ein
gelungenes und geglücktes Leben diese eben gemachten Aussagen und
Botschaften sind, so treffen sie im Grunde genommen nicht die
Hauptbotschaft der Heiligen Schrift. Denn die zentrale Botschaft der
Bibel ist die Botschaft der Auferstehung von den Toten und das
zukünftige Leben für uns in der neuen Welt Gottes.
Ich persönlich glaube zutiefst nicht
nur an die Auferstehung Jesu, die wir nicht nur zu Ostern, sondern
auch Sonntag für Sonntag in den Gottesdiensten feiern, sondern auch
daran, dass sich mein eigenes Leben in der Güte und Liebe Gottes
vollenden wird. Das Sterben mag für mich durchaus unter Umständen
ein langer und problematischer Weg sein; aber der Tod hat für mich
selbst nur die Bedeutung, dass er die Tür zum Leben bei Gott ist. So
kann ich den wichtigsten und letzten Schritt in meinem Leben getrost
der Güte, Liebe und Barmherzigkeit Gottes überlassen. Sein „Ja“, das
er in der Taufe zu mir gesprochen hat, wird von seiner Seite niemals
zurückgenommen und weder durch das Sterben noch durch den Tod ins
Gegenteil umgekehrt. Somit ist die Botschaft der Auferstehung das
hoffnungsvollste und kraftvollste Wort der Bibel.
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