Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
„Frauen in der
Reformationszeit“
Sonntag, 29.10.2006
Katharina von Bora
An einem Sonntagmorgen des Jahres 1523 ist Katharina von Bora, eine
junge Zisterzienser Nonne, gemeinsam mit elf Mitschwestern auf einem
Fuhrwerk in Fässern versteckt, in Wittenberg angekommen. Zwei Jahre
später heiratete sie den damals schon weithin bekannten ehemaligen
Augustinermönch und Doktor der Theologie, Martin Luther.
Sie war gerade 24 Jahre alt und durchaus selbstständig in ihrem Denken
und Handeln. Als Ehefrau an Luthers Seite leitete sie einen
beachtlichen Wirtschaftsbetrieb in Wittenberg mit einer eigenen
Brauerei und großen Gärten. Sie schaffte es, dem manchmal bis zu
zwanzig Personen umfassenden Mittagstisch gerecht zu werden und die
Finanzen des Reformators in den Griff zu bekommen.
Aber es umfasst noch viel mehr, wenn Luther einmal glücklich ausruft:
„Ich wollte meine Käthe nicht um ganz Frankreich und Venedig mehr
hergeben, darum weil Gott sie mir geschenkt und mich ihr gegeben
hat.“
Ich denke, es ist an der Zeit, die Frauen des beginnenden 16.
Jahrhunderts aus der Vergessenheit zu holen und sie, ihren Mut, ihre
Begabungen und auch ihr Engagement auf den Leuchter zu stellen.
Montag, 30.10.2006
Dorothea Jörger
Im Jahr 1524 starb Wolfgang Jörger, einer der einflussreichsten Adeligen
Oberösterreichs und er ließ seine Frau Dorothea mit zwei Söhnen und
einem großen und schwer aufzuteilenden Erbe zurück.
Dorothea war aber nicht bloß eine begüterte Frau, sie war auch überaus
klug und belesen und stand im Briefwechsel mit vielen bedeutenden
Menschen ihrer Zeit, auch mit dem Reformator Martin Luther. Ein
Dankesbrief Luthers für eine großzügige Unterstützung seitens
Dorotheas wurde erst vor einigen Jahren im Stift Herzogenburg
gefunden und als echt erkannt.
Dorothea Jörger hat ein Stück Ökumene bereits in sich vorweg genommen und
verinnerlicht. Einerseits holte sie einen reformatorischen Prediger
auf Schloss Tollet bei Grieskirchen und zur gleichen Zeit stand sie
mit dem katholischen Ortspfarrer von Atzbach in gutem Kontakt und
Einvernehmen.
Wäre damals und heute auf Frauen wie Dorothea Jörger mehr gehört worden,
wir hätten uns vielleicht manche kriegerischen Konflikte in der
Vergangenheit und Gegenwart erspart.
Dienstag, 31.10.2006
Argula von Grumbach
Der 31. Oktober ist nach wie vor für evangelische Christen und
Christinnen ein besonderes Datum. An eben diesem Tag im Jahr 1517
veröffentlichte Luther seine 95 Thesen, die sein Verständnis des
Glaubens und Christseins und seine Kritik an diversen Missständen
der damaligen Kirche wiedergegeben haben.
Fünf Jahre später waren diese Thesen neben vielen anderen Schriften
Luthers auch in Bayern und Österreich bekannt. Immer mehr Menschen,
Männer wie Frauen, fühlten sich angesprochen und verstanden. Eine
unter ihnen war Argula von Grumbach, eine junge Adelige aus dem
Geschlecht der Hohenstauffen in Bayern.
Mit zehn Jahren kam Argula auf den herzoglichen Hof, um als Hofdame
ausgebildet zu werden. Ihr Vater schenkte ihr eine Bibel in einer
frühen deutschen Übersetzung. Diese Bibel enthielt beeindruckende
Holzschnitte von alttestamentlichen Frauengestalten. Das
geschriebene Wort und die zugehörigen Bilder prägten die
Heranwachsende und ermutigten sie 21jährig in aller Öffentlichkeit
ihren Glauben zu bezeugen und zu verteidigen. Selbst Martin Luther
zollte ihr Respekt: „Die edelste Frau Argula von Stauffen kämpft
einen gewaltigen Kampf in diesem Land mit großem Geist und reich an
Worten und Erkenntnis Christi.“
Mittwoch, 1.11.2006
Wibrandis Rosenblatt
Die Gräber sind heute noch einmal festlich geschmückt für den Winter.
Kerzen brennen. Durch den Morgennebel zwängen sich ein paar erste
Sonnenstrahlen. Dennoch wird der Weg zum Friedhof für so manchen
heute ein schwerer Weg sein.
Im 16. Jahrhundert, in dem die Pest ganze Städte dahinraffte, war der Tod
allgegenwärtig. Wibrandis Rosenblatt, eine Basler Bürgerstochter hat
den Tod eines geliebten Menschen gleich viermal erleben und erleiden
müssen.
Keine 22 Jahre alt ging Wibrandis mit einer kleinen Tochter im Arm hinter
dem Sarg ihres ersten Ehemannes her. Drei Jahre später wirbt ein
Professor der Theologie um sie, allerdings ist dieser 20 Jahre
älter. Wibrandis musste froh sein, dass sie wiederum versorgt war.
Bereits 1531 stirbt ihr zweiter Mann. Nach dem Trauerjahr heiratet
sie den Straßburger Pfarrer Wolfgang Capito. Die gefürchtete Pest
zog in Straßburg ein und Wibrandis wurde zum dritten Mal Witwe. Der
vierte Mann an ihrer Seite war Martin Bucer, der ebenfalls seine
erste Frau durch die Pest verloren hatte. Schließlich starb auch
Bucer vor Wibrandis, nachdem sie ihn wochenlang liebevoll im
eiskalten England gepflegt hatte.
Ich frage mich, woher nahm diese Frau die Kraft, um all das zu ertragen?
Die Historiker machen sich darüber keine Gedanken. Ich sehe sie vor
mir stehen am Grab ihrer Männer und Kinder und merke, wie sie all
ihre Hoffnung auf den setzt, der sich der Witwen und Waisen erbarmt.
Donnerstag, 2.11.2006
Elisabeth Cruciger
Im Gesangbuch der Evangelischen Kirche finden sich nur ganz wenige
Lieder, die eine Frau als Dichterin ausweisen. Das älteste unter
diesen stammt aus der Feder von Elisabeth Cruciger, einer ehemaligen
Nonne aus Ostpommern.
Wie so viele ihrer Mitschwestern kam sie mit dem reformatorischen
Gedankengut in Berührung. In einem einzigen Vers ihres Liedes fasst
sie zusammen, was Jesus Christus ihr bedeutet:
„Für uns ein Mensch geboren im letzten Teil der Zeit, dass wir nicht wärn
verloren vor Gott in Ewigkeit; den Tod für uns zerbrochen, den
Himmel aufgeschlossen, das Leben wieder bracht.“
Durch die Heirat mit dem Prediger Caspar Cruciger kommt sie nach
Wittenberg und kann sich auch im Kreis der gelehrten Professoren als
theologische Schriftstellerin behaupten. Mit ihrem Christuslied aber
greift sie einerseits zurück auf das Zeugnis der Bibel und schaut
zugleich weit nach vorne in eine Zeit, wo die Christenheit wieder
mit einer Stimme das Gotteslob singt und bezeugt.
Freitag, 3.11.2006
Katharina Zell
Sich als Frau an die Öffentlichkeit zu wagen, war am Beginn des 16.
Jahrhunderts fast ausschließlich Adeligen oder Nonnen vorbehalten,
denn nur diese konnten lesen und schreiben.
Eine Ausnahme bildet Katharina Zell. Ihr Vater war Schuster in Straßburg.
Er hatte aber seiner Tochter eine gründliche Schulbildung angedeihen
lassen. Schon als junges Mädchen war der christliche Glaube für
Katharina lebenswichtig, allerdings auch begleitet von der Angst,
sie könnte dem gerechten Gott trotz ihres frommen Lebens nicht
entsprechen.
Reformatorische Schriften kamen auch in ihre Hände. Katharina erinnerte
sich später an deren Wirkung: „Ich meinte, man zöge mich tief aus
dem Erdreich heraus, ja aus der grimmigen Höll’ in das lieblich süße
Himmelreich.“
1523 heiratete sie den Straßburger Pfarrer Matthäus Zell, der zwanzig
Jahre älter war als sie. Noch zu Lebzeiten ihres Mannes begann sie
zu schreiben und zu predigen. Ihre seelsorgerliche Gabe und ihr
unerschrockener Glaube wurden stadtbekannt. Auf manche Vorwürfe,
dass doch der Apostel Paulus einer Frau zu schweigen geboten hätte,
entgegnete sie mit einer anderen biblischen Geschichte: „Weißt aber
auch, da Zacharias ein Stummer war, hat Elisabeth, seine Frau, Maria
die Jungfrau gebenedeit.“
Samstag, 4.11.2006
Caritas Pirckheimer
Eine denkwürdige Begegnung im Jahr 1525 ist kaum bekannt, könnte aber
beispielgebend sein für das Miteinander von Männern und Frauen in
den christlichen Kirchen, auch über Konfessions – und
Generationsgrenzen hinweg.
Im Beichthaus des Clarissenklosters von Nürnberg, am Sprechfenster,
begegneten einander der Reformator Philipp Melanchthon und Caritas
Pirckheimer, Äbtissin des Klosters und überzeugte Gegnerin der
Reformation. Er war nicht einmal dreißig Jahre alt und sie eine
betagte weise Frau. Die beiden konnten einander nicht in die Augen
sehen und doch spürten sie einander das jeweilige Bemühen um ein
ernsthaftes und überzeugtes Christsein ab.
Freilich, da gab es strittige Punkte, die nicht so einfach mit einem
Gespräch aus der Welt zu schaffen waren. Aber Caritas Pirckheimer
war klug genug, das Verbindende zu betonen.
So konnte sich einerseits das Clarissenkloster in Nürnberg noch etliche
Jahre halten und andererseits – wer weiß - sind vielleicht auch ihre
Argumente in das Augsburger Bekenntnis eingeflossen und wirken damit
fort, durch die Zeiten.
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