Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Mag. Klaudia Achleitner
Sonntag, 5.11.2006
Neulich hat mich eine Freundin angerufen. Sie wirkte völlig gestresst am
Telefon: „Weißt du, ich habe keine Ahnung wie ich die nächsten Tage
überstehen soll. Ich bin allein mit den Kindern und da läuft das
volle Programm und jetzt ist auch noch meine Mutter krank geworden.“
„Warte mal!“, unterbrach ich sie, „Was würde dir am besten helfen?
Deine Kinder können ja nach der Schule zu mir kommen. Ich koche
einfach einen größeren Topf Nudeln – das geht leicht.“ Ich hörte
richtig, wie sie am Telefon aufgeatmet hat. „Ja, wenn das geht?!“
sagte sie, „Gerne. Mir wäre einfach sehr geholfen.“
Oh, wie gut kenne ich das – von allen Seiten prasselt es auf mich ein und
ich muss da jetzt allein durch; zum Hilfe schreien habe ich gar
keine Zeit. Hier kommt es dann auf die persönlichen Kontakte an, die
mich aus solchen Situationen rausholen können. Es ist wie ein Netz
das mich trägt. Wenn ich selbst dann wieder genug Kraft habe, kann
ich selbst als Teil dieses Netzes anderen helfen. Diese Erfahrungen
haben mich den Satz im heutigen Evangelium neu verstehen lassen, wo
es heißt: „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. Das
eigene Leben lässt sich nur durch Beziehungen gestalten. Ich kann
auf den anderen nur zugehen, wenn ich mich in seine Situation
hineinfühle.
So hat auch meine Freundin das Telefonat beendet, indem sie sagte: „Und
nächste Woche kommen dann deine Kinder zu mir.“
Montag, 6.11.2006
Zweimal pro Woche bringe ich meine Tochter Anna und ihren Freund Florian
in den Waldkindergarten. Da wurde ich neulich Zeugin eines
aufschlussreichen Gespräches der beiden Dreijährigen. Florian fragte
Anna: „Was willst du einmal werden?“ Sie antwortete ganz spontan:
„Mama.“ „Aha!“, antwortete er, „Ich will Feuerwehrmann werden.
Willst du dann bei mir Mama werden?“ Ich musste richtig lachen und
freute mich gleichzeitig über die Antwort von Anna. Das war eine der
schönsten Rückmeldungen, die ich seit langem bekommen habe. Auf
einmal kam es mir gar nicht mehr so schwer vor, drei kleine Kinder
zu haben, einen Fünf-Personen-Haushalt zu organisieren mit waschen,
putzen, kochen, bei der Aufgabe und Gitarre üben helfen,
Tanzstunden, Freizeitgestaltung, Taxi spielen und was sonst noch so
alles anfällt, wenn zum Beispiel ein Kind krank wird oder so.
Über Annas Antwort habe ich mich auch deswegen gefreut, weil da für mich
ein ganz großes Gefühl an Sicherheit und viel Vertrauen angeklungen
ist. Es ist ja auch toll, Mama zu sein mit so einem kleinen Kind,
das selbstständig spielt, sich alleine an- und auszieht, sich sein
Essen selber schneidet, gerne singt und tanzt und ganz genau weiß,
was es will.
Da muss ich noch einmal mehr über den Schluss der Unterhaltung der beiden
Dreijährigen schmunzeln als Anna zu Florian sagte: „Papa werden will
ich nicht. Da muss ich so viel arbeiten.“
Dienstag, 7.11.2006
An der Tür klingelt es. Eine Nachbarin steht draußen und fragt: „Bist du
so weit?“ Sie hat schon ihr Arbeitsgewand an. Bei uns ist heute
nämlich Siedlungsputz. Zweimal pro Jahr werden die gemeinsamen
Flächen gereinigt, die Büsche geschnitten und Reparaturen
durchgeführt. Alle bringen ihre Werkzeuge und ihre Gartengeräte mit
und dann geht’s los. Die Kinder helfen selbstverständlich mit.
Sämtliche Spieltraktoren mit Anhänger kommen zum Einsatz, um das
Laub und die abgeschnittenen Äste zur gemeinsamen Sammelstelle zu
bringen. Das gemeinschaftliche Saubermachen hat aus uns auch eine
Siedlungsgemeinschaft gemacht. Das heißt jetzt nicht, dass wir alle
dick miteinander befreundet sind. Aber wir kennen uns immerhin so
gut, dass kleinliche Nachbarschaftsstreitereien zum Glück kein Thema
sind. Es ist selbstverständlich, dass wir uns gegenseitig auf unsere
Kinder aufpassen oder einander mit Lebensmitteln oder Werkzeug
aushelfen. Auch Babysitterinnen gibt’s und jemanden zu finden, der
während der jeweiligen Urlaubszeit das verwaiste Haus betreut, ist
überhaupt kein Problem. Auf diese Art war es für uns als ‚Zuagroaste’
noch leichter, uns daheim zu fühlen und mit unserem neuen Wohnort
vertraut zu werden.
Und wenn nach ein paar Stunden unsere Arbeit erledigt ist, kommt das
Vergnügen: Zufrieden sitzen wir dann rund um den Griller und später
bei Kaffee und Kuchen. Wir besprechen noch das eine oder andere
gemeinsame Anliegen und lassen den Tag gemütlich ausklingen.
Mittwoch, 8.11.2006
Unsere Kinder sind derzeit drauf und dran ein neues Hobby – nämlich das
Einkaufen – zu entdecken. Es vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht
dringend etwas brauchen. „Mama, ich brauch unbedingt eine
Diddl-Mappe.“ sagt Angela, „Ich kauf’s mir auch vom eigenen Geld!“
„Mama, das Puma-Geldtascherl ist so toll. Bitte darf ich das
haben?“, bittet Simon. „Mama, ich mag einen Lutscher!“, schreit
Anna. Wenn ich diese Wünsche höre, muss ich immer an die vielen
Sachen in den Kinderzimmern denken. Teilweise werden die Dinge schon
lange nicht mehr angeschaut. Wieso muss immer noch mehr her?
Eine Beziehung zum Geld haben unsere Kinder einfach noch nicht
entwickelt. Sie wissen wie viel Geld sie haben, sehen das erträumte
Ding im Geschäft und wollen es schon kaufen. Teuer oder billig ist
für sie noch kein Maßstab.
Wir sind jetzt halt zum Prospekteanschauen übergegangen und versuchen
Preisvergleiche anzustellen. Zum Beispiel wie viele Pizzasemmeln bei
der Schuljause sich Simon für ein Geldtascherl kaufen könnte. Mit
dieser Privatwährung kommen wir ganz gut zurecht. Mir gefällt diese
Auseinandersetzung, weil wir so miteinander eine Lösung finden. Oft
kommen sie auf diesem Weg drauf, dass die Dinge ganz schön teuer
sind und sie sie doch nicht so dringend benötigen. Und einfach immer
nur ‚Nein’ zu sagen, ist mir zu wenig und „Geht’s zum Papa!“ ist
eine faule Ausrede.
Donnerstag, 9.11.2006
Beim Zusammenräumen ist mir vor ein paar Tagen wieder unser Stoß
Ansichtskarten in die Hände gefallen. Gemeinsam mit den Kindern
haben wir sie noch einmal gelesen und angeschaut. „Schau mal Mama,
die ist vom Opa. Da hat er uns einen Lift draufgezeichnet. Da war er
mit der Oma Schi fahren.“ „Und die, die hat uns der Laurenz aus
Kroatien geschrieben.“ So haben wir Karte für Karte angeschaut und
durchgelesen. Wir haben uns an die vielen Menschen erinnert, die in
ihrem Urlaub an uns gedacht haben und uns geschrieben haben. Lange
haben wir über all die Freunde und Freundinnen gesprochen und dabei
überlegt, was sie jetzt wohl so machten. Für die nächste Zeit haben
wir uns vorgenommen, uns bei einigen von ihnen zu melden.
Ich freue mich über jede Ansichtskarte, die ich bekomme. So kann ich
wenigstens ein bisschen am Urlaub der anderen teilhaben und außerdem
tut es gut, wenn Freunde an einen denken. Ich habe ziemlich viele
Karten aufgehoben und wenn ich sie einmal auflegen würde, käme ein
schönes Stück Lebensgeschichte dabei heraus – lustige Erlebnisse,
gemeinsame Urlaube, verliebte Geschichten, traurige Zeiten und
vieles mehr.
In unserer alten Wohnung haben mein Mann und ich die Ansichtskarten des
Jahres immer auf den Kühlschrank gehängt. Mit den Kindern gemeinsam
werden wir nun die Karten an Schnüren befestigen und sie dann in den
Kinderzimmern aufhängen.
Freitag, 10.11.2006
Neulich standen wir wieder vor unseren Martinslaternen, die unsere Kinder
in den Kindergartenjahren gebastelt haben. Da wollten die Kinder von
mir wissen, warum es eigentlich den Martinsumzug mit den Laternen
gibt.
„Ja, das ist eine alte Geschichte“, begann ich zu erzählen: „Ihr kennt
doch die Geschichte vom Hl. Martin. Na, und ihm zu Ehren gibt es
diese Umzüge. Meist reitet ein als Heiliger Martin verkleidetes Kind
vorneweg – so wie letztes Jahr der Fabian, erinnert ihr euch?
Während des Umzugs ist es dann oft schon dunkel und die Laternen
leuchten ganz bunt in der Nacht. Licht ist ein Zeichen für Wärme –
denkt an den Ofen beim Opa. Oder es kann uns den Weg ausleuchten wie
eine Straßenlaterne.
In der Bibel heißt es, dass Jesus das Licht der Welt ist – das Licht für
die Welt. Da wird auch erzählt, wie Jesus den Menschen geholfen hat,
sie gesund gemacht hat und sie auf ihrem Weg begleitet hat. Jesus
war und ist Licht für die Menschen, wenn es rund um sie herum dunkel
ist, wenn sie Sorgen haben und nicht mehr weiter wissen. Es gibt
viele Menschen, die an Jesus glauben und das gut finden, was er
getan hat und sie bemühen sich, so wie er zu handeln.“ „Gell, Mama,
so wie der Heilige Martin. Er hat fest an Jesus geglaubt und dann
mit dem armen Mann seinen Mantel geteilt. Weil - er war ja reich und
hat genug gehabt.“ Und Simons Schluss: „Ich finde es gut, wenn wir
wegen dem Martin mit den Laternen gehen.“
Samstag, 11.11.2006
Wir stehen vor einem Gasthaus und Simon las: „’Die ganze Woche
Martinigansl.’ Mama was soll das heißen? Was hat denn der Heilige
Martin mit einer Gans zu tun?“ „Ja, das verstehe ich auch nicht“,
meinte Angela, „Er hat doch den Armen geholfen und sicher nicht
Gänse gegessen.“
In der Zwischenzeit habe ich mich informiert und herausgefunden, dass das
mit der Martinigans ein ganz alter Brauch ist. Früher war es für die
Bauern zu teuer, ihr Vieh durch den kalten Winter zu füttern und so
wurde es geschlachtet – unter anderem auch die Gänse. Und so gab es
vor der langen Fastenzeit im Advent am Martinstag Gänsebraten.
Vom Heiligen Martin wird auch eine Geschichte mit Gänsen erzählt: Bevor
er zum Bischof geweiht werden sollte, hat er sich in einem
Gänsestall versteckt, weil er geglaubt hat, dass er nicht der
Richtige ist. Die schnatternden Gänse haben ihn dann verraten.
„Denken jetzt alle an den Martin, wenn sie ihre Gans essen?“ fragte Anna.
„Ja, das sollten sie vielleicht“, antwortete Angela, „Wir haben
nämlich in Religion gelernt, dass der Martin soo nett war, dass er
einem armen Mann, der keinen Mantel hatte, die Hälfte von seinem
gegeben hat.“ „Genau!“ ergänzte Simon, „Dann ist ihm im Traum Jesus
erschienen und hat den halben Mantel angehabt. Oder?“ „Ja, so wird
es erzählt“, sage ich, „Jesus steht nämlich auf der Seite der Armen
und Hungernden. Wenn wir mit den Armen und Hungernden teilen, dann
geht es ihnen gut und uns geht es immer noch gut.“
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